Ziele für Gipfel in Abidjan Afrika soll kein Bittsteller mehr sein
Afrika soll ein gleichgestellter Partner werden - das ist die Wunschvorstellung der EU. Doch damit aus dem großen Ziel einmal Realität wird, müssen erst viele kleinere angegangen werden: Bessere Bildung, bessere Förderung und der Schutz der Menschenrechte.
Ein "wirklich wichtiger Gipfel" werde das in Abidjan, kündigte die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini an. Weil es der erste dieser Art zwischen Afrikanischer und Europäischer Union sei. Und weil Afrikas Probleme längst auch die von Europa geworden seien. "Unsere Kontinente trennen an der engsten Stelle nur 14 Kilometer. Was in Afrika geschieht, betrifft Europa direkt - und umgekehrt", betonte Mogherini.
Die Flüchtlingskrise hat das zuletzt mehr als deutlich gezeigt. Doch inzwischen ist die Zahl der Menschen, die über das Mittelmeer kommen, stark gesunken. Weswegen es beim Gipfel in Abidjan an der afrikanischen Elfenbeinküste nicht nur um Migration gehen soll, sondern vor allem um Wirtschaft, Entwicklung und die Jugend. Rund 60 Prozent der Afrikaner sind jünger als 25 Jahre. Und die Jungen sind es, die in Massen die Flucht antreten, um der Perspektivlosigkeit ihrer Heimatländer zu entkommen.
Private Investitionen dringend nötig
Die Demographie arbeite gegen sie, rechnete EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger vor: Nach UN-Schätzungen wird sich Afrikas Bevölkerung bis 2050 auf 2,4 Milliarden Menschen mehr als verdoppeln. "Laut unserer Prognosen wären allein wegen diesem Wachstum jährlich 20 Millionen neue Arbeitsplätze notwendig. Wir schaffen aber nur vier bis fünf Millionen", sagte Oettinger.
Die rund 21 Milliarden Euro, die von der EU jedes Jahr als Entwicklungshilfe nach Afrika geschickt werden, gelten längst nicht mehr als das Allheilmittel. Viel wichtiger sind die 32 Milliarden Euro Direktinvestitionen, die ein Drittel aller ausländischen Investitionen in ganz Afrika ausmachen. Davon wolle man mehr haben, und zwar indem gezielt gefördert werde, sagt Werner Hoyer, Chef der Europäischen Investitionsbank: "Wir kommen langsam weg von Subventionen, hin zu mehr Garantien und Krediten. Nur damit können wir die Gelder für Afrika multiplizieren." Oder "hebeln", wie es in Fachkreisen auch heißt: Der Privatsektor solle finanziell mithelfen, denn aus den öffentlichen Kassen allein sei nichts zu erreichen, so Hoyer - weder die Entwicklungs- noch die Klimaziele für Afrika.
Bildungschancen ganz oben auf Prioritätenliste
Die EU will sich verstärkt um die Verbesserung der Ausbildung in den afrikanischen Ländern kümmern. Ein Vorschlag, der auf dem Gipfel in Abidjan diskutiert werden soll: Das beliebte Studienaustauschprogramm "Erasmus" auf Afrika auszudehnen. Bundesaußenminister Sigmar Gabriel ging vor dem Gipfel noch weiter und schlug im ARD-Interview vor, jedes Jahr "mehrere 100.000" junge Afrikaner zur Berufsausbildung nach Europa zu holen - sofern sie Vorkenntnisse haben und nach drei bis vier Jahren freiwillig zurückkehren. "Wenn junge Leute in Afrika keine Chance auf eine gute Ausbildung haben und keine Chance, Unternehmen zu eröffnen oder in ihnen zu arbeiten, wird es in Afrika nicht zu Frieden und Stabilität kommen", warnt Gabriel.
Organisationen wie das katholische Hilfswerk Misereor, die in Abidjan einen Alternativgipfel veranstalten, kritisieren allerdings: Gerade wirtschaftlich zwinge Europa Afrika noch immer in eine Abhängigkeit, etwa durch Handelsverträge, die lokale Märkte zerstörten. Und bei der Flüchtlingskrise setze die EU auf Abschottung. Die Organisationen Brot für die Welt, Medico International und Pro Asyl sprechen von "schmutzigen Deals mit Regimen, in denen eklatante Menschenrechtsverletzungen an der Tagesordnung sind". Gemeint sind vor allem die Regierungen in Mali, Niger, Burkina Faso, Tschad und Mauretanien, die mit Hilfe Frankreichs und Deutschlands und 50 Millionen Euro Starthilfe von der EU eine Eingreiftruppe zur Sicherung ihrer Grenzen aufbauen sollen.
Wichtigster Grundsatz: Zusammenarbeit
In Brüssel aber besteht man darauf: Europas Bemühungen in Afrika basierten auf europäischen Werten und dem Respekt der Menschenrechte. Und für die EU-Außenbeauftragte Mogherini sind militärische Lösungen auch nicht das, was Europas Afrikapolitik ausmachen solle: "Europas Ansatz bei der Sicherheit ist lange zu kurz gekommen: Zusammenarbeit. Wir wollen Gesellschaften in die Lage versetzen, ihre eigenen Geschicke zu lenken." Und dafür, so Mogherini, müsse beim Gipfel in Abidjan über einen grundsätzlichen Wandel im europäisch-afrikanischen Verhältnis gesprochen werden: Afrika soll Europa nicht mehr als Bittsteller gegenübertreten müssen, sondern als gleichberechtigter Partner.