Migration nach Europa EU einigt sich auf Asyl-Krisenverordnung
Im Streit über die europäische Asylreform haben sich die EU-Staaten laut spanischen Angaben auf einen Zwischenschritt geeinigt. Die neue Krisenverordnung sieht für Fälle einer drohenden Überlastung der Mitgliedsstaaten verschärfte Maßnahmen vor.
Nach wochenlangem Streit haben die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union sich auf ein Kernelement der geplanten Asylreform geeinigt. Es sei eine gemeinsame Positionierung zu den Vorschlägen der EU-Kommission für einen Krisenmechanismus vereinbart worden, teilte die spanische EU-Ratspräsidentschaft auf der Plattform X, vormals Twitter, mit. Mehrere Diplomaten bestätigten die Einigung. Sie ermöglicht Gespräche mit dem Europaparlament, die für den Abschluss der Asylreform wichtig sind.
Die sogenannte Krisenverordnung ist ein zentrales Element der geplanten EU-Asylreform. Über sie könnte etwa bei einem besonders starken Anstieg der Migration der Zeitraum verlängert werden, in dem Menschen unter haftähnlichen Bedingungen festgehalten werden können. Zudem könnte der Kreis der Menschen vergrößert werden, der für die geplanten strengen Grenzverfahren infrage kommt.
Grundsätzlich sehen die Pläne für die EU-Asylreform zahlreiche Ergänzungen und Verschärfungen vor, um unerwünschte Migration zu begrenzen. Dass über die Pläne für den Krisenmechanismus wochenlang keine Einigung erzielt werden konnte, hatte insbesondere an humanitären Bedenken der Bundesregierung gelegen.
Einlenken mehrerer Seiten
Nachdem der Druck von Partnerländern gestiegen war, gab Berlin allerdings in der vergangenen Woche den Widerstand auf, nachdem es kleinere Zugeständnisse gegeben hatte. Zuletzt sperrte sich dann noch Italien, das nun aber ebenfalls im Ausschuss der ständigen Vertreter der Mitgliedsstaaten einem Kompromiss zustimmte.
In Brüssel hatte die Bundesregierung ihre Ablehnung des Vorschlags für die Verordnung damit erklärt, dass EU-Staaten das Regelwerk nutzen könnten, um Schutzstandards für Migranten auf ein zweifelhaft niedriges Niveau abzusenken. Letztlich konnte sie aber nur noch wenige Verbesserungen durchsetzen.
Nach Angaben aus Regierungskreisen hatte am Mittwoch vergangener Woche Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) informell von seiner Richtlinienkompetenz Gebrauch gemacht hat und angeordnet, den Widerstand gegen die Krisenverordnung aufzugeben. Nach der Einigung auf Ebene der Regierungen der EU-Staaten soll nun schnellstmöglich auch mit dem Europaparlament eine Verständigung über das Reformprojekt erzielt werden.
Europawahl steht vor der Tür
Dabei drängt die Zeit angesichts der baldigen Europawahl im Juni 2024. Projekte, die bis dahin nicht mit den Regierungen der Mitgliedsstaaten ausgehandelt sind, könnten anschließend wieder infrage gestellt werden und sich lange verzögern. Im Fall der geplanten Reform des Asylsystems wäre dies ein besonders großer Rückschlag. An dem Projekt wird bereits seit Jahren gearbeitet.
Vor allem rechte Parteien wie die deutsche AfD werfen der EU seit langem Versagen im Kampf gegen illegale Migration vor. Grundsätzlich sehen die Pläne für die EU-Asylreform unter anderem einen deutlich härteren Umgang mit Menschen aus Ländern vor, die als relativ sicher gelten. Sie sollen künftig nach einem Grenzübertritt unter haftähnlichen Bedingungen in streng kontrollierte Aufnahmeeinrichtungen kommen.
Dort würde dann im Normalfall innerhalb von zwölf Wochen geprüft werden, ob der Antragsteller Chancen auf Asyl hat. Wenn nicht, soll er umgehend zurückgeschickt werden. Zudem soll dafür gesorgt werden, dass stark belasteten Staaten wie Italien und Griechenland künftig ein Teil der Asylsuchenden abgenommen wird. Länder, die keine Flüchtlinge aufnehmen wollen, würden zu Ausgleichszahlungen gezwungen werden.
Baerbock und Faeser sprechen von Erfolg
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) bezeichnete die Einigung als wichtigen Schritt nach vorne. Da die Ratsposition zur Krisenverordnung nun auch formal beschlossen sei, könnten die Verhandlungen mit dem Europäischen Parlament über ein gemeinsames europäisches Asylsystem jetzt weitergehen, teilte Faeser in Berlin mit. Sie sei froh, dass dies gelungen sei und die Bundesregierung ihre Vorstellungen von Menschlichkeit und Ordnung habe durchsetzen können.
Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) schrieb auf X, vormals Twitter, durch den Einsatz der Bundesregierung sei sichergestellt, dass die Krisenverordnung nur in sehr stichhaltig begründeten Fällen überhaupt gezogen werden könne. Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten sei im Krisenfall verpflichtend.