Reaktionen auf Erfolge von AfD und BSW Russland feiert "politische Sensation"
International sorgt der Ausgang der Landtagswahlen in Deutschland für Schlagzeilen. In russischen Staatsmedien wird das Ergebnis als "politische Sensation" gefeiert, andere Länder reagierten differenzierter.
Russland: Jubel im Kreml
Der Sieg der AfD sei eine "politische Sensation". So wird es zumindest im Ersten Kanal verkündet, dem größten staatlichen TV-Sender in Russland. Die Moderatoren betonen auch immer wieder den Russland-Kurs der AfD - gegen Sanktionen, zurück zu alten Handelsbeziehungen.
Der Vorsitzende der Staatsduma, Wjatscheslaw Wolodin, schreibt auf Telegram: Die Deutschen hätten Bundeskanzler Olaf Scholz mit diesen Wahlen deutlich gesagt "Geh weg." Seine Regierung sei unpopulär, auch in anderen Teilen Deutschlands. Es sei offensichtlich, so schreibt Wolodin weiter, dass die Entwicklung Deutschlands und die Lösungen der Probleme für die Bürger für Scholz keine Priorität hätten.
In den russischen Nachrichtensendungen werden auch Demonstrationen aus Deutschland gezeigt: Demos gegen den Krieg und gegen Waffenlieferungen an die Ukraine. Wichtig war dem Ersten Kanal auch, zu erwähnen, dass auf der Wahlparty der AfD keine Journalisten zugelassen wurden. Diese hätten zuvor zu viel "Gift" über die Partei verbreitet.
Silke Diettrich, ARD Moskau
Polen: "Früher NSDAP. Heute AfD?"
Polnische Medien berichten über die Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen ausführlich und deutlich detaillierter als bei vergleichbaren Wahlen in der Vergangenheit. Bereits vor der Wahl fragte die Tageszeitung "Rzeczpospolita": "Früher NSDAP. Heute AfD?"
Am Montag nach den Wahlen schreibt die Zeitung, gerade in Thüringen sei die AfD außergewöhnlich radikal, "angeführt von dem charismatischen Björn Höcke, der von den Eliten am meisten gehassten Figur. Als Nazi bezeichnet, als Faschist und als kleiner Hitler betrachtet, zeugt er von der Sehnsucht der Deutschen nach einem starken Führer." Zwar bestehe der "Cordon Sanitaire" der anderen Parteien um die AfD fort, "aber es knarzt gefährlich".
Die Wochenzeitung "Polityka" titelt: "Die extreme Rechte ist an der Macht. Die Wahlen in Sachsen und Thüringen sind ein Erdbeben: für Deutschland und den Westen."
Die Möglichkeit, dass die AfD künftig auf die Ernennung von Richterinnen und Richtern Einfluss nehmen könne, wecke "Bedenken, die auch Vergleiche mit der Herrschaft der PiS in Polen nach sich ziehen." Nicht nur, dass die Regierungsbildung in beiden Ländern sehr schwierig werde, über den Bundesrat hätten die Landtagswahlen auch Einfluss auf die Bundesebene. Für die Koalition von Olaf Scholz werde das Regieren jetzt noch schwieriger.
Während sich viele polnische Medien auf die AfD konzentrieren, analysiert "Polityka" auch das BSW kritisch: "Sahra Wagenknecht, die sich als neue Rosa Luxemburg stilisiert, kombiniert auf unkonventionelle Weise scheinbar widersprüchliche Positionen und präsentiert den Wählern etwas, das man als Sozialismus mit braunem Anstrich bezeichnen könnte."
Aus polnischer Sicht ist vor allem besorgniserregend, dass mit AfD und BSW zwei Parteien erfolgreich waren, die sich lieber Russland unter Wladimir Putin annähern möchten, als die Ukraine militärisch zu unterstützten.
So schreibt beispielsweise die liberale Tageszeitung "Gazeta Wyborcza": "Unabhängig davon, welche Folgen es (die Wahlen) haben werden, ist eines sicher: Sachsen und Thüringen haben gegen die deutsche Unterstützung der Ukraine gestimmt. Sowohl die AfD als auch das linksexteme BSW sind hier derselben Meinung: Sie fordern den Aufbau von Handelsbeziehungen mit Russland." Das sei auch ein Grund für das schlechte Abschneiden der Grünen, die sich konsequent für eine Unterstützung der Ukraine einsetzen würden.
Der Fernsehsender TVN24 zitiert den Soziologen Andrzej Sakson vom Westinstitut in Poznań. Sakson zu Folge sei "der Erfolg der extremen Rechen eine späte Abrechnung mit der Transformation in der ehemaligen DDR". Statt einer Vereinigung beider Staaten - DDR und Bundesrepublik - habe ein Anschluss stattgefunden. "Der Sinn und die Existenz des Staates DDR wurden bestritten. Diese Marginalisierung führte dazu, dass eine Mehrheit der DDR-Bürger das Gefühl hatte, Bürger zweiter Klasse zu sein."
Martin Adam, ARD Warschau
Österreich: "Alarmierendes Ergebnis"
In Österreich, wo in knapp einem Monat ein neues Parlament gewählt wird, gibt es unterschiedliche Reaktionen auf die Wahlergebnisse in Thüringen und Sachsen. Die konservative Regierungspartei ÖVP kommentierte am Abend: "Die Stärkung der radikalen Ränder in Deutschland ist alarmierend." Gestärkt worden sei mit der AfD nicht nur der radikale rechte Rand, sondern mit dem BSW auch der radikale linke Rand.
Mit Blick auf Österreich appellierte ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker am Wahltag, dem 29. September "die Mitte" zu stärken. Als solche bezeichnet sich die ÖVP im Wahlkampf. "Diese Wahlergebnisse sollen uns Warnung sein", so Stocker. Das bezog er auf die in Teilen rechtsextreme Partei FPÖ, die in Österreich seit über einem Jahr die Umfragen anführt.
Deren Parteichef Herbert Kickl gratulierte hingegen der AfD in Thüringen und Sachsen zu "historischen Wahlergebnissen". Diese seien "Ausdruck der Hoffnung auf einen Systemwechsel." Der Ampel attestierte der Politiker, ihr sei die Rechnung für ihre "schädliche Politik präsentiert" worden.
Die Tageszeitung "Der Standard" attestiert dem großen Nachbarland Deutschland, es würde "düstere Zeiten" erleben. Die Menschen hätten Angst: Das habe der Anschlag in Solingen erneut offengelegt. "Emotionen, die weder Ex-Kanzlerin Angela Merkel noch ihr Nachfolger Olaf Scholz begriffen haben." Die Zeitung sieht das Wahlergebnis auf Krise der Ampel-Regierung. "Man ist fertig miteinander, zusammen hält das unattraktive Dreierbündnis nur noch die Angst vor den Wählerinnen und Wählern."
Die Tageszeitung "Die Presse" zeigt wenig Verständnis für die Wählerinnen und Wähler in Thüringen und Sachsen: "Die Ostdeutschen koppeln sich in ihrem Wahlverhalten immer stärker von ihren westdeutschen Landsleuten ab. Sie kultivieren Eigen- und Sonderheiten, die 35 Jahre nach dem Fall der Mauer erratisch anmuten", so das Urteil aus Wien. Die CDU in Sachsen stehe vor einem Dilemma, einer Wahl zwischen "Pest und Cholera." Die AfD sei nicht kompatibel und das BSW "eine Blackbox."
Silke Hahne, ARD Wien