Baerbock-Besuch in Beirut Wie hoch ist die Kriegsgefahr im Libanon?
Beobachter befürchten, dass es im Libanon zu einer Eskalation kommt. Internationale Akteure versuchen zu vermitteln. Heute wird Außenministerin Baerbock nach ihrem Besuch in Israel in Beirut erwartet.
Party in der libanesischen Hauptstadt Beirut: Eine Gruppe junger Frauen tanzt ausgelassen in einem Nachtclub, einige Männer prosten sich an der Bar zu.
Kriegsstimmung? Hier nicht. "Ich bin 40 Jahre alt und mein ganzes Leben lang reden wir hier jedes Jahr von Krieg", sagt Elie der Nachrichtenagentur AFP. "Wir feiern trotzdem normal, wir wollen leben. Letzte Woche gab es hier ein Konzert mit 25.000 Zuschauern. Das ist Libanon - und das ändert sich nicht."
Auch auf der Corniche, der Uferpromenade Beiruts, scheint der drohende Krieg bei den sonnengebräunten Joggern und Eisessern zunächst noch weit weg zu sein. "Es ist in der Hand der Israelis", so der junge Libanese Karim. "Hier in Beirut spüren wir keine großen Spannungen. Ja, im Süden ist die Lage schlecht, aber hier in Beirut ist es ruhig - und wir haben keine Angst vor den Israelis. Wenn es passiert, passiert es."
Spannungen intensivieren sich
Irgendwie scheint man sich im Libanon an eine Art "Kriegsschwebezustand" gewöhnt zu haben. Seit Monaten kommt es im Süden zu heftigen Kämpfen zwischen Israel und der libanesischen Hisbollah. Aus Solidarität mit den Palästinensern in Gaza beschießt die schiitische Miliz aus dem Libanon seit Oktober den Norden Israels.
Seit vor Kurzem ein hochrangiger Hisbollah-Kommandeur von Israel getötet wurde, haben sich die Spannungen intensiviert. Die Hisbollah feuerte im Gegenzug nicht nur Hunderte Raketen auf Israel ab, sondern veröffentlichte auch Drohnenbilder von Haifa - mit der Drohung, ganz Israel zu zerstören.
"Wenn der Krieg dem Libanon aufgezwungen wird, werden die Widerstandskämpfer kämpfen, ohne Zurückhaltung, ohne Regeln und ohne Grenzen", sagte Hisbollah-Chef Nasrallah.
Experte: Bodenoffensive im Libanon wäre Kriegsbeginn
Große Worte, doch eigentlich schien die Hisbollah bislang keinen großen Krieg mit Israel zu wollen. Und auch der engste Verbündete der Hisbollah, der Iran, hatte Beobachtern zufolge bislang wenig Interesse an einer größeren Eskalation im Nahen Osten. Hat sich das nun geändert?
"Die Hisbollah wartet ab, ob Israel eine Bodenoffensive im Libanon beginnt", sagt der libanesische Militärbeobachter Elias Farahat im arabischen Sender Al Jazeera. "Das würde als Beginn eines Krieges gewertet. Oder ob israelische Flugzeuge Ziele in ganz Libanon angreifen. Dann wird die Hisbollah in diesen Krieg vollständig einsteigen."
Israels Außenminister Israel Katz warnte Libanon vor einem "totalen Krieg", Premier Benjamin Netanyahu kündigte eine Truppenverlegung aus Gaza in Richtung Nordgrenze an. Zehntausende Familien mussten dort auf beiden Seiten der Grenze ihre Häuser aufgrund der Kämpfe verlassen.
Israel will erreichen, dass sich die Hisbollah wieder hinter den Litani-Fluss - 30 km von der Grenze entfernt - zurückzieht, so wie es eine UN-Resolution vorsieht.
Weltweite Sorge vor Ausweitung
Die zunehmenden Spannungen werden weltweit mit Sorge gesehen. Die USA und Frankreich versuchten bereits zu vermitteln. Jetzt ist Bundesaußenministerin Annalena Baerbock in der Region und stattet Libanon eine Stippvisite ab. Eine weitere Eskalation wäre eine Katastrophe für die Menschen, sagte sie.
Auch UN-Generalsekretär António Guterres warnte eindringlich: "Das Risiko, dass sich dieser Konflikt im Nahen Osten ausweitet, ist real und muss vermieden werden. Jede schnelle Bewegung, jede Fehlkalkulation kann eine Katastrophe hervorrufen, die weit über die Grenze und jede Vorstellungskraft hinausgeht."
Sollte es zu einer Eskalation kommen, könnte der Flughafen von Beirut eines der Ziele Israels sein - so wie in den vorherigen Kriegen auch. Denn der Flughafen im Süden der Hauptstadt soll Berichten zufolge unter Kontrolle der Hisbollah stehen.
Flughafen als Waffenlager?
In Libanons Medien gibt es nur noch ein Topthema: Nach einem Bericht der britischen Zeitung Telegraph nutzt die Hisbollah den Flughafen als Waffenlager. Die libanesische Regierung widerspricht entschieden - und hat als Versuch einer Beweisführung alle Journalisten zu einer Inspektion eingeladen: Waffen gebe es hier keine.
"Der Flughafen ist seit Jahrzehnten immer wieder Angriffen ausgesetzt", so Transportminister Ali Hamieh. "Es geht darum, Libanons Ruf zu schädigen. Ich möchte klarstellen, dass keine Waffen durch den Beiruter Flughafen ins Land kommen oder das Land verlassen."
Äußerungen, die von Nervosität zeugen: Über dem Libanon braut sich möglicherweise etwas zusammen. Die Kriegsgefahr wird langsam auch in Beirut tatsächlich real.
Die Party geht trotzdem weiter - zumindest vorerst.