Thüringens CDU-Landeschef Voigt
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Nach Wahlen in Sachsen und Thüringen ++ "Weltpolitik wird nicht in Thüringen entschieden" ++

Stand: 02.09.2024 11:14 Uhr

CDU-Spitzenkandidat Voigt hat Erwartungen des BSW zu internationalen Fragen bei möglichen Koalitionsgesprächen eine Absage erteilt. Die AfD-Chefin zeigt sich optimistisch, an der Regierungsbildung beteiligt zu werden. Die Entwicklungen im Liveblog.

  • CDU-Spitzenkandidat Voigt: "Weltpolitik wird nicht in Thüringen entschieden"
  • Wahlleiter überprüft Ergebnis zur Landtagswahl in Sachsen
  • AfD-Chefin Weidel optimistisch für Regierungsbeteiligung
  • BSW-Co-Chefin: Außenpolitik auch in Landesregierungen Thema

Der Landeswahlleiter in Sachsen hat das vorläufige Ergebnis der Landtagswahl korrigiert. Demnach kommt die AfD auf 40 der 120 Sitze im Landtag und damit einen weniger als bisher errechnet. Damit verfügt die als rechtsextremistisch eingestufte Partei im Landtag nicht über eine Sperrminorität. Mit 41 Sitzen hätte sie verhindern können, dass wichtige Beschlüsse im Landtag mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit gefasst werden können. Der Landeswahlleiter begründete die Korrektur mit einem Softwarefehler. "Nach den errungenen Stimmen haben danach die Grünen und die SPD je einen Sitz mehr und die CDU und die AfD einen Sitz weniger als angegeben", erklärte der Wahlleiter.

Nach der Landtagswahl in Thüringen hat sich der CDU-Kandidat Christian Tischner​ zufrieden damit gezeigt, dass er in seinem Wahlkreis Greiz II mehr Stimmen als AfD-Landeschef Höcke ​bekam. Er sagte im Interview mit Bayern2: "Ich freue mich sehr. Für mich persönlich natürlich, dass ich meine Arbeit fortsetzen kann. Aber ich freue mich sehr für unser Vogtland, weil das wäre keine gute Entwicklung gewesen, wenn wir hier den blauen Stempel draufbekommen."

Dass die AfD in Thüringen mit Abstand stärkste Kraft geworden ist, sei "bitter, aber es zeigt, dass die Politik liefern muss. Liefern was die Menschen erwarten. Da hat zuallererst die Bundesregierung eine große Aufgabe, aber auch die Thüringer Landesregierung hat in den letzten Jahren die Erwartungen der Menschen nicht erfüllen können."

Die Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen waren von Forderungen nach Einschränkungen des Asylrechts, rassistischen Parolen und queerfeindlichen Attacken geprägt. In der Regierungsbildung müssen sich Parteien jetzt klar zu einer menschenrechtsbasierten Landespolitik bekennen - so lautet die Forderung von Amnesty International in Deutschland.

"In Thüringen und Sachsen haben sich die Parteien im Wahlkampf von menschenfeindlichen Forderungen treiben lassen. Der menschenrechtliche Unterbietungswettbewerb muss jetzt ein Ende haben. Die kommenden Landesregierungen haben den Auftrag, die Rechte aller zu schützen - ohne dabei zu diskriminieren", fordert Generalsekretärin Julia Duchrow. Rassismus, Queerfeindlichkeit und Hass stünden dem diametral entgegen.

Nach der Landtagswahl in Thüringen hat CDU-Spitzenkandidat Mario Voigt zur Geduld bei der Regierungsbildung aufgerufen. Darüber werde "nicht über Nacht" entschieden, sagte Voigt am Montag vor einer Sitzung des CDU-Präsidiums in Berlin. Seine Partei habe den Auftrag, die Gespräche darüber zu führen.

Erwartungen des möglichen Koalitionspartners BSW zu Verhandlungen über internationale Fragen wie die Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in Deutschland erteilte Voigt einen Dämpfer. "Weltpolitik wird nicht in Thüringen entschieden", sagte er. Die CDU war bei der Landtagswahl in Thüringen hinter der AfD auf Platz zwei gelandet. Da die Christdemokraten eine Koalition mit dem vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestuften AfD-Landesverband ausgeschlossen hat, sind sie für eine Regierung unter anderem auf das BSW angewiesen.

Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger hat die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP nach dem Debakel bei den Wahlen in Sachsen und Thüringen zum Handeln aufgefordert. "Die Ergebnisse sind ein deutliches Warnzeichen an die Ampel-Politik im Bund", erklärte Dulger in Berlin. "Besonders der Zulauf zu den politischen Rändern zeigt die starke Verunsicherung der Menschen und das fehlende Zutrauen, dass sich unser Land in die richtige Richtung entwickelt."

Die FDP war bei beiden Landtagswahlen deutlich an der 5-Prozent-Hürde gescheitert. Die SPD verzeichnet in Thüringen mit 6,1 Prozent ihr schlechtestes Ergebnis bei einer Landtagswahl seit Gründung der Bundesrepublik. Die Grünen scheiden mit 3,2 Prozent aus dem Parlament aus. In Sachsen kam die SPD auf 7,3 Prozent, die Grünen auf 5,1 Prozent.

Für den bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) sind die Rekordergebnisse der in Teilen rechtsextremen AfD bei den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen eine Zäsur. "Auch wenn sich das durch Umfragen angedeutet hat: Wenn das Wahlergebnis real wird, dann spürt man erst mal, was sich in Deutschland verändert hat", sagte er im Radio "Bayern 2".  Wichtig sei nun, eine stabile Regierung zu bilden, "die dann auch etwas leisten kann", fügte er hinzu. Politik gestalten könnten nur diejenigen, "die die echte Chance zur Regierungsbildung haben". Dies seien die CDU-Spitzenkandidaten Michael Kretschmer und Mario Voigt. "Das wird so oder so ein ganz saurer Apfel, in den man beißen muss", fügte Söder hinzu.

"Großteil der Menschen ist erschrocken", Susann Schädlich, MDR, zur Stimmung in Sachsen nach der Landtagswahl

tagesschau, 02.09.2024 09:00 Uhr

Unionspolitiker erwarten nach den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen eine schwierige Regierungsbildung. "Es stehen nun herausfordernde Koalitionsbildungen für die CDU an", sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, Thorsten Frei (CDU), der "Augsburger Allgemeinen". Sowohl in Sachsen als auch in Thüringen beanspruche die CDU das Amt des Regierungschefs. "Aus den Ergebnissen folgt jeweils ein klarer Auftrag zur Regierungsbildung für die CDU", betonte Frei.

Eine "äußerst schwierige" Koalitionsbildung in den beiden Ländern erwartet auch der Fraktionschef der CSU im bayerischen Landtag, Klaus Holetschek. "Klar ist, dass die Union in Sachsen und Thüringen den Ministerpräsidenten stellen muss", sagte er der Zeitung.

"Sehr kompliziert eine Mehrheit gegen die AfD zu bilden", Jörg Schönenborn, WDR, zu den Ergebnissen der Landtagswahl inThüringen

tagesschau, 02.09.2024 09:00 Uhr

Der Wahlleiter will das Ergebnis zur Sitzverteilung im sächsischen Landtag überprüfen. Mehrere Parteien und Experten von Wahlrecht.de gehen davon aus, dass sich der Landeswahlleiter bei der neuen Sitzverteilung im Landtag verrechnet haben könnte, berichtet die "Leipziger Volkszeitung". Demnach sei ein falsches Sitzverteilungsverfahren angewendet worden. Der Sachverhalt sei bekannt und werde überprüft, sagte eine Sprecherin der Landeswahlleitung auf Anfrage der Nachrichtenagentur dpa.

Laut LVZ hätte die AfD nach dem anderen Verfahren einen Sitz weniger und würde nicht mehr über eine Sperrminorität im Landtag verfügen. Mit dieser Sperrminorität, könnten bestimmte Landesgesetze, die mit einer Zweidrittelmehrheit aller Abgeordneter entschieden werden müssen, nicht ohne die AfD-Parlamentarier zustande kommen.

