Schulz-Nachfolge Drohender Machtkampf in Brüssel
Er galt als der logische Nachfolger von EU-Parlamentspräsident Schulz: Manfred Weber, der Fraktionschef der Christdemokraten. Doch der CSU-Politiker lehnt ab. Nun droht ein Machtkampf zwischen Sozialdemokraten und Christdemokraten.
Schon vom Typ her ist Manfred Weber kein Martin Schulz: Eher nachdenklich und leise, statt laut und leidenschaftlich. Ein geschickter Organisator, der seine Worte genau abwägt, kein Motivator, der flammende Reden hält. Auch deswegen wurde Weber gerade mit 98 Prozent als Fraktionschef der Christdemokraten im EU-Parlament wiedergewählt.
Ein Posten, auf dem er Europapolitik im parlamentarischen Tagesgeschäft gestalten will, betont der 44-Jährige aus Niederbayern: "Das ist mein Platz, das ist meine Aufgabe. Deswegen bin ich der Manager des Verfahrens, um einen Kandidaten zu präsentieren. Ich selbst bin kein Kandidat."
Aber nicht, weil er sich die Nachfolge des kampfeslustigen Über-Europäers Schulz nicht zutraut. Was der für die Sichtbarkeit des EU-Parlaments getan hat, sei ohnehin nicht kopierbar, heißt es aus den Reihen der Christdemokraten - durchaus anerkennend übrigens.
Plädiert für einen Wandel der europaparlamentarischen Kultur - Manfred Weber, der Fraktionschef der Christdemokraten im EU-Parlament.
Schluss mit der Ein-Mann-Fokussierung
Doch damit habe sich alles auf eine politische Figur, einen Mann konzentriert, so Weber. Und das solle sich jetzt ändern: "Klar ist, dass die Fraktionen das eigentliche Sagen haben." Weil dort Politik gemacht werde, zwischen der Europäischen Volkspartei, den Christdemokraten und der Sozialdemokratie in Europa. "Und die zwei Fraktionsvorsitzenden sind dann auch die, die am Schluss die Entscheidungen fällen, in welche Richtung Europa gehen muss, mit dem Mandat, das wir von den Bürgern haben", betont Weber.
Er plädiert für einen Wandel der europaparlamentarischen Kultur: Mit einem repräsentativen aber politisch überparteilichen Präsidenten, der die politische Arbeit den Chefs der beiden größten Fraktionen überlässt. Und genau dies hat Schulz zwei Amtszeiten lang eben nicht getan. Das sorgte nicht nur bei den Konservativen für jede Menge Unmut. Das EU-Parlament nach Schulz soll in Webers Vorstellung also eher wie der deutsche Bundestag funktionieren, wo ja auch nicht Norbert Lammert sondern Volker Kauder und Thomas Oppermann den Ton angeben.
Sozialdemokrat will auch kandidieren
Trotzdem besteht Weber darauf, dass seine Christdemokraten im EU-Parlament den nächsten Präsidenten stellen - so, wie es mit den Sozialdemokraten abgemacht wurde. Doch Gianni Pittella, der Chef der Sozialdemokraten, sieht das nicht ein: "Wir werden niemals akzeptieren, dass eine politische Gruppe, besonders nicht die der Christdemokraten, ein Monopol auf alle Institutionen der EU hält." Denn wenn sich Webers Idee durchsetzt, werden Rat, Kommission und Parlament ab Januar 2017 von Christdemokraten geführt. Deswegen will Pittella nun selber kandidieren - auch wenn das die Koalition mit den Konservativen sprengt. "Lassen Sie mich klarstellen: Für die Sozialdemokraten gab es nie eine Große Koalition, sondern lediglich eine legislative Kooperation mit anderen Fraktionen. Damit das Parlament arbeiten konnte."
Machtkampf zwischen Sozialdemokraten und Christdemokraten
Es läuft also auf einen Machtkampf zwischen Sozialdemokraten und Christdemokraten im EU-Parlament hinaus. Eine Situation, von der übrigens am Ende die Liberalen profitieren könnten: Deren Fraktionschef Guy Verhofstadt wird sich auch um Schulz' Posten bewerben - und könnte am Ende als Konsenskandidat übrigbleiben. Mit Webers Vorstellung des zurückhaltenden Präsidenten hat der Belgier Verhofstadt allerdings wenig gemein: Dem Brexit-Befürworter Nigel Farage fauchte er beispielsweise einmal nach: "Na wenigstens sparen wir uns jetzt die größte Verschwendung im EU-Haushalt: Ihr Gehalt!"