Gipfel in Brüssel EU sichert Ukraine neue Hilfen zu
Auch im zweiten Kriegswinter will die EU fest an der Seite der Ukraine stehen. Beim Gipfel in Brüssel einigten sich die Staaten auf weitere Militärhilfe. Ein 50-Milliarden-Hilfspaket scheiterte jedoch am Widerstand zweier Mitglieder.
Die EU hat der Ukraine unverbrüchliche Solidarität zugesichert. Angesichts des bevorstehenden zweiten Kriegswinters haben die Staats- und Regierungschefs dem Land weitere Waffen- und Munitionslieferungen zugesichert. Zudem versprechen sie die Lieferung zusätzlicher Stromgeneratoren und mobiler Heizstationen sowie stärkere Anstrengungen zur Zwangsbeteiligung Russlands an der Beseitigung von Kriegsschäden.
Die Europäische Union werde der Ukraine und ihrer Bevölkerung so lange wie nötig entschiedene finanzielle, wirtschaftliche, humanitäre, militärische und diplomatische Hilfe leisten, heißt es in der verabschiedeten Erklärung der Staats- und Regierungschefs. Besonders intensiv soll demnach an der schnellen Bereitstellung von Raketen und Munition sowie Flugabwehrsystemen zum Schutz der Bevölkerung und der kritischen Infrastruktur gearbeitet werden.
Ungarn und Slowakei gegen Milliarden-Paket für Kiew
Auf ein neues Finanzhilfepaket in Höhe von 50 Milliarden Euro konnten sich die Länder nicht einigen. Die Slowakei und Ungarn stellten sich gegen den Vorschlag. Der neue slowakische Regierungschef Robert Fico forderte Garantien gegen den Missbrauch der Mittel. Auch der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban begründete seine Ablehnung nach Angaben von Diplomaten mit angeblicher Unklarheit darüber, ob die bisherigen Hilfen vernünftig verwendet wurden.
EU-Partner halten es jedoch für wahrscheinlich, dass es Orban eigentlich darum geht, mehr als 13 Milliarden Euro an eingefrorenen EU-Fördermitteln für sein Land freizupressen.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte das Paket Ende Juni als Reserve für die Ukraine für die kommenden vier Jahre vorgeschlagen. Davon sind 17 Milliarden Euro als direkte Zuschüsse aus dem EU-Haushalt vorgesehen sowie weitere 33 Milliarden als Kredite. Die Mitgliedsländer müssten den bis 2027 geltenden Budget-Finanzrahmen dafür nach Darstellung der Kommissionschefin massiv aufstocken.
Gespräche zu Sicherheitszusagen
Neben dem 50-Milliarden-Euro-Paket hat der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell längerfristige Finanzierungszusagen für Militärhilfen ins Spiel gebracht. Er forderte die Staats- und Regierungschefs auf, bis zum nächsten Gipfel im Dezember mit der Ukraine Gespräche zu solchen Sicherheitszusagen zu führen. Mit EU-Geld könne etwa auch die Lieferung moderner Kampfjets und Raketen unterstützt werden, sagte Borrell. Konkret will er von 2024 bis Ende 2027 jährlich fünf Milliarden Euro für Militärhilfen mobilisieren, die zusätzlich zu den vorgeschlagenen 50 Milliarden Euro an Budgethilfen kommen sollen.
Zudem erwägt er der Regierung in Kiew eine deutliche Ausweitung des militärischen Ausbildungsprogramms für die ukrainischen Streitkräfte zuzusichern. Wenn die Umstände es zulassen, könnte demnach sogar eine schrittweise Verlagerung der Trainingsaktivitäten in die Ukraine in Betracht gezogen werden.
Russische Gelder sollen Wiederaufbau finanzieren
Auch der Wiederaufbau der Ukraine nach dem Krieg war Thema auf dem Gipfel in Brüssel. Einnahmen aus der Verwaltung eingefrorener russischer Vermögen sollen zum Wiederaufbau verwendet werden - so weit dies im Einklang mit geltenden vertraglichen Verpflichtungen sowie mit EU- und Völkerrecht möglich ist.
Die Staats- und Regierungschefs forderten Borrell und die EU-Kommission dazu auf, Arbeiten an entsprechenden Vorschlägen zu einer Zwangsbeteiligung Russlands zu beschleunigen.
Schwierige Verhandlungen stehen bevor
Für den Bereich Migration sowie für die Bewältigung von Naturkatastrophen und den Ausbau grüner Technologien sind weitere Milliarden vorgesehen. Insgesamt veranschlagt von der Leyen die Zusatzmittel auf 66 Milliarden Euro bis 2027. Das Europaparlament fordert sogar 76 Milliarden Euro zusätzlich von den Mitgliedsländern.
Diplomaten rechnen bis Dezember mit äußerst schwierigen Verhandlungen. Nettozahler wie Deutschland, Schweden, Dänemark oder die Niederlande dringen darauf, bereits zugesagte Mittel umzuverteilen, bevor Brüssel neues Geld fordert. Bundeskanzler Olaf Scholz hatte zu Gipfelbeginn eine "Umpriorisierung von Ausgabeprogrammen aus dem europäischen Haushalt" verlangt. Länder wie Slowenien, Bulgarien und Estland fordern dagegen wie die EU-Kommission, den mehrjährigen Finanzrahmen aufzustocken.
Slowenien und andere Länder verlangen mehr Geld, um mit den hohen Zahlen ankommender Migranten umzugehen. Estland betonte zudem die Notwendigkeit höherer Militärausgaben. Beides Themen, über die frühestens beim nächsten EU-Gipfel entschieden werden.
Zähes Ringen um Erklärung zu Nahost-Krieg
Nach zähen Gesprächen hatten die 27 Staats- und Regierungschefs sich am Donnerstagabend auf eine gemeinsame Erklärung zum Krieg in Nahost verständigt. Sie sprachen sich darin unter anderem für "Korridore und Pausen für humanitäre Zwecke" aus, um Zivilisten im Gazastreifen zu helfen.
Besonders Deutschland und Österreich hatten sich dagegen gewehrt, Israel zu einer Waffenruhe aufzurufen, um das Selbstverteidigungsrecht nicht infrage zu stellen. Heute startete ein neuer EU-Hilfsflug mit mehr als 50 Tonnen Arzneimitteln und anderen Gütern in die Region. Sie sollen von Ägypten aus an Bedürftige im Gazastreifen verteilt werden, wie die EU-Kommission mitteilte. Fünf weitere Flüge sollen folgen.