Mögliche Schulz-Nachfolge Mairead McGuinness - die Bescheidene
Mairead McGuinness gilt als standhaft und zielstrebig. Und dass sie sich für körperliche Arbeit nicht zu schade ist, hält sie selbst für einen möglichen Startvorteil. Die Irin ist Vize-Präsidentin des Europaparlaments, doch das "Vize" hätte sie gerne bald gestrichen.
Mairead McGuinness kommt zu spät. Die Irin mit den kurzen rot-blonden Haaren und der blauen Brille entschuldigt sich erst einmal - lange Sitzungen. Man merkt, sie lässt Leute ungern warten. Die 57-Jährige ist Vize-Präsidentin des Europaparlaments und arbeitet darüber hinaus vor allem in den Bereichen Landwirtschaft, Lebensmittelsicherheit und Medizin. "Ich hab viel zu tun und bin voller Energie", sagt McGuinness.
Energie wird McGuinness brauchen, denn sie will Topkandidatin der Konservativen für das Amt des neuen Parlamentspräsidenten werden. Die Entscheidung wird am kommenden Dienstag fallen. Auf den Fluren des Europaparlaments ist zu hören, dass Margret Bridget McGuinness, so ihr voller Name, gute Chancen habe. "Ich glaube, ich habe mir im Parlament ziemlich viel Anerkennung erarbeitet. Ich bin jedem gegenüber fair, bin aber auch standhaft," sagt sie.
Wert auf Bildung
Das Bodenständige hat McGuinness durch ihre Wurzeln. Sie stammt aus einer einfachen irischen Familie, die Eltern waren Landwirte. Zuhause waren sie acht Kinder, erzählt sie. Doch in der Familie sei viel Wert auf gute Bildung gelegt worden. "Erfolg war uns sehr wichtig", erinnert sie sich. Das hat McGuinness offenbar geprägt.
In mancher Hinsicht habe sie sich ihre Wurzeln bewahrt, meint McGuinness. Sie selbst habe eine große Familie mit vier Kindern. Und ihr Mann betreibe in Irland einen Bauernhof mit Schafen, wo sie auch mal anpacke, wenn sie zu Hause ist, erzählt McGuinness. "Vielleicht mögen die Leute, dass ich hin und wieder auch mal Dreck unter meinen Fingernägeln habe." Und dass sie mit ganz normalen Menschen ebenso reden könne, wie mit Ministern und Premierministern.
Diese Fähigkeit könnte McGuiness als mögliche neue Parlamentspräsidentin gut gebrauchen. Mitte Januar kommenden Jahres werden die Europaabgeordneten ihren neuen Chef wählen. Oder ihre neue Chefin. Doch so weit will die Irin jetzt noch nicht gehen. Erst einmal will sie das Zugpferd der Konservativen werden. "Ich bin eine glaubwürdige Kandidatin und dazu eine Frau." Und genau diese Reihenfolge sei ihr wichtig.
Bald die dritte Frau im Spitzenamt?
Unter den insgesamt 31 Präsidenten des Europaparlaments gab es gerade einmal zwei Frauen. McGuinness könnte die Dritte werden. Ihre größten Konkurrenten aus der eigenen Fraktion sind ein Franzose und ein Italiener. Sie selbst komme im Vergleich dazu ja aus einem kleinen EU-Land, gibt sich die Irin bescheiden. "Vielleicht müssen wir bei der Frage, wer mehr Gewicht und Wichtigkeit auf die Waage bringt, ein bisschen miteinander raufen", sagt sie schmunzelnd.
Durch den stressigen Wahlkampf habe sie einige Kilos verloren, aber die kämen schon bald wieder drauf. "Weihnachten werde ich wirklich gut und viel essen." Und ihr Grinsen verrät, dass sie sich nicht nur auf den Weihnachtsbraten freut. Sondern auch auf das neue Jahr, in dem vielleicht einiges anders werden könnte - für Mairead McGuinness.