Lokalwahlen in Großbritannien Und wieder ein Debakel für Premier Sunak
Von einem konservativen Kollaps ist bereits die Rede: Die Tory-Partei des britischen Premier Sunak gerät mit einer Niederlage bei den Kommunalwahlen tiefer in die Krise. Muss sich Sunak bald einem Misstrauensvotum stellen?
Die Niederlage ist katastrophal: Nach Auszählung fast aller Stimmen haben die Konservativen etwa die Hälfte der Sitze verloren, die sie zu verteidigen hatten. Umso erleichterter feierte Premierminister Rishi Sunak die wenigen konservativen Siege, wie die Wiederwahl des Bürgermeisters in der Region Tees Valley im Nordosten Englands.
Doch was er verschwieg war, dass Bürgermeister Ben Houchen im Wahlkampf möglichst gut versteckt hatte, zu welcher Partei er gehört. Es heißt, Houchen habe als beliebte lokale Persönlichkeit gewonnen, obwohl er für die Konservativen antrat.
Bürgermeister von Tees Valley Ben Houchen (links) und Rishi Sunak: Im Wahlkampf hatte Houchen jede Annäherung an die Partei vermieden, wie Kommentatoren bemerkten.
Konkurrenz von links und rechts
Eine Pleite mussten Sunaks Tories dagegen bei einer Nachwahl zum Londoner Unterhaus einstecken. Das Mandat im englischen Seebad Blackpool ging mit deutlichem Vorsprung an die Labour-Opposition. Und Parteichef Keir Starmer erklärte, er sehe eine Labour-Mehrheit bei den anstehenden Parlamentswahlen schon in greifbare Nähe rücken.
Mit Blick auf die Parlamentswahlen alarmieren dürfte die Konservativen auch, dass in Blackpool South die rechtspopulistische Partei Reform UK mit nur rund 100 Stimmen Abstand in der Wählergunst auf Platz drei landete. Auch bei den Kommunalwahlen holte Reform UK - einst von Brexit-Vorkämpfer Nigel Farage gegründet - zum Teil beachtliche Resultate und kostete die Konservativen zahlreiche Sitze. Parteichef Richard Tice erklärte in der BBC, seine Partei werde künftig die echte Opposition zu Labour sein, die Konservativen seien dem Niedergang geweiht.
Misstrauensvotum gegen Sunak im Gespräch
Kommentatoren betonten, Kommunalwahlen seien nur bedingt aussagekräftig für Parlamentswahlen. Aber auch eine landesweite Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Yougov sieht Sunaks Konservative im freien Fall: Nur noch 18 Prozent würden konservativ wählen, Labour kommt auf 44 Prozent. Es hatte Gerüchte gegeben, dass angesichts dieser Zahlen bei den Tories eine Revolte gegen Sunak ausbrechen könnte. Doch die Daily Mail titelt heute: "Rishi Plotters give up and got to the Pub" - also: "Die Putschisten geben auf und gehen in die Kneipe".
Die konservative Abgeordnete Andrea Jenkyns, die offen für ein Misstrauensvotum gegen Sunak geworben hatte, erklärte in der BBC, die Partei hätte sich nie vom ehemaligen Premierminister Boris Johnson trennen dürfen. "Es war ein Fehler Boris zu stürzen", sagte sie. Sie denke nicht, dass jetzt genug Stimmen für ein Misstrauensvotum gegen Sunak zusammenkommen würden. "Aber wir müssen wieder eine Rolle für Boris finden. Und die Botschaft für Rishi vor der Parlamentswahl lautet ganz klar: 'Wach auf, regiere endlich richtig konservativ oder wir werden verlieren.'"
Driften die Tories nach rechts?
Dabei hatte Sunak kurz vor den Kommunalwahlen noch erfolgreich seine Flaggschiff-Politik durchs Parlament gepeitscht - nämlich den Plan, Bootsflüchtlinge nach Ruanda abzuschieben. Mit der radikalen Ausweisungspolitik wollte er nicht nur die rechte Flanke der eigenen Partei befrieden, sondern auch Reform UK das Wasser abgraben. Beides scheint nicht gelungen zu sein. Mit Sorge beobachten gemäßigte Konservative, wohin ihre Partei driftet.
Dominic Grieve war in der Regierung von David Cameron Generalstaatsanwalt und ist aus der Tory-Partei inzwischen ausgetreten. Er meint, nur ein Kurs zur politischen Mitte könne die Partei noch retten. "Meine Sorge ist, dass die Tories die nächste Wahl krachend verlieren und dann kurzfristig noch weiter in Richtung des rechten Populismus rücken. Und das wird noch mehr Wähler aus der Mitte entfremden", befürchtet er. "Dabei ist die Mitte der einzige Ort, wo man Wahlen in Großbritannien gewinnen kann."
Einige Ergebnisse noch offen
Im Laufe des Tages und am Sonntag werden noch weitere wichtige Wahlergebnisse bekannt gegeben. Ob etwa Labour-Bürgermeister Sadiq Khan seinen Posten in London gegen die Konservative Susan Hall verteidigen konnte, wird sich heute Abend herausstellen. Amtsinhaber Sadiq Khan galt als klarer Favorit, allerdings machten am Freitag Gerüchte die Runde, die konservative Herausforderin Susan Hall könne völlig überraschend gewinnen. Als Gründe wurden eine niedrige Wahlbeteiligung unter Labour-Wählern und der Unmut in den Außenbezirken über die Ausweitung der Umweltzone genannt.
Auch in der Region West Midlands um die Millionenstadt Birmingham wird heute mit dem Ergebnis der Bürgermeisterwahl gerechnet. Wenn sich dort Amtsinhaber Andy Street durchsetzt, wäre das ein weiterer Pluspunkt für Sunak. Auch Street hatte im Wahlkampf auf das Logo der konservativen Partei auf seinen Werbezetteln verzichtet.