Russische Justiz Oppositioneller Nawalny in Haft gestorben
Der russische Kremlgegner Alexej Nawalny ist tot. Das teilte die Gefängnisverwaltung mit. Nawalnys Frau hat nach eigenen Angaben noch keine Bestätigung erhalten. Dessen Mitarbeiter stufen die Berichte aber als glaubwürdig ein.
Der inhaftierte russische Oppositionspolitiker Alexej Nawalny ist nach Angaben der Justiz tot. Der Kremlkritiker starb in einer Strafkolonie in der russischen Polarregion, wie die Gefängnisverwaltung mitteilte.
Der 47-Jährige habe sich nach einem Spaziergang "unwohl gefühlt" und "fast sofort das Bewusstsein verloren", hieß es. Es sei medizinisches Personal herbeigerufen worden, das jedoch nicht in der Lage gewesen sei, Nawalny wiederzubeleben. Die Todesursache werde derzeit ermittelt.
Kremlsprecher Dmitri Peskow sagte, Präsident Wladimir Putin sei in Kenntnis gesetzt worden. Weitere Details nannte er nicht.
Mitarbeiter: Todesnachricht ist glaubwürdig
Mitarbeiter Nawalnys stuften die Berichte über dessen Tod als sehr glaubwürdig ein. "Wir verstehen, dass es höchstwahrscheinlich so passiert ist, dass Alexej Nawalny getötet wurde. Mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit", sagte der im Exil lebende Direktor von Nawalnys Anti-Korruptions-Stiftung, Iwan Schdanow, während einer Liveschalte auf YouTube.
An seiner Seite saß Nawalnys Sprecherin Kira Jarmysch. "Wir werden euch keine Lügen erzählen darüber, dass es irgendeine Hoffnung gibt, dass sich morgen herausstellt, dass das nicht wahr ist", sagte der bekannte Nawalny-Unterstützer. "Eine solche Chance ist geringfügig." Derzeit deute alles darauf hin, dass sich tatsächlich ein Mord ereignet habe: "der Mord an Alexej Nawalny im Gefängnis. Und getötet hat ihn Putin", so Schdanow.
Nawalnys Frau kann Tod ihres Mannes nicht bestätigen
Die Ehefrau von Nawalny, Julia Nawalnaja, hat nach eigenen Angaben noch keine Bestätigung für den Tod ihres Mannes erhalten. "Ich weiß nicht, ob wir den schrecklichen Nachrichten glauben sollen, die wir ausschließlich aus staatlichen russischen Quellen erhalten", sagte sie in einer kurzfristig anberaumten Rede bei der Münchner Sicherheitskonferenz. "Wir können Putin und Putins Regierung nicht glauben", fügte sie hinzu. "Sie lügen immer."
Sollte die Nachricht stimmen, müsse sich Putin für den Tod ihres Mannes verantworten, sagte Julia Nawalnaja sichtlich angespannt. Putin und seine Unterstützer dürften nicht straflos davonkommen für das, "was sie unserem Land, meiner Familie und meinem Mann angetan haben". Der Tag, an dem sie zur Verantwortung gezogen würden, werde bald kommen. "Ich möchte die internationale Gemeinschaft und alle Leute in diesem Saal dazu aufrufen, dass sie sich vereinigen und das Böse bekämpfen."
Nawalnys Mutter erklärte, ihr Sohn sei "lebendig, gesund und glücklich" gewesen, als sie ihn am 12. Februar das letzte Mal gesehen habe. Die Zeitung Nowaja Gaseta berichtete, dass Ljudmila Nawalnaja in einem Facebook-Beitrag geschrieben habe, sie bitte darum, von Beileidsbekundungen abzusehen.
Biden macht Putin verantwortlich
Bundeskanzler Olaf Scholz nannte den Tod des Oppositionspolitikers bedrückend. Dass Nawalny zurück nach Russland gegangen sei, sei sehr mutig gewesen. Nun habe er diesen Mut "mit dem Leben bezahlt", sagte Scholz in Berlin. Man wisse jetzt genau, was in Moskau für ein Regime regiere. Russland sei "längst keine Demokratie mehr".
US-Präsident Joe Biden machte Putin für den Tod Nawalnys verantwortlich. Man wisse zwar nicht genau, was passiert sei, aber es gebe keinen Zweifel daran, dass der Tod Nawalnys eine Folge von Putins Handeln und dem seiner Verbrecher sei, sagte Biden im Weißen Haus. "Putin ist verantwortlich."
Jahrelange Haftstrafe gegen Nawalny
Nawalny war unter anderem wegen angeblichem Extremismus zu jahrelanger Lagerhaft verurteilt worden. International jedoch wird der Politiker, der 2020 nur knapp einen Mordanschlag mit dem Nervengift Nowitschok überlebte, als politischer Gefangener eingestuft. Menschenrechtsorganisationen forderten seit Langem Nawalnys Freilassung.
Nachdem er in Deutschland von den Folgen des Giftanschlags behandelt worden war, kehrte Nawalny am 17. Januar 2021 nach Russland zurück und wurde noch am Flughafen verhaftet.
Video von kürzlichem Auftritt
Kurz nach der Nachricht von Nawalnys Tod veröffentlichten unabhängige russische Medien ein Video, das den Oppositionellen während eines Gerichtstermins am Donnerstag zeigen soll. Nur einen Tag vor seinem Tod habe Nawalny den Umständen entsprechend noch "fröhlich, gesund und munter" gewirkt, schrieben etwa die Journalisten des Kanals "Sota" auf Telegram. Dazu zeigten sie einen rund 30 Sekunden langen und tonlosen Clip, auf dem zu sehen ist, wie Nawalny spricht und lächelt. Er war demnach per Videoschalte in den Gerichtssaal zugeschaltet.
Nawalny klagte zwar immer wieder über gesundheitliche Probleme und Schikane im Straflager. Bei den zahlreichen Gerichtsterminen, die auch nach seiner Inhaftierung weitergingen, sah man ihm die Strapazen zwar an, er trat aber demonstrativ stets munter auf.
Der Oppositionelle führte regelmäßig Klagen gegen den Strafvollzug wegen Verletzung seiner Rechte. Er nutzte die Gerichtsauftritte nicht zuletzt auch zur Kritik an Putins autoritärem System und Moskaus Krieg gegen die Ukraine. Zuletzt wurde Nawalny mit Beginn des Wahlkampfes zu den Verhandlungen nicht mehr zugeschaltet.
Nawalny zeitweise verschwunden
Im vergangenen Dezember war der inhaftierte Politiker über mehrere Wochen verschwunden. Im Nachhinein zeigte sich, dass die Justiz ihn aus dem europäischen Teil Russlands in ein Straflager im hohen Norden Sibiriens verlegt hatte. Nawalny vermutete, dass er dort vor der anstehenden Präsidentenwahl im März möglichst isoliert werden sollte.
Die USA, die EU sowie die Bundesregierung hatten sich in den vergangenen Wochen immer wieder besorgt gezeigt und die russische Führung aufgefordert, über Nawalnys Verbleib zu informieren. Russland wies dies aber als Einmischung in seine inneren Angelegenheiten zurück. Der Kreml teilte auch mit, dass er sich nicht um das Schicksal von Gefangenen in Russland kümmern könne.
Anlässlich der Nachricht vom Tod von Alexej Nawalny sendet das Erste einen Brennpunkt - um 20.15 Uhr direkt nach der tagesschau.