Scholz zu Flüchtlingspolitik Es kommt Bewegung in die Migrationsdebatte
Der Druck auf die Bundesregierung, Maßnahmen gegen die steigenden Zahlen von Migranten zu ergreifen, steigt. Nun äußerte sich auch Kanzler Scholz und stellte weitere Maßnahmen in Aussicht. Die FDP fordert eine Wende in der Migrationspolitik.
In der Debatte über eine stärkere Begrenzung der Migration hat Bundeskanzler Olaf Scholz mögliche zusätzliche Maßnahmen in Aussicht gestellt. "Das sind sehr viele, die nach Europa und nach Deutschland kommen, und die Zahl hat dramatisch zugenommen", sagte er bei einer SPD-Kundgebung in Nürnberg.
Scholz bekannte sich zum Grundrecht auf Asyl, mahnte aber auch effektivere Abschiebungen an. Mit Blick auf mögliche Grenzkontrollen, wie sie mehrere Politiker gefordert hatten, erklärte er, man werde je nach aktueller Lage "an den Grenzen möglicherweise weitere Maßnahmen ergreifen müssen, zum Beispiel an der polnischen". Von dort kommen derzeit vermehrt Migranten nach Deutschland.
Lage sei "schwierig"
Scholz nannte die Lage angesichts gestiegener Zahlen "schwierig". Das auszusprechen sei für jede Demokratin und jeden Demokraten in einer Gesellschaft, die über Probleme frei diskutiere, unverzichtbar und richtig, sagte er in Nürnberg. "Deutschland bekennt sich zum Asylrecht", betonte er. Wer komme und sich nicht auf Schutzgründe berufen könne oder Straftaten begangen habe, müsse aber zurückgeführt werden.
Lindner für Wende in der Migrationspolitik
Zuvor hatte die oppositionelle Union ihr Angebot zu gemeinsamen Lösungen in der Frage erneuert. FDP-Parteichef und Finanzminister Christian Lindner begrüßte die Bereitschaft der CDU und auch der Grünen zur Zusammenarbeit in Migrationsfragen. "Wir brauchen eine Wende in der Migrationspolitik wie den Asylkompromiss Anfang der 1990er Jahre", schrieb Lindner im Kurznachrichtendienst X, ehemals Twitter. "Ich begrüße, dass sowohl Robert Habeck als auch Friedrich Merz dies offenbar genauso sehen."
Vizekanzler Habeck (Grüne) und die CDU-Spitzenpolitiker Friedrich Merz und Carsten Linnemann hatten sich zuvor für breit getragene Reformen in der Migrationspolitik ausgesprochen. Habeck sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, alle "demokratischen Parteien" seien verpflichtet, "bei der Suche nach Lösungen zu helfen". Bei den Grünen sei das "ein neuer Schritt", schrieb Lindner dazu. "Wir sollten die Gelegenheit nutzen. Denn für Veränderungen, die das Grundgesetz betreffen könnten, brauchen wir einen übergreifenden Konsens."
Auch die Bundesländer machen weiterhin Druck. Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU) appellierte an das Bundesinnenministerium, stationäre Grenzkontrollen gegen illegale Zuwanderung nun rasch einzuführen. "Bundesinnenministerin Faeser hat schon viel angekündigt. Jetzt zählen Taten, um den skrupellosen Schleuserbanden das Handwerk zu legen."
Kritik von Wirtschaftsverband und GdP
Jedoch kommt bei einem zentralen Punkt - den geforderten stationären Grenzkontrollen - Gegenwind aus der Wirtschaft. Der Präsident des Groß- und Außenhandelsverbands (BGA), Dirk Jandura, sagte im "Handelsblatt", der Groß- und Außenhandel lebe vom freien Warenverkehr, zusätzliche Hemmnisse seien kontraproduktiv. "Lange Lkw-Staus an den Grenzen wären ein Albtraum für die Lieferkette", warnte Jandura. "Diese führen zu temporären Lieferengpässen und steigenden Kosten, die letztendlich an den Verbraucher weitergegeben würden."
Und auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) lehnt dauerhafte stationäre Grenzkontrollen wegen des personellen und technischen Aufwands ab. Außerdem würden sie auch "schon aus rechtlichen Gründen" keine sinkenden Asylbewerberzahlen bringen, sagte GdP-Chef Jochen Kopelke dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland".
Allerdings begrüßt er temporäre verstärkte Kontrollen, um die Hintermänner illegaler Einreisen stärker zu verfolgen. "Unser Hauptaugenmerk muss auf der Bekämpfung der bandenmäßigen Schleuserkriminalität liegen, das ist der Schlüssel zur Eindämmung illegaler Migration. Erkenntnisse über die Bandenstrukturen und die Geldflüsse bekommt man nur, wenn man die Schleuserbanden aufrollt, und das fängt mit Informationen aus temporären Kontrollstellen an."
Faeser offen für Grenzkontrollen
Nach langer Ablehnung prüft das Bundesinnenministerium nun kurzfristige stationäre Grenzkontrollen an den Grenzen zu Polen und Tschechien im Kampf gegen Schleuserkriminalität. Das hatte ein Sprecher von Minister Nancy Faeser am Freitag mitgeteilt.
Die Union hatte die Bundesregierung zuvor aufgefordert, schnell Maßnahmen zur Begrenzung der Migration zu ergreifen und dabei ihre Unterstützung angeboten. CDU-Chef Friedrich Merz forderte unter anderem einen schärferen Kurs bei Abschiebungen. Als Vorbild schlug er Dänemark vor: Dort würden Asylsuchende nur noch Sachleistungen erhalten und in Sammelunterkünften untergebracht, ausreisepflichtige Menschen würden unverzüglich abgeschoben.
Merz: "Dann werfen Sie die Grünen raus"
Gleichzeitig erhöht die Union den Druck auf die Ampelkoalition. "Ich biete Ihnen an: Lassen Sie uns das zusammen machen, und wenn Sie das mit den Grünen nicht hinbekommen, dann werfen Sie sie raus, dann machen wir es mit Ihnen - aber wir müssen dieses Problem lösen", sagte Merz beim CSU-Parteitag in München. Es gebe hier "Sprengstoff für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft". Wenn das Problem nicht gelöst werde, drohe eine weitere Radikalisierung des Parteienspektrums.