Kommunalwahl in England und Wales Stimmungstest für Regierung - und Londons Verkehrspolitik
In England und Wales wird heute auf kommunaler Ebene gewählt, doch es ist auch ein Stimmungstest für die britische Regierung. In London geht es um die Zukunft von Bürgermeister Khan - und dessen Verkehrspolitik.
Es ist schwer, in London einen Taxifahrer zu finden, der nicht auf den Bürgermeister der Stadt schimpft, Sadiq Khan. Die Fahrer äußern Unverständnis über die vielen Einbahnstraßen und Durchfahrverbote. Mal sei Linksabbiegen untersagt, mal Rechtsabbiegen.
Taxifahrer in London leiden, und viele andere auch, die auf das Auto angewiesen sind. So auch Danny Madden, Bauunternehmer im Norden Londons, den nun auch noch zusätzlich die Umweltgebühr plagt: "Wir haben dadurch Aufträge verloren", sagt Madden. Die hohen Extrakosten müssten sie auf die Kunden umlegen. "Und die haben gesagt: Wenn es jetzt teurer wird, ziehen wir den Auftrag zurück."
Schulden für die Umweltzone
Umgerechnet 15 Euro müssen Autofahrer pro Tag bezahlen, die mit ihrem Wagen die Abgasnorm nicht einhalten. Eine Abgabe für saubere Luft, die sich über ganz London erstreckt.
Madden hat nun seine Transporter verkauft und neue angeschafft, die die Abgaswerte einhalten. Nun spart er die Gebühr, sitzt aber auf einem Berg an Schulden. Er müsse Geld verdienen, Mitarbeiter bezahlen. Doch nun habe er Extrakosten wegen der Umweltzone.
Saubere Luft ist Haupt-Wahlkampfthema für Khan
Das Thema ist emotional. Streitthema ist vor allem die Frage, ob man zur Verbesserung der Luftqualität das Autofahren möglichst unattraktiv machen soll, auch wenn es Wählerstimmen kostet. Londons Bürgermeister Khan von der Labour-Partei rühmt sich damit, den Autoverkehr schon verringert zu haben. Er wolle, dass die Menschen zu Fuß gehen, Fahrrad fahren, den Bus oder die Bahn nehmen, sagte er im Wahlkampf.
Heute geht es für ihn um seine Wiederwahl. Saubere Luft und Verkehr gehören zu den Hauptthemen. Dafür bekommt er auch Applaus. Londons Luft ist noch immer schwer zu atmen.
Umweltzonen, Umweltgebühr: Die Maßnahmen für saubere Luft in London verärgern Autofahrer.
Extreme Luftverschmutzung wirkt sich auf Gesundheit aus
Rosamund Kissi-Debrah steht demonstrativ an einer vielbefahrenen Kreuzung, um ihre Geschichte zu erzählen. Ihre Tochter ist im Alter von neuen Jahren an der verpesteten Londoner Luft verstorben. "Plötzlich bekam sie den schlimmsten Husten, den ich je erlebt habe", erzählt die Mutter. Über 30 Mal hätten sie anschließend ins Krankenhaus gemusst wegen schwerer Asthmaanfälle. "Es ist nicht gut ausgegangen. Sie ist daran gestorben."
Zehn Jahre ist das her. Seitdem kämpft Kissi-Debrah für bessere Luft und unterstützt jede Maßnahme, die Autofahren unattraktiver macht. Wer widerspricht, dem zeigt sie auch schon mal den Obduktionsbericht ihrer Tochter: "Sie ist an extremer Luftverschmutzung gestorben, so steht es auf ihrem Totenschein."
Bürgermeisterwahl wird zur Abstimmung über Umwelt-Maßnahmen
Die Londoner sind gespalten in der Frage. Die Hälfte unterstützt die Umweltgebühr und Einschränkungen für Autos, die andere nicht. Den heutigen Wahltag sieht Bürgermeister Khan deshalb auch als Abstimmung über seine harten Maßnahmen.
"Wenn ich die Wahl verliere, habe ich wohl falsch gelegen", sagt Khan. Aber manchmal müsse man zu harten Maßnahmen stehen und versuchen, den Leuten zu erklären, warum sie "richtig und alternativlos" seien.
"Der nationalen Politik einen Fingerzeig geben"
Neben London wird noch in mehr als hundert weiteren Kommunen und Großstädten in England und Wales gewählt. Dort geht es um Themen wie Löcher in den Straßen oder noch tiefere Krater in den Finanzen der Gemeinden.
Gleichzeitig werden die Lokalwahlen aber auch zu einem wichtigen Stimmungstest für die Wahlen zum britischen Parlament später im Jahr. Die grundsätzliche Stimmung im Land habe einen großen Einfluss auf die heutige Wahl, meint Jon Tabbush vom Thinktank "Center for London". Es würden auch Themen eine Rolle spielen, auf die lokal niemand Einfluss hätte. "Das zeigt, hier geht es auch darum, der nationalen Politik einen Fingerzeig zu geben."
Stimmungstest für Parlamentswahlen und Sunak
Deshalb wird Premierminister Rishi Sunak genau hinschauen. Mit seinen konservativen Tories liegt er in Umfragen zum landesweiten Trend abgeschlagen hinter der Labour-Partei.
Die Kommunalwahlen werden ihm einen Eindruck liefern, wie düster die Aussichten für ihn und die Konservativen tatsächlich sind. Selbst Putschversuche aus den eigenen Reihen muss er befürchten, sollten die Ergebnisse desaströs für die Tories enden.