Zeitungen liegen auf einem Tisch (Archivbild)

Pressestimmen zu den Landtagswahlen "Sieg für Putin" und "rabenschwarzer Wahltag"

Stand: 02.09.2024 11:20 Uhr

Auch international schlagen in Medien die Erfolge von AfD und BSW hohe Wellen. In den Meinungsspalten wird der Wahlausgang vielfach als innere Bedrohung für die EU interpretiert - aber auch als Abrechnung mit den Regierungsparteien.

Die britische Financial Times kommentiert die Wahlergebnisse in Thüringen und Sachsen als Ausdruck der wachsenden Frustration in Ostdeutschland über die Bundesregierung. Viele Menschen würde diese "mit hoher Inflation, wirtschaftlicher Stagnation, steigenden Energiekosten und ständigen internen Streitigkeiten" in Verbindung bringen.

Die Wahlen zeigten, dass immer mehr Wähler die politischen Parteien der Mitte zugunsten populistischer Kräfte am linken und rechten Rand verlassen. 34 Jahre nach der Wiedervereinigung habe sich gezeigt, dass "eine Mehrheit der Menschen in zwei Regionen des ehemals kommunistischen Ostens des Landes enttäuscht ist von den etablierten Parteien der Mitte und frustriert ist von der Art und Weise, wie Deutschland regiert wird."

"AfD-Erfolg wirft beunruhigende Fragen auf"

Der ebenfalls britische Guardian stellt fest, dass die Vision des ehemaligen Bundeskanzlers Willy Brandt, nach der Wiedervereinigung würde "zusammenwachsen, was zusammengehört", 35 Jahre später allzu optimistisch erscheint. Die Wahlergebnisse zeigten vielmehr, dass Deutschlands östliche und westliche Regionen immer weiter auseinanderdriften.

Die rechtsextreme, einwanderungsfeindliche Alternative für Deutschland reite auf einer populistischen Welle durch Europas größte Volkswirtschaft, schreibt die Zeitung. "Die Etablierung der AfD als dominante regionale Kraft" werfe die "beunruhigende Fragen über die politische Identität Deutschlands auf", und wie der Aufstieg solcher Kräfte in Zukunft eingedämmt werden könne.

El Mundo warnt vor politischem Zusammenbruch

Die spanische Zeitung El Mundo warnt nach den Wahlausgängen vor einem politischen Zusammenbruch in Deutschland - "einem Land, das traditionell an der Spitze der europäischen Wirtschaft steht". Bereits im Vorfeld habe es einen alarmierenden Anstieg extremistischer und einwanderungsfeindlicher Diskurse gegeben.

Diese Entwicklung stelle eine ernsthafte Bedrohung für das europäische Projekt dar. "Das schwache Abschneiden der Sozialdemokratie und die Kehrtwende der CDU in der Einwanderungspolitik" markiere einen Paradigmenwechsel, der sich auf alle EU-Länder auswirke.

Die größte Herausforderung für die westlichen Demokratien bestehe nun darin, sich mit denjenigen auseinanderzusetzen, die die Zuwanderung instrumentalisieren, ohne dabei in vereinfachende Positionen zu verfallen.

"Der Keim des Putinismus wächst"

Die italienische Tageszeitung La Repubblica sieht in den Wahlergebnissen einen besorgniserregenden Sieg für Russlands Präsidenten Wladimir Putin, der Europas Demokratien bedrohe. Der "Keim des Putinismus" wachse auch in Ländern mit soliden demokratischen Traditionen wie Deutschland aus, schreibt die Zeitung.

Die Erfolge der rechtsextremen AfD und der Linken in diesen Regionen zeigten, dass Russland nun "Wortführer im Herzen Europas" habe. Sie seien zusammen mit dem Rassemblement National in Frankreich oder der Lega in Italien Putins "Vorposten in der EU". Die Zeitung warnt, dass die Verantwortungslosigkeit gegenüber dem Krieg in der Ukraine von diesen Parteien durch ein "scheinbares Streben nach Frieden" kaschiert werde.

