Hisbollah verstärkt Angriffe auf Israel "Überall um uns herum heulten die Sirenen auf"
Die Kämpfe zwischen der proiranischen Hisbollahmiliz und Israel nehmen zu. Zehntausende Menschen im Norden Israels können nicht mehr in ihren Häusern leben. Mittlerweile landen Raketen auch in nicht evakuierten Gebieten
Explosionen, Sirenen, Chaos, Menschen rennen in Bunker. Über grünen Hügeln steigen Rauchwolken auf. Seit dem Morgen hören die Bewohner in Israels Norden fast stündlich irgendwo Raketeneinschläge oft noch bevor die Sirenen aufheulen.
Immer wieder schießt die Hisbollah Raketensalven aus dem Libanon in den Norden Israels. Auch Drohnen seien gesichtet worden.
Die Hisbollah ziele bewusst auf besiedelte Gebiete, die nicht evakuiert sind, sagt Anwohnerin Sarit Zehavi. "Ich habe meinen Kindern gesagt, dass sie in der Nähe des Bunkers bleiben sollen, dass sie nicht wandern sollen", sagt sie. Das Sirenengeheul überall um sie herum sei ein schreckliches Gefühl.
Ausflugsziel im Visier der Hisbollah
Heute sei ein jüdischer Feiertag, doch die Familie habe alle Pläne abgesagt. Kein Wandern oder Reisen, wie sonst. "Ich habe Angst vor Feuer, das ausbricht, weil Raketen in Felder fallen", sagt Zehavi. Seit dem 7. Oktober, als die Terroristen der Hamas Israel überfielen, habe sie ständig das Gefühl, nicht zu wissen, wie der nächste Tag aussehe. "Dieses Gefühl ist heute stärker geworden."
So tief wie nie zuvor in diesem Krieg drangen die Geschosse ins Landesinnere vor - auch in der Großstadt Tiberias am See Genezareth gab es Alarm, entlang des gesamten östlichen Ufers. Es gilt als beliebtes Ausflugsziel. Mehrere Feuer seien ausgebrochen, melden Sicherheitskräfte.
Aktivistin vermutet Iran hinter den Angriffen
Zehavi wohnt nicht nur an der Nordgrenze Israels. Sie leitet auch die Nichtregierungsorganisation Alma Center, 12 Kilometer von der Grenze zum Libanon entfernt. Sie untersucht die Gefahrensituation an der Nordgrenze Israels. "Es gibt da möglicherweise so eine unsichtbare Linie, die überschritten wird, so dass es zu einem offenen Krieg mit der Hisbollah kommt", sagt sie. Wo diese Linie verlaufe, wisse sie nicht.
Schon vor dem 7. Oktober habe die Hisbollah Israel in einen Krieg hineinziehen wollen, "als Teil eines großen Plans hinter dem der Iran steckt". Die Angriffe der Hisbollah seien nicht neu, auch in nicht evakuierten Gebieten. "Aber jetzt eskalieren die Angriffe der Hisbollah", sagt Zehavi.
Terroristen wollen getöteten Anführer rächen
Die aktuelle Angriffswelle mit mehr als einhundert Raketen ist eine Vergeltungsaktion der Hisbollah, die ankündigt, ihre Angriffe auf Israel zu verstärken, nachdem ein führender Hisbollah-Kommandant bei einem israelischen Luftangriff im Libanon getötet wurde.
Das israelische Militär bestätigte den Tod von Sami Taleb Abdullah. Er sei für zahlreiche Terrorangriffe auf Israel verantwortlich gewesen, heißt es in einer Stellungnahme des Militärs. Militärkorrespondent Itay Blumental sagte dem israelischen TV-Sender Kan 11: "Die Nasser Einheit, die Abu Taleb kommandierte, war für die Angriffe auf die Grenzgebiete in Israel zuständig, auf Städte wie Kiryat Shmona, Har Dov, die Region Galiläa und die Golanhöhen."
Bewahrheitet sich Gallants Vorhersage?
In der Armee heiße es, er sei der ranghöchste Hisbollah-Offizier, der seit Kriegsbeginn getötet worden sei. "Er hatte eine große Bedeutung. Die israelische Armee hat sich auf eine Reaktion der Hisbollah vorbereitet."
Das israelische Militär teilte mit, die Regierung habe noch nicht entschieden, die Hisbollah im Libanon mit voller Kraft anzugreifen. Derzeit bevorzuge man gezielte Angriffe auf Hisbollah-Kommandeure und Stützpunkte. Noch im Mai hatte Israels Verteidigungsminister Yoav Gallant bei einem Truppenbesuch im Norden einen "heißen Sommer" vorausgesagt.