"Es wird in Zweifel gezogen, ob Landeswahlleiter richtig gerechnet hat", Jörg Schönenborn, WDR, zu Wahl-Ergebnissen in Sachsen

tagesschau, 02.09.2024 09:00 Uhr

AfD-Co-Parteichef Tino Chrupalla sieht nach den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen einen "klaren Wählerauftrag" für eine Regierungsbeteiligung der AfD. Der Wählerwille müsse "respektiert" werden, sagte Chrupalla am Montag im Radiosender WDR 5. Seine Partei sei "gesprächsbereit", versicherte er. "Wir werden mit allen reden, die es gut mit Thüringen oder mit Sachsen meinen." Wo es Überschneidungen mit anderen Parteien gebe, müsse "am Ende" geschaut werden, sagte Chrupalla weiter. Die CDU habe sich bei den Themen Sicherung von Grenzen und Abschiebungen in den vergangenen Monaten bereits in Richtung AfD bewegt, bemerkte er. In der Sozialpolitik sah Chrupalla "einige Überschneidungen" mit dem BSW. Er verwies dabei auf Themen wie Lehrermangel oder die Frage, ob Ukraine-Flüchtlinge weiterhin Bürgergeld bekommen sollten. 

"AfD hat im Osten teilweise Volksparteistatus", Torben Lehning, MDR, zur Landtagswahl in Sachsen

tagesschau, 02.09.2024 09:00 Uhr

Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken blickt trotz des schlechten Abschneidens ihrer Partei bei den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen optimistisch auf die Bundestagswahl 2025. Am Sonntag habe es ein "wirklich bitteres Ergebnis" gegeben, das "entspricht in keiner Weise unserem Anspruch", sagte Esken im Deutschlandfunk. Olaf Scholz sei aber "ein starker Bundeskanzler, der uns auch als Kanzlerkandidat in den Bundestagswahlkampf führen wird, und wir werden diese Wahl mit ihm auch gewinnen".

Esken reagierte damit auf die Frage, ob Kanzler Scholz nach den Landtagswahlen noch der Richtige sei, um die SPD in die Bundestagswahl in gut einem Jahr zu führen. Die Sozialdemokraten hatten am Sonntag in Sachsen 7,3 Prozent der Stimmen bekommen, in Thüringen waren es 6,1 Prozent.

AfD-Chefin Alice Weidel hat sich nach dem guten Abschneiden ihrer Partei bei den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen optimistisch gezeigt, an der Regierungsbildung beteiligt zu werden. "Wir müssen festhalten, dass ohne die AfD keine stabile Mehrheitsbildung möglich ist", sagte sie im gemeinsamen Morgenmagazin von ARD und ZDF. Sie glaube nicht, dass sich die "undemokratische Brandmauer" durchhalten lasse.

Ohne die AfD seien nur linke Mehrheiten möglich, dies wolle der Wähler nicht, befand Weidel. Wenn CDU und BSW in Thüringen mit linken Parteien koalierten, verlören sie auf Dauer ihre Glaubwürdigkeit. Der Wähler als Souverän habe sich in beiden Bundesländern für eine "bürgerliche Mehrheit der Mitte-Rechts-Koalition" entschieden, sagte Weidel. Dass die AfD 30 Prozent der Wähler binde, könne nicht ignoriert werden.

Der Zentralrat der Juden in Deutschland hat sich tief besorgt nach den AfD-Wahlerfolgen in Sachsen und Thüringen geäußert und sieht auch die vielen Stimmen für das BSW kritisch. "Deutschland taumelt" nach einem "Wirkungstreffer historischer Dimension" zieht Präsident Josef Schuster in einem Gastkommentar für Bild.de Vergleiche zur Welt des Boxens.

Immer mehr Menschen wählten die AfD aus politischer Überzeugung, aus "durch Protest manifestierter rechtsextremer Ideologie", fügte er hinzu. Und ein populistisches BSW lasse noch vieles unbekannt, "aber das, was wir von dieser neuen Partei und ihrem Spitzenpersonal wissen, lässt nichts Gutes erahnen".

Die Berliner Politikwissenschaftlerin Julia Reuschenbach hat die seit Jahren wiederkehrenden Debatten über das Wahlverhalten in Ostdeutschland kritisiert. "Die Frage, wieso populistische Parteien Stimmenzuwächse haben, müssen wir für das ganze Land diskutieren", so Reuschenbach auf Anfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Die Problemlagen seien an vielen Orten ähnlich. "Wenn die AfD in Hessen bei 18 oder NRW bei 14 Prozent steht, ist das nicht nur ein ostdeutsches Thema. Aber man kann sich im Westen bequem aus der eigenen Verantwortung ziehen, indem man auf den Osten schaut", sagte die Forscherin der Freien Universität Berlin.

Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) will bei Verhandlungen über mögliche Regierungsbeteiligungen in Sachsen und Thüringen auch außenpolitische Themen zur Sprache bringen. Zwar würden solche Themen im Bund entschieden, Landesregierungen könnten aber ihre Stimme erheben und zum Beispiel Bundesratsinitiativen auf den Weg bringen, sagte Co-Parteichefin Amira Mohamed Ali im gemeinsamen Morgenmagazin von ARD und ZDF. Punkte wie die Ablehnung der Stationierung von US-Raketen in Deutschland oder Diplomatie im Ukraine-Krieg seien ihrer Partei wichtig, sagte Mohamed Ali. 

Bei den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen hatte die neue Partei auf Anhieb zweistellige Ergebnisse erzielt und wurde damit zu einem Faktor bei der Regierungsbildung.

Bundeskanzler Olaf Scholz hat die Ergebnisse der Landtagswahlen als "bitter" bezeichnet und die Parteien in Sachsen und Thüringen aufgefordert, Bündnisse ohne die AfD zu schmieden. "Alle demokratischen Parteien sind nun gefordert, stabile Regierungen ohne Rechtsextremisten zu bilden", sagte Scholz der Nachrichtenagentur Reuters.

Er äußerte sich als SPD-Bundestagsabgeordneter. Die Ergebnisse für die AfD in Sachsen und Thüringen würden ihm Sorgen bereiten. "Daran kann und darf sich unser Land nicht gewöhnen. Die AfD schadet Deutschland. Sie schwächt die Wirtschaft, spaltet die Gesellschaft und ruiniert den Ruf unseres Landes", betonte Scholz.

Birthe Soennichsen, ARD Berlin, tagesschau, 02.09.2024 07:55 Uhr

Spitzenpolitiker der Parteien kommen am Montagmorgen in Bayern zum traditionellen Schlagabtausch beim Volksfest Gillamoos zusammen. Erwartet werden in Abensberg unter anderem Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sowie seine Kollegen aus Hessen und Rheinland-Pfalz, Boris Rhein (CDU) und Alexander Schweitzer (SPD). Auch Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger, FDP-Bundestagsfraktionschef Christian Dürr und der Grünen-Bundestagsabgeordnete Anton Hofreiter kündigten sich an.

Der Frühschoppen beim Gillamoos-Volksfest ist nach dem politischen Aschermittwoch die zweite große politische Veranstaltung im Jahr in Bayern, bei der Politiker verschiedener Parteien am selben Tag für ihre Politik werben. Er findet einen Tag nach den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen statt.

Angesichts der schwierigen politischen Lage in Thüringen muss sich die CDU nach Einschätzung des Politikwissenschaftlers Oliver Lembcke fragen, ob sie sich in Richtung der Linkspartei öffnet. Dies würde aber auch zwangsläufig die Diskussion über die Brandmauer nach rechts, zur AfD, neu entfachen, sagte der Experte von der Ruhr-Universität Bochum. "Wenn man an der einen Brandmauer anfängt zu überlegen, dann wird man an der anderen Brandmauer auch diskutieren müssen."

Die Landtagswahl in Thüringen hatte am Sonntag eine Patt-Situation hervorgebracht. Die einzige Hoffnung auf eine politisch machbare Mehrheit schien zunächst eine Koalition aus CDU, BSW und SPD, doch im Laufe des Abends reichte es dafür nicht mehr. Demnach ist keine Koalition ohne Mitwirkung der AfD oder der Linken von Ministerpräsident Bodo Ramelow möglich. Allerdings verbietet der CDU ein Unvereinbarkeitsbeschluss jeweils eine Koalition mit der einen oder der anderen Partei.

Sachsens Ministerpräsident Kretschmer ist optimistisch, dass er eine neue Regierung zusammenstellen kann. Thüringens AfD-Spitzenkandidat Höcke verfehlt sein Direktmandat.