Sahra Wagenknecht streckt auf der Wahlparty des BSW in Thüringen einen Blumenstrauß in die Höhe.
analyse

Wahlerfolge für das BSW Das Zünglein an der Waage

Stand: 02.09.2024 05:31 Uhr

Erst im Januar gegründet, gelingt dem BSW in Thüringen und Sachsen der Einzug in den Landtag - und vielleicht in die Landesregierungen. Ein Erfolg, den sich vor allem Gründerin Sahra Wagenknecht zuschreiben kann.

Eine Analyse von Bianca Schwarz, ARD Berlin

Am Wahlabend steht eine strahlende Parteigründerin vor Kameras und Mikrofonen: Sahra Wagenknecht bekommt an diesem Abend endlich Recht. Nachdem sie ihre ehemalige Partei Die Linke über Jahre hinweg mit interner Kritik dermaßen geschwächt hat, dass man der Linkspartei am Ende fast wünschte, ihr prominentes Zugpferd möge endlich austreten, ist Wagenknechts neue Partei nun der strahlende Stern am Himmel.

Erst im Januar wurde das Bündnis Sahra Wagenknecht offiziell gegründet. Am ersten September wird klar: Obwohl die Partei nur wenige Mitglieder, kein wirkliches Parteiprogramm und kaum Mitgestaltungsmöglichkeiten für ihre Anhänger hat, ist sie drin. Zweistellig zieht das BSW in beide Landtage ein.

Wagenknechts ehemalige Partei Die Linke hat das Nachsehen, sie verliert in großem Umfang Stimmen an das BSW. In Thüringen bleibt sie wegen des beliebten ehemaligen Ministerpräsidenten Bodo Ramelow zwar zweistellig, aber in Sachsen scheitert sie an der Fünf-Prozent-Hürde und kommt nur noch über zwei Direktmandate in den Landtag. Um solche Kleinigkeiten muss sich Wagenknecht keine Sorgen machen.

Der absurdeste Landtagswahlkampf

Dabei hat das Bündnis Sahra Wagenknecht sicherlich den absurdesten Wahlkampf hingelegt. In beiden Bundesländern plakatiert das BSW großflächig Parteigründerin Wagenknecht, obwohl die weder in Thüringen noch in Sachsen selbst antritt.

In Thüringen heißt die Spitzenkandidatin Katja Wolf, als ehemalige Oberbürgermeisterin von Eisenach ist sie nur für wenige ein bekanntes Gesicht. Die Spitzenkandidatin in Sachsen ist Sabine Zimmermann, sie hat bisher keine große Rolle auf dem politischen Parkett gespielt, aber das ist eigentlich auch egal. Denn beide Spitzenkandidatinnen äußern im Vorfeld großes Verständnis dafür, dass man bei einer neuen Partei mit dem Zugpferd Wahlkampf macht. Auch wenn das Zugpferd Wagenknecht im Wahlkampf fast nur über Bundes- und internationale Politik spricht.

Frieden, Waffen und Putin

Wagenknecht punktet vor allem mit zwei Themen: Sie stehe für Frieden und für eine kontrollierte Zuwanderung. Sei sei gegen Waffenlieferungen an die Ukraine, gegen die Stationierung US-amerikanischer Langstreckenraketen in Deutschland und gegen weitere irreguläre Migration. Immer wieder fordert sie Friedensverhandlungen mit Russlands Präsident Wladimir Putin. Dass dieser nicht verhandeln will, wischt sie weg.

Und obwohl keines dieser Themen auf Landesebene entschieden wird, geben viele Menschen ihr genau deswegen ihre Stimme. Jahrelang hat Wagenknecht ihre Positionen in Talkshows vertreten, was ihr besonders im Osten zu großer Glaubwürdigkeit verholfen hat. Obwohl - oder vielleicht auch weil - einige dieser Positionen deckungsgleich sind mit dem Programm der AfD, bezeichnet sie sich immer wieder als "seriöse Alternative" zur vermeintlichen Alternative für Deutschland.

Die Königsmacherin

Schon Wochen vor den Landtagswahlen formuliert Wagenknecht immer neue Forderungen an einen künftigen Koalitionspartner. Ihr ist klar, dass ihr BSW das Zünglein an der Waage sein könnte - und genau so ist es nun gekommen. Immer vorausgesetzt, die "Brandmauer" der CDU und der übrigen Parteien zur AfD bleibt bestehen und sie schließen die Blauen weiter von einer Regierungsbeteiligung aus, muss mit dem BSW geredet werden.

Wenige Monate nach der Gründung könnte die neue Partei also nicht nur an zwei Landesparlamenten, sondern sogar an zwei Landesregierungen beteiligt werden. Besser konnte das Jahr für Sahra Wagenknecht nicht laufen - bis jetzt. Ihren Realitätscheck hat sie noch vor sich.