Selenskyj in Berlin Die Stimmung ist ernst
Zwei Jahre dauert der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine bereits. Die Lage ist ernst wie lange nicht mehr. Kanzler Scholz und Präsident Selenskyj sind sich zuletzt nähergekommen - auch heute in Berlin.
Olaf und Wolodymyr - Kanzler und Präsident nennen sich beim Vornamen. Das klingt nach herzlicher Atmosphäre, aber nach einem Lächeln ist beiden kaum zumute. Die Gesichter sind ernst und angespannt. Da stehen zwei Politiker, die daran glauben müssen, dass es irgendwie gut gehen wird in der Ukraine. Alles andere - Aufgeben etwa - ist keine Alternative.
Die Stimmung ist ernst und eisig und das liegt nicht an Scholz oder Selenskyj. Es entspricht der Lage. Als die Journalistinnen und Journalisten auf die Pressekonferenz warten, ploppt die Eilmeldung auf: Alexej Nawalny ist tot. Russische Medien berichten, dass der Kremlgegner gestorben ist.
Bundeskanzler Olaf Scholz spricht sofort über die Nachricht. Es sei etwas ganz Furchtbares. Nawalny habe großen Mut gehabt. "Und wahrscheinlich hat er diesen Mut jetzt bezahlt mit seinem Leben." Spätestens jetzt wüssten wir genau, was das für ein Regime ist - längst keine Demokratie mehr. "Wer Kritik äußert, wer sich für die Demokratie einsetzt, muss fürchten um Sicherheit und Leben", so Scholz.
Präsident Selenskyj wählt noch deutlichere Worte: "Putin tötet immer." Er werde nicht stoppen. Es sei offensichtlich, dass Nawalny getötet wurde wie Tausende andere. "Putin ist es egal, wer sterben wird."
Scholz: Deutschland steht an der Seite der Ukraine
Da stehen zwei Männer im Kanzleramt, die in Putin einen gemeinsamen Gegner haben und die sich gegenseitig Mut zusprechen. In einer Lage, die ziemlich düster ist. In der Ukraine, aber auch sonst in der Welt. Putin habe kein einziges seiner Ziele erreicht, sagt der Kanzler. Scholz wiederholt das, was er immer wieder sagt: Die Erzählung von einer klaren Botschaft an den russischen Präsidenten. Deutschland stehe so lange wie nötig an der Seite der Ukraine.
Aber was ist, wenn die USA ausfallen und Europa allein zurückbleibt? Kann Deutschland, kann die EU das kompensieren? Es komme auf Amerika an, sagt Scholz in Richtung Washington. Die USA seien eine Großmacht und essenziell.
Die europäischen Staaten, die Ukraine, die Vereinigten Staaten und alle in der NATO verbinde etwas. Das sei das Bekenntnis zu Demokratie und Menschenrechten. Den Namen Donald Trump oder das Szenario eines Machtwechsels nimmt Scholz nicht in den Mund.
Selenskyj sagt, er zähle darauf, dass die USA nicht wegfielen. Er glaube an eine pragmatische Herangehensweise.
Das Wort "Taurus" schwebt im Raum
Das gerade unterschriebene Sicherheitsabkommen bezeichnet Scholz als historischen Schritt. Der Kanzler drückt es in seinen Worten aus: "Das Dokument kann in seiner Bedeutung kaum überschätzt werden." In dem Abkommen geht es vor allem um die Frage, was nach dem Krieg kommt.
Deutschland will helfen, das Land und die Streitkräfte aufzubauen. Falls Russland die Ukraine erneut überfällt, verspricht Berlin Sanktionen und Waffenlieferungen. Völkerrechtlich verbindlich ist das nicht. Konkreter ist ein neues Waffenpaket im Wert von mehr als 1,1 Milliarden Euro, darin Panzer, Haubitzen, Munition und Luftabwehrsysteme. Scholz betont, dass Deutschland mit 28 Milliarden Euro der zweitgrößte Unterstützer der Ukraine sei.
Hätte sich der ukrainische Präsident mehr gewünscht? Das Wort "Taurus" - die Marschflugkörper aus Bundeswehrbeständen, die die Ukraine so gern hätte - schwebt im Raum. Ausgesprochen wird es nicht. Auch nicht von Selenskyj. Er lobt das unterschriebene Sicherheitsabkommen und sagt: "Die Ukraine hatte noch nie wertvollere und stärkere Dokumente."
Selenskyj bedankt sich ausdrücklich nicht nur bei "Olaf", sondern auch beim deutschen Volk, den Familien und einfachen Menschen. Die Hilfe sei historisch. "Ich schätze es sehr, dass du uns beistehst, wie ganz Deutschland es tut."
Ein verlässlicher Partner
Das sind bedeutende Worte, denn das Verhältnis der beiden war auch schwierig in den vergangenen zwei Jahren. Das Zögern des Kanzlers, wenn es um Waffenlieferungen ging, kam in Kiew nicht gut an.
Aber Selenskyj weiß auch, dass Deutschland in einer immer unsicherer werdenden Welt ein verlässlicher Partner ist. Und dass die Unterstützung aus Deutschland längst nicht mehr selbstverständlich ist.
"Lieber Wolodymyr, die Beziehungen zwischen Deutschland und der Ukraine haben in den vergangenen Jahren eine ganz neue Qualität erreicht", sagt Scholz. Nach schwierigen Monaten sind sich Kanzler und Präsident heute näher. Verdammt dazu, nicht aufzugeben. So schlecht die Nachrichten auch sind.