EU-Asylreform Ringen um das letzte Puzzleteil
Kaum hatten sich die EU-Innenminister grundsätzlich auf eine Krisenverordnung zur EU-Asylpolitik geeinigt - da meldete Italien Vorbehalte an. Man sei Deutschland zu weit entgegengekommen. Was steckt dahinter?
Italiens Innenminister Matteo Piantedosi verließ am Donnerstag schlechtgelaunt das Treffen auf EU-Ebene vorzeitig. Für seinen Geschmack sei man den Deutschen zu weit entgegenkommen, weshalb er die Vereinbarung in Rom prüfen lassen wolle, hieß es zur Begründung.
Tatsächlich berücksichtigte der neue Kompromissvorschlag der spanischen Ratspräsidentschaft lediglich einige leicht erfüllbare Nachforderungen der Bundesregierung. So sollen Familien mit Kindern bei den geplanten Schnellverfahren an den EU-Außengrenzen priorisiert werden und es wurde noch einmal bekräftigt, dass einzelne EU-Mitgliedsländer nicht im Alleingang eine Krisensituation ausrufen können.
Streit über Seenotrettung
Der wirkliche Hintergrund für die italienische Verzögerungstaktik ist dagegen sehr wahrscheinlich der schon länger schwelende Streit über Berlins Finanzierung von privaten Seenotrettungs-Organisationen im Mittelmeer.
Es sei seltsam, dass an dem Tag, an dem in Brüssel über einen möglichen EU-Asyl-Pakt verhandelt werde, sieben NGO-Schiffe, einige davon unter deutscher Flagge, auf dem Weg nach Lampedusa seien, erklärte Italiens Außenminister Antonio Tajani gegenüber der Zeitung "La Repubblica". Italien registriert in diesem Jahr eine deutliche Zunahme der Migration über seine Seegrenzen und macht dafür die im Mittelmeer tätigen privaten Seenotretter verantwortlich.
Einige Tage zuvor hatte sich deshalb bereits der italienische Verteidigungsminister Guido Crosetto empört, dass die deutsche Regierung so tue, als ob sie nicht wüsste, dass sie mit ihrem Verhalten ein Land in Schwierigkeiten bringe, mit dem sie theoretisch befreundet sei. Berlin argumentiert, dass mit der finanziellen Unterstützung für Seenotretter und andere Hilfsorganisationen, die sich in Italien um Migranten kümmern, ein Beschluss des Bundestags umgesetzt werde.
Italien nicht einfach überstimmen
Wir arbeiten daran die Positionen anzugleichen, sagt EU-Innenkommissarin Ylva Johansson. Sie hat auch bereits einen Plan im Schreibtisch, die Seenotrettung im Mittelmeer neu zu organisieren. Dabei geht es vor allem darum, dass alle Akteure wie Hilfsorganisationen, Ankunftsländer und Staaten unter deren Flagge die Schiffe fahren, künftig besser kooperieren. Auf die aktuelle Debatte um die Krisenverordnung habe das allerdings keine Auswirkungen. Da seien alle Hindernisse ausgeräumt, ist die EU-Innenkommissarin überzeugt.
Tatsächlich würde selbst ein Nein Italiens die Verabschiedung der Verordnung nicht verhindern können. Allerdings eines der durch Migration am stärksten belasteten EU- Länder einfach zu überstimmen, wäre genauso riskant, wie der Fakt dass die EU bei einem so zentralen Thema wie der Migration nicht handlungsfähig ist.
Ziel: Reform noch vor Europawahlen
In diesem Sinne ist auch der italienische Außenminister Tajani inzwischen bemüht die Angelegenheit nicht weiter zu eskalieren. Man habe monatelang auf andere gewartet und es passiere nichts, wenn man nun mal eine Stunde auf Italien wartet, sagt der ehemalige EU-Parlamentspräsident. Man sei sich schließlich einig, dass eine europäische Lösung notwendig sei und man zusammenarbeiten müsse.
Damit dürfte Italien am Ende der Krisenverordnung zustimmen, womit dann auch die letzte der zehn Verordnungen des Migrations-und Asylpakets verhandlungsbereit auf dem Tisch liegt. Zu dessen wichtigsten Elementen gehören ein besserer Schutz der EU-Außengrenzen, Schnellverfahren in den Erstankunftsländern und die bessere Zusammenarbeit mit Heimat-und Drittländern - auch um schnell mehr Rückführungen abgelehnter Asylbewerber zu erreichen.
Das gesamte Maßnahmenpaket wird demnächst in die abschließenden sogenannten Trilog-Verhandlungen zwischen Kommission, Parlament und dem Rat der 27 EU-Staaten gehen. Ziel ist, diese Beratungen bis Anfang kommenden Jahres zu beenden, um dann das Gemeinsame Europäische Asylsystems (GEAS) noch vor den Europawahlen im Juni unter Dach und Fach zu haben.