Informeller EU-Gipfel in Granada Orban bei Asylreform weiter auf Blockadekurs
Wieder droht Streit beim Thema Migrationspolitik: Beim EU-Gipfel machte Ungarns Ministerpräsident Orban seine ablehnende Haltung gegenüber einer Asylreform erneut sehr deutlich. Auch weitere Ukraine-Hilfen will er nicht mittragen.
Beim informellen EU-Gipfel im spanischen Granada hat Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban erneut Widerstand gegen eine Reform der EU-Migrationspolitik angekündigt. Am Rande des Treffens der 27 Staats- und Regierungschefs kritisierte er die Pläne für eine solche Reform in drastischen Worten.
Es gebe keine Einigung beim Thema Migration, so Orban. "Politisch ist das unmöglich, nicht für heute, sondern ganz allgemein gesprochen, für die nächsten Jahre." Orban ergänzte, Polen und Ungarn seien "rechtlich vergewaltigt" worden: "Wenn man also rechtlich vergewaltigt wird, zu etwas gezwungen wird, das einem nicht gefällt, wie will man dann einen Kompromiss oder eine Einigung erzielen? Das ist unmöglich."
Orban will Unterschrift verweigern
Nach wochenlangem Streit hatte sich eine Mehrheit der EU-Mitgliedsstaaten am Mittwoch auf die sogenannte Krisenverordnung geeinigt, ein Kernelement der geplanten EU-Asylreform. Damit sollte der Weg freigemacht werden für die Reform insgesamt. Die Regierungen von Polen und Ungarn stimmten gegen die Verordnung, Österreich, Tschechien und die Slowakei enthielten sich.
Ungarn und Polen wehren sich insbesondere dagegen, dass den Plänen zufolge stark belasteten Staaten wie Italien und Griechenland künftig ein Teil der Asylsuchenden abgenommen werden soll. Länder, die keine Flüchtlinge aufnehmen wollen, würden zu Ausgleichszahlungen gezwungen werden.
Beide Länder fordern, dass alle Beschlüsse in Migrationsfragen einstimmig auf Ebene der Staats- und Regierungschefs gefällt werden. Laut EU-Vertrag reicht aber eine qualifizierte Mehrheit aus - also 15 EU-Länder, die für 65 Prozent der europäischen Bevölkerung stehen. Nun kündigte Orban an, eine geplante gemeinsame Erklärung nicht zu unterzeichnen.
Orban gegen Ukraine-Hilfen und Aserbaidschan-Sanktionen
Auch bei Plänen für weitere Ukraine-Hilfen droht Orban mit einer Blockade. Zu Vorschlägen, für die Unterstützung der Ukraine bis Ende 2027 bis zu 70 Milliarden Euro zur Verfügung zu stellen, sagte Orban, man werde in keinem Fall einer unüberlegten Budgeterweiterung zustimmen. Ungarn wolle einen Waffenstillstand und Frieden. Zusätzliche Waffenlieferungen würden das Töten verlängern, argumentierte er.
Darüber hinaus lehnt der ungarische Ministerpräsident EU-Sanktionen gegen Aserbaidschan ab. "Wenn wir von Russlands Energie unabhängig werden wollen, brauchen wir Aserbaidschan", sagte Orban und verwies auf Verhandlungen über Gaslieferungen nach Europa. "Aserbaidschan ist ein Schlüsselland. Ohne Aserbaidschan könne wir keine Energie-Unabhängigkeit haben", betonte Orban zu Forderungen innerhalb der EU, Sanktionen gegen die Regierung in Baku wegen der militärischen Einnahme der von ethnischen Armeniern bewohnten und mitten in Aserbaidschan gelegenen Gebiet Bergkarabach zu verhängen. Dies führte zu einem massiven Exodus der dortigen Bevölkerung nach Armenien.
Scholz fordert EU-Reform
Angesichts solch schwieriger Verhandlungen etwa in Sachen Asylreform sprach sich Bundeskanzler Olaf Scholz vor dem Hintergrund der geplanten Erweiterung der EU für Reformen der Union aus. Insbesondere die Entscheidungsstrukturen müssten geändert werden, sagte Scholz vor Beginn des Treffens in Granada.
"Es kann bei Steuern und der Außenpolitik nicht bei der Einstimmigkeit bleiben", sagte er. Deshalb sei es gut, dass die 27 EU-Staats- und Regierungschefs auf dem informellen Gipfel ohne Entscheidungsdruck mit der Debatte über nötige Reformen beginnen würden.
Auch über die künftige Größe der Kommission und die Sitzverteilung im Europäischen Parlament müsse geredet werden, fügte Scholz hinzu. Es könne nicht sein, dass die EU bei weiteren Beitritten "einfach die Kommission erweitert und neue Ministerien erfindet". Die Handlungsfähigkeit der EU müsse auf jeden Fall gewährleistet sein.
Für eine Aufnahme in die EU haben sich acht Staaten beworben - neben der Ukraine, der Republik Moldau und der Türkei die Balkanstaaten Albanien, Bosnien und Herzegowina, Montenegro, Nordmazedonien und Serbien. Im Raum steht auch eine Bewerbung von Georgien und dem Kosovo.