"Ansehen der Ampel im freien Fall"

Die Neue Zürcher Zeitung aus der Schweiz bezeichnet die Wahlniederlage für die Regierungsparteien SPD, Grüne und FDP als Debakel. Das Ansehen des Kabinetts von Kanzler Olaf Scholz befinde sich im "freien Fall". Der Triumph der AfD belege, dass sich viele Wähler von Warnungen vor der Partei nicht beeindrucken ließen.

Eine Politik, die die Bedürfnisse der Mitte ignoriere, dürfe sich nicht darüber wundern, wenn die Ränder erstarken. Von der "Brandmauer" könne "jene Partei am stärksten profitieren, deretwegen diese errichtet wurde".

"Ein rabenschwarzer Wahltag für die SPD"

Auch der schweizer Tages-Anzeiger kommentiert den Ausgang der Landtagswahlen. Die Zeitung stellt fest, dass es der AfD und dem Bündnis Sahra Wagenknecht gelungen sei, "den Unmut über die Regierung in Berlin auf ihre Mühlen zu lenken". Das sei ihnen besser gelungen als der CDU - der wichtigsten Oppositionspartei in Deutschland.

Dennoch gehöre die CDU zu den Siegern. Als die "letzte Partei der breiten Mitte" könne diese in Thüringen und Sachsen noch Regierungen bilden. Für die SPD dagegen sei der Wahltag "rabenschwarz" ausgefallen. Sollte sich dieser Trend in drei Wochen auch in Brandenburg fortsetzen, wäre eine parteiinterne Revolte gegen Kanzler Scholz nicht mehr auszuschließen.

"Alarmzeichen für die Demokratie"

Auch US-Medien beschäftigt der gestrige Wahlausgang. Die New York Times titelt: "Ostdeutsche tendieren zu Extremen in Landtagswahlen" und spricht von einem Alarmzeichen für die Gesundheit der deutschen Demokratie. Zum ersten Mal seit der Nazi-Zeit hätte eine Rechtsaußen-Partei eine Landtagswahl gewonnen.

Der Wahlausgang werde das Dilemma verschärfen, ob und wie die Mainstream-Parteien die Extremisten isolieren und sie von einer Regierungsbeteiligung abhalten können.

"Politisches Erdbeben"

Das konservative Wall Street Journal spricht - unter der Schlagzeile "Rechtsaußen erzielt historischen Sieg bei ostdeutschen Wahlen" - von einer neuerlichen Peinlichkeit für die Regierung von Bundeskanzler Olaf Scholz.

Der AfD-Sieg habe ein politisches Erdbeben ausgelöst und sei ein Meilenstein für einen Kontinent, auf dem die Parteien der Mitte zusehends in der Defensive seien.

Washington Post sieht viel Potenzial für BSW

Die linksliberale Washington Post weist darauf hin, dass die AfD in mehreren deutschen Bundesländern als extremistische Vereinigung eingestuft ist. Und dass es der Partei gelungen ist, tief sitzende Tabus der nationalistischen Politik zu überwinden.

Das Bündnis Sahra Wagenknecht bezeichnet die Zeitung als "pro-russische Populisten Partei der extremen Linken". Es habe das Potenzial, bei der Bundestagswahl im kommenden Jahr Wähler aus dem gesamten politischen Spektrum abzuschöpfen.

Der rechtslastige Fernsehsender Fox News sieht den AfD-Erfolg in Sachsen und in Thüringen als Teil eines gesamt-europäischen Trends. In Frankreich sei es Präsident Emmanuel Macron dieses Jahr nur knapp gelungen, einen Rechtsruck im Parlament zu verhindern.

In Deutschland hänge der tatsächliche Einfluss der AfD jetzt davon ab, inwieweit die Parteien der Mitte bereit sind, mit ihr zusammen zu arbeiten.

"Lackmus-Test für Scholz"

Und CNN schließlich spricht von einem Knirschen der Berliner Koalition unter Kanzler Scholz, wegen interner Streitigkeiten, politischer Uneinigkeit und dem Vorwurf, nicht länger die Werte, für die sie gewählt wurde, zu verkörpern. Die Wahlergebnisse von Sachsen und Thüringen seien ein Lackmus-Test für Scholz.

Mit Informationen von Sebastian Hesse, ARD-Studio Washington