Münchner Sicherheitskonferenz Selenskyj drängt auf Waffen mit großer Reichweite
Der ukrainische Präsident Selenskyj hat auf der Sicherheitskonferenz um weitere Unterstützung geworben. Es mangele an Waffen mit großer Reichweite. Kremlchef Putin dürfe es nicht gelingen, die nächsten Jahre zur Katastrophe werden zu lassen.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat die Unterstützer seines Landes zu verstärkten Anstrengungen gegen die russische Aggression und Präsident Wladimir Putin aufgerufen. "Wenn wir jetzt nicht handeln, wird es Putin gelingen, die nächsten Jahre zur Katastrophe zu machen", sagte Selenskyj auf der Münchner Sicherheitskonferenz.
Je länger der Krieg dauere, desto größer sei die Gefahr einer Ausweitung sowie einer weiteren Beschädigung der internationalen Ordnung, warnte der Präsident.
Die Ukraine müsse die Lufthoheit erlangen, um an den Fronten im Abwehrkampf gegen Russland wieder Erfolge zu haben. Erforderlich dafür seien zunächst mehr Flugabwehrsysteme, sagte Selenskyj. "Wir haben zu wenig davon." In Gebieten, wo die Ukraine die Lufthoheit habe, sei eine Normalisierung des Lebens möglich. Zudem biete Lufthoheit den Soldaten am Boden die Möglichkeit, weiter vorwärts zu kommen.
"Unsere Hauptwaffen sind gerade unsere Kämpfer"
Zudem forderte er mehr weitreichende Waffensysteme. "Es gibt keine weitreichenden Waffen. Russland hat sie, wir haben sehr wenige davon. Das ist die ganze Wahrheit. Daher sind unsere Hauptwaffen gerade unsere Kämpfer". Derzeit werde das Handeln der Ukraine nur durch fehlende Mittel eingeschränkt. "Waffenpakete, Flugabwehrpakete, das ist gerade das, was wir erwarten."
Selenskyj verwies auch auf die Bedeutung von Drohnen: "Wir werden in der Lage sein, sie in diesem Jahr zu überraschen", sagt er mit Blick auf die russischen Streitkräfte.
"Putin ist eine Gefahr für alle freien Nationen"
Russland habe in seinem Angriffskrieg gegen die Ukraine nur einen entscheidenden Vorteil: "Menschliches Leben hat keinen Wert für den russischen Staat", so Selenskyj. Russlands Präsident Wladimir Putin "tötet, wen auch immer er will".
Erst einen Tag zuvor habe Putin eine klare Botschaft an die Sicherheitskonferenz übermittelt, indem er einen russischen Oppositionellen ermordet habe, sagte Selenskyj mit Blick auf den Tod des inhaftierten Regierungskritikers Alexej Nawalny. "Putin ist eine Gefahr für alle freien Nationen."
Es müsse klar sein, dass es für die Zukunft Putins nur zwei Optionen gebe: Entweder der russische Präsident lande vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag oder er werde getötet.
Scholz ruft zu mehr Militärhilfen für die Ukraine auf
Selenskyj sprach unmittelbar nach dem Auftritt von Bundeskanzler Olaf Scholz auf der Sicherheitskonferenz und dankte für die deutsche Sicherheitsvereinbarung, die eine Zusage langfristiger Unterstützung und weiterer Waffenlieferungen ist.
Scholz forderte in seiner Rede die EU-Partner zu mehr Finanzhilfe für die Ukraine auf. Für das laufende Jahr habe Deutschland seine Militärhilfe auf mehr als sieben Milliarden Euro nahezu verdoppelt, Zusagen für die kommenden Jahre in Höhe von sechs Milliarden kämen hinzu, sagte der SPD-Politiker. Er wünsche sich sehr, "dass ähnliche Entscheidungen in allen EU-Hauptstädten getroffen werden".
Auch hätten die USA der Ukraine seit Kriegsbeginn etwas mehr als 20 Milliarden Dollar an militärischer Hilfe pro Jahr geleistet - bei einem Bruttoinlandsprodukt von 28 Billionen Dollar. "Eine vergleichbare Anstrengung muss doch das Mindeste sein, was auch jedes europäische Land unternimmt."
"Größte Sicherheitsbedrohung auf unserem Kontinent"
Der russische Angriff auf die Ukraine sei "die größte Sicherheitsbedrohung auf unserem Kontinent", argumentierte Scholz. Der Bundeskanzler forderte angesichts der Bedrohung durch Russland zudem eine "glaubwürdige" Abschreckung durch westliche Bündnisse: "Die Bedrohung durch Russland ist real. Darum muss unsere Fähigkeit zu Abschreckung und Verteidigung glaubwürdig sein - und glaubwürdig bleiben."
Es sei wichtig, den "europäischen Pfeiler der NATO" weiter zu stärken, sagte Scholz. "Wir Europäer müssen uns sehr viel stärker um unsere eigene Sicherheit kümmern." Das gelte "unabhängig davon, wie Russlands Krieg in der Ukraine endet" und "davon, wie anstehende Wahlen diesseits oder jenseits des Atlantiks ausgehen", sagte der Kanzler mit Blick auf die Wahl des US-Präsidenten im November.
Russland habe "kein einziges seiner Kriegsziele" erreicht, sagte Scholz weiter. Trotz "enormer eigener Verluste" seien allerdings "wesentliche Teile der russischen Streitkräfte intakt", fuhr er fort. Deutschland sei daher "entschlossen", den Weg der Unterstützung für die Ukraine weiterzugehen. Nur wenn die Europäer in ihrer Unterstützung der Ukraine glaubwürdig seien, "dann wird auch Putin begreifen: Einen Diktatfrieden auf Geheiß Moskaus wird es nicht geben".
Scholz für dauerhafte Anhebung der Verteidigungsausgaben
Scholz kündigte eine dauerhafte und langfristige Anhebung der deutschen Verteidigungsausgaben an. "Deutschland investiert dieses Jahr und auch in den kommenden Jahren - in den 20er, den 30er Jahren und darüber hinaus - zwei Prozent seines Bruttoinlandsprodukts in die Verteidigung", so der Kanzler. "Ohne Sicherheit ist alles andere nichts", fügte er hinzu.
Nur wenn alle in Europa die nötigen Mittel solidarisch und langfristig bereitstellten, werde die Rüstungsindustrie ihre Produktion verlässlich steigern. Scholz erwähnte auch, dass man mit Frankreich und Großbritannien über "die Entwicklung und Einführung von Zukunftsfähigkeiten wie abstandsfähigen Präzisionswaffen" spreche.
"Taurus"-Lieferung bleibt weiter offen
Auf die Frage, ob Deutschland doch noch "Taurus"-Marschflugkörper an die Ukraine liefern wird, wich Scholz aus. Deutschland tue bereits sehr viel für die Ukraine, man müsse die Produktion erhöhen, vor allem bei Munition. "Schritt für Schritt entscheiden wir dann je nach Lage, was getan werden muss zum richtigen Moment", fügt er hinzu.