Kurs der israelischen Regierung Es knirscht gewaltig mit Washington
Es gibt viele Misstöne zwischen Israel und den USA, Spannungen werden auch beim Thema Waffenlieferungen deutlich. Eine Eskalation zwischen Israel und dem Libanon wäre eine weitere Belastung.
Wenn es noch eines Beweises bedürfte, dass die Beziehungen zwischen den USA und Israel auf einem historischen Tiefstand sind, dann muss man sich nur die offen hervortretenden Verstimmungen der vergangenen Stunden ansehen. Dabei war US-Außenminister Antony Blinken gerade erst wieder zu Gesprächen in Israel, ebenso wie Amos Hochstein, der US-Vermittler für den Libanon. Dennoch ging Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu die USA frontal in einer Videobotschaft an.
Es sei "unverständlich", dass die US-Regierung in den vergangenen Monaten Waffen und Munition für Israel zurückgehalten habe, so Netanyahu. "Israel, Amerikas engster Verbündeter, kämpft um sein Leben, gegen Iran und unsere anderen gemeinsamen Feinde."
Außenminister Blinken habe ihm versichert, "dass die Regierung Tag und Nacht daran arbeitet, diesen Flaschenhals zu beseitigen." Er hoffe, dass das so sei, sagte Netanyahu. Im Zweiten Weltkrieg habe Winston Churchill den USA gesagt: "Gebt uns die Instrumente, wir machen den Job. Und ich sage: Gebt uns die Instrumente und wir erledigen den Job viel schneller."
USA ist größter Waffenlieferant
Abgesehen von der Frage, ob es richtig ist, den Krieg gegen die Hamas mit dem Kampf gegen Nazi-Deutschland zu vergleichen: Die USA sind mit Abstand der größte Waffenlieferant für Israel. Seit dem 7. Oktober wurden die Lieferungen noch einmal deutlich erhöht.
US-Präsident Joe Biden hatte im April zusätzliche Lieferungen im Wert von 15 Milliarden US-Dollar an Israel genehmigt, darunter Munition und Bomben. Aus dem US-Außenministerium hieß es deshalb prompt, man wisse nicht, wovon Netanyahu spreche.
Außenminister Blinken sagte gestern: "Wie sie wissen, prüfen wir eine Lieferung von 2.000-Pfund-Bomben, über die Präsident Biden gesprochen hat - wegen unserer Sorge, dass sie in dicht besiedeltem Gebiet verwendet werden könnten." Das werde weiterhin geprüft. Alles andere laufe "normal". In der Perspektive sei sicherzustellen, dass Israel alles hat, was es braucht, um sich gegen vielfältige Herausforderungen zu verteidigen.
Unverständnis über Netanyahus Aussagen
Die Verstimmung ist groß: Ein Treffen auf Regierungsebene an diesem Donnerstag, das sich mit der Bedrohung durch den Iran befassen sollte, haben die USA abgesagt. Die Spannungen fallen in eine Zeit, in der einerseits der Krieg in Gaza längst nicht zu Ende ist und andererseits eine weitere Eskalation im Norden mit der Terrormiliz Hisbollah im Libanon droht.
Die israelischen Streitkräfte haben mitgeteilt, dass die Einsatzpläne für eine Offensive im Libanon beschlossen seien. Allerdings steht die politische Entscheidung noch aus. US-Vermittler Hochstein bemüht sich derzeit im Libanon um eine diplomatische Lösung.
Es gibt in Israel auch immer mehr Zweifel, ob die Armee einen großen Krieg im Libanon überhaupt stemmen kann - und Unverständnis über die Aussagen von Netanyahu. Der Investigativjournalist Raviv Drucker sagte im Fernsehsender Channel 13, "unser Interesse und unsere Abhängigkeit von der US-Regierung" stünden außer Frage.
"Ganz deutlich ein einseitiger Schritt"
"Warum macht Netanyahu so etwas? Das ist ganz deutlich ein einseitiger Schritt, der die US-Regierung wahnsinnig macht und in unserer Region Schwäche in unserer Abschreckung vermittelt", so Drucker weiter. "Welche Schlüsse sollen Nasrallah und Khamenei ziehen, wenn sie hören, dass wir keine Waffenlieferungen aus den USA erhalten?"
Es gibt in Israel auch ein gewisses Verständnis für die Irritationen in den USA, beispielsweise von Mosche Ya'alon, der mal Verteidigungsminister und Generalsstabschef war. Er sagte im israelischen Radio, der Staat Israel sei für die USA "von großem Wert", das zeigten sie seit vielen Jahren.
Ich weiß auch, was sie an uns haben. Aber bei dieser realitätsfernen Regierung - die nicht in der Lage ist, eine Entscheidung für eine Nachkriegsordnung zu fällen, die nicht in der Lage ist, Geiseln zu befreien und den Anschein macht, als würde sie die USA eher in einen regionalen Krieg verwickeln wollen als den Rahmenplan der Amerikaner anzunehmen - kann ich die Wut der Amerikaner verstehen.
Was sagt Netanyahu vor dem US-Kongress?
Ein weiterer Akt im zur Zeit schwierigen Verhältnis zwischen den Israel und den USA steht spätestens Ende Juli bevor, wenn Netanyahu eine Rede vor beiden Kammern des US-Kongresses halten wird. Mehrere demokratische Abgeordnete haben bereits angekündigt, der Rede fernzubleiben. US-Präsident Biden soll dann dem Vernehmen nach nicht in Washington sein.
Und auf eine Einladung ins Weiße Haus - seit dem Amtsantritt der in Teilen rechtsextremen israelischen Regierung - wartet Netanyahu noch immer.