Rishi Sunak (rechts) spricht in einem TV-Duell, links neben ihm Keir Starmer

Wahlkampf in Großbritannien Hitziges TV-Duell zwischen Sunak und Starmer

Stand: 05.06.2024 08:34 Uhr

Vor der Parlamentswahl in Großbritannien liegen die regierenden Konservativen in Umfragen rund 20 Prozentpunkte zurück. Im ersten TV-Duell zeigte sich Amtsinhaber Sunak kämpferisch und attackierte seinen Herausforderer, Labour-Oppositionsführer Starmer, immer wieder.

Die Woche hatte im Grunde verheerend begonnen für den konservativen Premierminister Rishi Sunak. Erst kündigte UKIP- und Brexit-Party Urgestein Nigel Farage überraschend an, jetzt doch für die rechte "Reform"-Partei im Seebad Clacton-on-Sea zu kandidieren. Der Rechtspopulist, der dadurch nun auch an Vorwahl-TV-Debatten teilnehmen darf, könnte den Wahlkampf ordentlich aufmischen und die Konservativen empfindlich viele Stimmen kosten.

Und dann beschrieb das Meinungsforschungsinstitut YouGov die erwartete Niederlage der regierenden Konservativen als noch verheerender, als bisher angenommen. Demnach könnten die Tories jeweils drei von fünf Sitzen verlieren, die sie gerade haben. Labour könnte mit einem Erdrutschsieg bei den Wahlen am 4. Juli den Wahlgewinn von Tony Blair 1997 noch in den Schatten stellen.

Sunak gibt sich kampfeslustig

Beim ersten TV-Duell im Fernsehsender ITV gab sich Amtsinhaber Rishi Sunak äußert kampfeslustig und stellte seinen Herausforderer Keir Starmer von der Labour-Party immer wieder als jemanden dar, der unmäßig Steuern erhöhen werde. Starmers sozialdemokratische Partei wolle die jährliche Steuerlast jedes Arbeitnehmers um umgerechnet rund 2.300 Euro erhöhen, behauptete der konservative Regierungschef mehrere Male: "Wenn Sie glauben, dass Labour gewinnt, fangen Sie schon mal an zu sparen."

Starmer wies das zurück und hielt Sunak entgegen, seine Konservativen hätten in den vergangenen 14 Jahren in der Regierung 26 Mal die Steuern erhöht. Diese seien nun so hoch wie seit 70 Jahren nicht mehr. Gelächter aus dem Publikum erntete Sunak als er erklärte, die Lage im Gesundheitswesen NHS würde besser und die Warteschlangen kürzer.

Umfragen zeigen immer wieder, dass für die Britinnen und Briten der schlechte Zustand der öffentlichen Gesundheitsversorgung ein wichtiges Wahlkampfthema ist. Während Sunak eingestand, dass er ärztliche Hilfe privat zahlen würde, wenn ein Familienmitglied dringend behandelt werden müsse, erteilte Starmer dem eine Absage.  

Keine echte Debatte

Ob Gesundheitspolitik und Steuern oder Bildungspolitik und Migration, immer wieder gerieten Starmer und Sunak aneinander, obwohl die vorgegebene zeitliche Beschränkung der Antworten auf 45 Sekunden das verhindern sollte. "Meine Herren, ruhig bitte", mahnte die Moderatorin immer wieder. Aber dadurch entstand auch keine echte Debatte.  

Im Zusammenhang mit den Plänen der Regierung, Asylbewerber nach Ruanda abzuschieben, hatte Sunak immer wieder gedroht, Großbritannien aus der Europäischen Menschenrechtskonvention zu lösen, um Gerichtsverfahren zu vermeiden. Dazu stand der Premierminister - er werde sich immer für die Sicherheit des Landes entscheiden als für ein "fremdes Gericht". Starmer positionierte sich gegen einen Austritt: "Wenn ich Premierminister werde, werden wir nicht internationale Verträge und Gesetze verletzen, die weltweit respektiert sind."  

"Es war zu spüren, wie wenig die beiden sich mögen"

Eine Blitzumfrage von YouGov nach dem Ende der Sendung ergab, dass 62 Prozent einer ausgewählten Stichprobe das TV-Duell frustrierend gefunden hätten. Starmer wurde als Sieger bei den Themen Gesundheit, Lebenshaltungskosten, Bildung und Klimawandel gesehen.

Sunak schnitt beim Thema Steuern besser ab, beim Thema Migration lagen beide Politiker nahezu gleichauf - mit einem leichten Vorsprung für Sunak. Der britische Premier schlug sich der Umfrage zufolge insgesamt besser als sein Herausforderer. Der Vorsprung war mit 51 zu 49 Prozent zwar hauchdünn. Doch Sunak könnte das angesichts seiner Lage durchaus als Triumph sehen. Allerdings befanden mit 60 Prozent mehr Zuschauer, dass Starmer einen guten Auftritt hingelegt habe als Sunak, der hier auf eine Zustimmungsrate von 55 Prozent kam.

Chris Mason, der politische Kommentator der BBC fasste die Debatte so zusammen: "Persönliche Angriffe, aggressiv und voller Wut, es war zu spüren, wie wenig die beiden sich mögen." 

Farage will "Reform"-Partei zur "wahren Opposition" machen

Während die TV-Debatte zwischen Sunak und Starmer niemanden in Ekstase versetzte, zog der frisch gebackene Kandidat der "Reform"-Partei, Nigel Farage, derweil wie ein Messias in seinen auserwählten Wahlkreis Clacton-on-Sea ein. Dort hatten beim Referendum 70 Prozent der Einwohner für den Brexit gestimmt und Farage wurden von Hunderten Anhängern gefeiert.

Auch Farage glaubt an einen Labour-Sieg bei den Wahlen und lässt keinen Zweifel daran, dass er die Konservativen dann überflüssig machen will. Sein Ziel ist es, die Partei "Reform" zur "wahren Opposition" zu machen. Und bei den nächsten Wahlen 2029 dann zur stärksten Kraft im Parlament. 

In einer früheren Version dieses Beitrags hieß es, 60 Prozent der Zuschauer hätten in einer Blitzumfrage des Instituts YouGov Starmer als Sieger des TV-Duells gesehen und 55 Prozent Sunak. Tatsächlich sahen 51 Prozent der Zuschauer Sunak vorn und 49 Prozent Starmer. Dessen Auftritt wurde dagegen bei der Frage, wie gut sich die Kandidaten insgesamt geschlagen hätten, von 60 Prozent als gut und besser bewertet - damit lag er hier vor Sunak, dessen Auftritt von 55 Prozent als gut und besser bewertet wurde. Wir haben den Beitrag entsprechend angepasst.

Mehr zum Hintergrund dieser und anderer Korrekturen finden Sie hier: tagesschau.de/korrekturen