Italien, EU und Libyen Gemeinsam gegen Schlepperbanden?
Im Kampf darum, die Flucht über das Mittelmeer und den damit verbundenen Menschenschmuggel einzugrenzen, gilt Libyen als Schwachstelle. Italien will helfen: mit Schiffen, mit Soldaten. Heute berät das Parlament darüber. Doch will Libyen die Hilfe überhaupt?
Zu den meistzitierten Sätzen in der Flüchtlingsdebatte zählt dieser: "Wir müssen den libyschen Schlepperbanden das Handwerk legen." Daran jedoch sind sowohl die Sicherheitskräfte vor Ort als auch die EU mit ihrer Marine-Mission bislang gescheitert.
Solange die europäischen Schiffe nicht unmittelbar vor der libyschen Küste aktiv werden können, werde die EU nicht den Hauch einer Chance gegen die kriminellen Menschenschmuggler haben, geben Militärs bei abgeschaltetem Mikrofon zu. Und auch der Vizepräsident des EU-Parlaments, Alexander Graf Lambsdorff von der FDP, hält dies für erforderlich. Auch wenn der Vorstoß, wie er im Interview mit dem ARD-Studio Brüssel erklärt, nicht alle Probleme löst: "Es wäre gut, wenn die Europäische Union sich in libyschen Gewässern engagieren könnte. Das Land ist insgesamt ein Problem von Norden bis Süden. Dazu gehört auch die Überwachung der libyschen Südgrenze, über die zahlreiche Migranten fliehen."
Auch Ausweitung der "Sophia"-Mission in der Debatte
Bislang ist es den europäischen Schiffen nicht erlaubt, in die sogenannte Zwölf-Meilen-Zone einzudringen. Das aber ist genau jener Teil der Gewässer, in dem die Schlepper die Schutzsuchenden in oftmals seeuntüchtige Boote setzen.
Doch zuletzt kam Bewegung in die Sache: Italiens Regierungschef Paolo Gentiloni erklärte in der vergangenen Woche, seine Marine habe eine offizielle Einladung aus Libyen erhalten. Rasch beschloss sein Kabinett, der dortigen Küstenwache auch in deren Hoheitsgewässern mit Kriegsschiffen, Drohnen und Soldaten zu helfen. Eine Ausweitung der EU-Mission namens "Sophia" schien damit nur noch eine Frage der Zeit, auch wenn es offiziell von Seiten der Europäischen Union lediglich heißt, dass man grundsätzlich und unter Bedingungen zu diesem Schritt bereit sei.
Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini verwies kürzlich darauf, dass mit einer erweiterten "Sophia"-Mission auch die Anforderungen an die EU-Staaten steigen würden: "Es wäre vermutlich mehr Material vonnöten. Die Staaten, die eine Ausweitung so dringend wollen, sollten darüber nachdenken, was sie der Operation zusätzlich zur Verfügung stellen wollen."
Bundesregierung bislang zurückhaltend
Die Bundesregierung galt nie wirklich als treibende Kraft bei einer Ausweitung der "Sophia"-Mission. Stets verwies man in Berlin - und ganz ähnlich sieht man das auch im Auswärtigen Dienst der EU in Brüssel - auf zwei Mindestvoraussetzungen, die für ein Vordringen der Schiffe in libysche Gewässer zu erfüllen seien: Man brauche eine Erlaubnis der sogenannten libyschen Einheitsregierung und ein Mandat des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen.
Doch selbst mit diesen Genehmigungen in der Tasche - sollte man sie erhalten - gäbe es keine Garantie, dass dann alles ganz schnell ginge: Wie EU-Diplomaten bestätigen, stünden noch zu viele ungeklärte rechtliche Fragen im Raum: Welche neuen Risiken bringt das mit sich, wenn man den Schleppern mehr zu Leibe rückt? Und: Wenn europäische Schiffe Flüchtlinge in libyschen Hoheitsgewässern retten, setzen sie die dann in libyschen Häfen ab oder müssen sie die Schutzsuchenden wie bisher auch in Italien an Land bringen?
"Einfache Lösungen gibt es nicht. Auch wenn Flüchtlinge in libyschen Gewässern gerettet werden, ist eine Rückführung nach Libyen nur möglich, wenn es einen sicheren Aufnahmeort auf libyschem Gebiet gibt. Davon sind wir noch weit entfernt", sagt Lambsdorff.
Menschenrechtler: Flüchtlingen droht Misshandlung
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International übt heftige Kritik an den italienischen Plänen, weil man die Flüchtlinge nach Libyen zurückbringen wolle. Dort drohten ihnen grausame Misshandlungen, wegen der erbarmungswürdigen Zustände in libyschen Flüchtlingslagern. Zudem sorgte zuletzt die libysche Einheitsregierung mit Aussagen für Verwirrung, sie habe keinesfalls die italienische Marine in ihre Küstengewässer eingeladen. Ob also wirklich von einem "Wendepunkt" in der Flüchtlingskrise die Rede sein kann, wie vom italienischen Regierungschef Gentiloni vermutet, ist fraglich.