Treffen in Brüssel EU einig bei Ukraine-Hilfen und Israel-Kurs
Beim ersten Tag des EU-Gipfels gab es eine Einigung zur Finanzierung neuer Ukraine-Hilfen und eine klare Forderung an Israel. Heute steht ein weiteres Großprojekt auf der Agenda.
Vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine steht bei diesem EU-Gipfel die Frage im Raum, wie Europa künftig seine Verteidigung aufstellen kann. Einig ist man sich, dass die Abschreckung potenzieller Angriffe viel Geld kosten wird.
Doch scheiden sich die Geister, woher die Mittel kommen sollen. Die von Frankreich und Spanien favorisierte Idee, dass sich die EU gemeinsam verschuldet, ähnlich wie beim Kampf gegen die Folgen der Corona-Pandemie, wird nicht nur von Deutschland skeptisch gesehen. Erstmal habe Vorrang, die militärische Hilfe für die Ukraine aufzustocken.
Gewinne aus russischem Vermögen für die Ukraine
Und da habe man bei diesem Gipfel wieder einige sehr wichtige Entscheidungen getroffen, sagte Ratspräsident Charles Michel bei einer nächtlichen Pressekonferenz: "Vor allem werden wir jetzt schnell ermöglichen, Gewinne aus dem in der EU eingefrorenen russischen Vermögen abzuschöpfen. Und mit einem Teil des Geldes werden wir der Ukraine helfen, auch mit militärischer Ausrüstung."
Die Rede ist von drei Milliarden Euro jährlich. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte allerdings am Donnerstag in einer Videoansprache die in Brüssel versammelten Gipfelteilnehmer aufgefordert, das gesamte eingefrorene russische Vermögen, rund 200 Milliarden Euro, zur Unterstützung seines Landes einzusetzen, was von einem Teil der EU-Mitgliedsstaaten jedoch abgelehnt wird.
Klarer Appell an Israel
Überraschend einig war man sich beim zweiten großen Konflikt der Gegenwart. So wird Israel zu einer sofortigen Feuerpause im Gazastreifen aufgefordert. Zuvor hatte man sich lange mit UN-Generalsekretär António Guterres ausgetauscht, der als Gast an dem Treffen teilnahm.
Es gelte, einen Völkermord im Gazastreifen zu verhindern, sagte Guterres. So wie die Terrorattacke der Hamas vom 7. Oktober anzuprangern sei, müsse man auch verurteilen, dass die Zahl der zivilen Opfer in Gaza eine Größenordnung erreicht habe, wie er es in seiner Zeit als UN-Generalsekretär noch nicht erlebte habe.
Beitrittsverhandlungen mit Bosnien und Herzegowina
Ein bemerkenswertes Ergebnis dieses Gipfels ist auch, dass die EU Beitrittsverhandlungen mit Bosnien und Herzegowina eröffnet. Die Zukunft der Balkanrepublik liegt in der Union. Das sei die Botschaft, sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen: "Ich begrüße die historische Entscheidung, die EU-Beitrittsverhandlungen mit Bosnien und Herzegowina aufzunehmen." Das Land habe beeindruckende Schritte in Richtung EU gemacht, "und in einem Jahr mehr erreicht als zuvor in einem Jahrzehnt. Und ich hoffe, dass die heutige Entscheidung zu weiteren Fortschritten führt."
Davon hängt dann auch ab, wann die Beitrittsverhandlungen tatsächlich beginnen werden. So war man im vergangenen Dezember auch mit der Ukraine und Moldau verfahren.
Bewegung im Bemühen um Bankenunion
Am zweiten Tag des EU-Gipfels steht heute ein Treffen der Eurozone auf dem Programm, an dem diesmal alle 27 Staats- und Regierungschefs teilnehmen werden. Unter anderem wird dabei die Präsidentin der Europäischen Zentralbank, Christine Lagarde, die finanzpolitische Lage in Europa bewerten.
Außerdem geht es um einen Fahrplan, um bei der Banken- und Kapitalmarktunion voranzukommen. Vor allem Frankreich macht hier seit Jahren Druck, und es hat den Anschein, dass die bisher eher zögerliche Bundesregierung sich anschließt, wie Bundeskanzler Olaf Scholz am Rande des Gipfels erkennen ließ: "Ich will hier ganz klar sagen, das wichtigste Defizit in der Wettbewerbsfähigkeit Europas ist die fehlende Kapitalmarktunion, die fehlende Bankenunion. Ich möchte, dass wir da substanzielle Fortschritte machen in der nächsten Periode."
So soll nach den Europawahlen im Juni die neue EU-Kommission konkrete Arbeitsaufträge bekommen. Ziel ist es, die Banken krisenfester zu machen und gleichzeitig mehr privates Kapital beispielsweise für das Erreichen der Klimaziele zu mobilisieren.