Nach Ankündigung von Israels Militär Unklarheit über Kampfpausen im Süden Gazas
Es herrscht Verwirrung über die Ankündigung des israelischen Militärs, zeitlich und örtlich begrenzte Kampfpausen im südlichen Gazastreifen einzulegen. Weder Verteidigungsminister Gallant noch Premier Netanyahu wussten offenbar von den Plänen.
Die vom israelischen Militär angekündigten Kampfpausen im Süden des Gazastreifen sind offenbar nicht mit der Regierung abgestimmt gewesen. Demnach habe weder Ministerpräsident Benjamin Netanyahu noch sein Verteidigungsminister Yoav Gallant die Pläne freigegeben, berichtet ARD-Korrespondent Christian Limpert.
Das israelische Militär hatte am Sonntagmorgen angekündigt, im Süden des Gazastreifens bis auf Weiteres eine tägliche "taktische Pause der militärischen Aktivität" einzuhalten. Diese örtlich begrenzte Pause solle jeweils von 8 bis 19 Uhr gelten und die Auslieferung einer größeren Menge an Hilfsgütern ermöglichen, teilten die Streitkräfte über X und Telegram mit. Sie betreffe den Weg, der vom Grenzübergang Kerem Schalom bis zur Salah-al-Din-Straße und dann weiter in den Norden führe. Die Entscheidung sei infolge von Beratungen mit den Vereinten Nationen und anderen Organisationen getroffen worden, hieß es weiter.
COGAT, die israelische Militärbehörde, die die Verteilung von Hilfsgütern im Gazastreifen überwacht, erklärte, dass die Route den Zustrom von Hilfsgütern in andere Teile des Gazastreifens, darunter Khan Younis, Muwasi und den zentralen Gazastreifen, erhöhen würde.
"Widersprüchliche Angaben"
"Es gibt widersprüchliche Angaben zu diesen taktischen Feuerpausen", berichtet ARD-Korrespondent Limpert aus Tel Aviv. Israelische Medien hätten berichtet, dass Verteidigungsminister Gallant die Pläne des Militärs weder geprüft, noch freigegeben habe. Er sei ungehalten über das Timing, zumal die Armee am Wochenende den Tod von insgesamt elf israelischen Soldaten im Gazastreifen bekanntgegeben habe.
Auch Premierminister Netanyahu habe nichts von dem Vorhaben gewusst und eine Erklärung vom Militär gefordert. "Stand jetzt ist nicht davon auszugehen, dass es wirklich zu einer großflächigen taktischen Feuerpause kommt", sagte Limpert.
Kritik von den Rechtsextremen
Nach der Kritik von Ultranationalisten in der Regierung von Premierminister Netanyahu, die sich gegen eine Unterbrechung des Krieges aussprechen, erklärte das Militär, dass die Kämpfe im Rest des südlichen Gazastreifens nicht unterbrochen werden und es auch keine Änderungen in Bezug auf die Einfuhr von Hilfsgütern im Allgemeinen gibt. "Das israelische Militär sagt ganz klar, es gebe keine Änderung der Strategie im südlichen Gazastreifen", so Limpert.
Bei rechtsextremen Politikern war die Änkündigung des Militärs auf heftigen Widerspruch gestoßen. Polizeiminister Itamar Ben-Gvir schrieb auf X, wer diese Entscheidung getroffen habe, "während unsere besten Soldaten im Kampf fallen", sei "ein Narr und Dummkopf, der nicht auf seinem Posten bleiben darf". Finanzminister Bezalel Smotrich schrieb: "Die humanitäre Hilfe, die weiter an die Hamas gelangt, belässt sie an der Macht und droht, unsere Erfolge im Krieg zunichtezumachen."
Bei Kämpfen in Rafah an der Grenze zu Ägypten waren zuvor am Samstag nach Militärangaben acht israelische Soldaten getötet worden. Zuvor hatte die Hamas erklärt, bei einem Angriff auf einen Truppentransporter in Rafah mehrere israelische Soldaten getötet und verletzt zu haben.
Lage für die Menschen katastrophal
Die humanitäre Lage in dem Palästinensergebiet ist katastrophal, Hilfsorganisationen weisen seit Monaten auf einen Mangel an Lebensmitteln und anderen wichtigen Waren hin. Tausende Menschen haben nicht genug Trinkwasser und Essen, zahlreiche Kinder leiden an akuter Mangelernährung.
Das Welternährungsprogramm (WFP) hatte davor gewarnt, dass die Menschen im südlichen Teil des von der islamistischen Terrororganisation beherrschten Gazastreifens schon bald unter der gleichen katastrophalen Hunger-Lage leiden könnten wie jene in den nördlichen Gebieten zuvor. "Die Situation im südlichen Gaza verschlechtert sich rasch", sagte der stellvertretende WFP-Direktor Carl Skau nach einem zweitägigen Besuch der Region am Freitag.
Eine Million Menschen aus Rafah vertrieben
Eine Million Menschen seien aus Rafah an der Grenze zu Ägypten vertrieben worden und bei brütender Sommerhitze in einem überfüllten Gebiet entlang des Strandes eingepfercht. Im nördlichen Teil Gazas habe sich die Versorgung mit Hilfsgütern zwar etwas verbessert, sagte Skau. Nachhaltig abgesichert sei die Verteilung von Nahrungsmitteln aber nicht.
Der Krieg in Nahost war durch den Großangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober ausgelöst worden, bei dem islamistische Kämpfer laut israelischen Angaben 1.194 Menschen getötet und 251 Menschen als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt hatten. Als Reaktion geht Israel seither massiv militärisch im Gazastreifen vor. Nach Angaben des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums, die nicht unabhängig überprüft werden können, wurden dabei bislang mehr als 37.290 Menschen getötet.