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Sanktionen gegen Russland Wie Oligarchen ihr Vermögen schützen

Stand: 11.04.2022 18:01 Uhr

Deutsche Behörden wollen Vermögen russischer Oligarchen einfrieren - müssen diese aber erst finden. Das Journalistenkonsortium ICIJ zeigt mit Daten aus den Pandora Papers, wie die Anteile in Steueroasen geparkt wurden.

Von Petra Blum, WDR, sowie Catharina Felke und Benedikt Strunz, NDR

Die vertraulichen Daten enthüllen die wahren Eigentümer hinter hunderten Briefkastenfirmen. Die nun in einer Datenbank veröffentlichten Unterlagen geben Aufschluss über die Offshore-Geschäfte von mehr als 800 russischen Staatsbürgern, unter ihnen befinden sich auch zahlreiche Oligarchen und mehr als 42 Milliardäre, die ihr Vermögen in Steueroasen geparkt haben.

Elf dieser Milliardäre sind bereits auf internationalen Sanktionslisten zu finden. Die Daten sind Teil der Pandora Papers, ein sehr großes Datenleck aus Schattenfinanzplätzen. Das Internationale Consortium für Investigative Journalistinnen und Journalisten (ICIJ) hatte die Pandora Papers gemeinsam mit zahlreichen Medienorganisationen auf der ganzen Welt ausgewertet und die Ergebnisse im vergangenen Herbst veröffentlicht. In Deutschland waren Journalistinnen und Journalisten von NDR, WDR und "Süddeutscher Zeitung" (SZ) an den Recherchen beteiligt.

Eilige Besitzerwechsel

"Die Oligarchen wissen sehr wohl, dass sie durch Sanktionen gefährdet sind, und haben Maßnahmen ergriffen, um sicherzustellen, dass die Identifizierung ihrer Vermögenswerte so schwierig wie möglich ist", sagt Tom Keatinge, Direktor des Centre for Financial Crime and Security Studies in London. "Wenn die Regierungen nicht auch die Stellvertreter und Briefkastenfirmen ins Visier nehmen, die diese Eliten unterstützen, sind die Sanktionen nichts wert."

Einer, der in dem nun veröffentlichten Datensatz auftaucht, ist der russische Oligarch und Großunternehmer Alexei Mordaschow. Er ist unter anderem Hauptaktionär eines russischen Goldminenbetreibers und gilt - mit einem Vermögen in Höhe von mehr als 20 Milliarden Euro - als einer der reichsten Russen überhaupt.

Zudem hielt der Unternehmer lange Zeit mehr als 30 Prozent der Aktien des deutschen Touristik-Konzerns TUI. Als am 28. Februar die Sanktionen gegen Mordaschow beschlossen wurden, wechselten Mordaschow-Aktien rasch den Besitzer. Sie werden nun von Mordaschows Holding-Firma Unifirm gehalten.

Logo der Pandora Papers
"Pandora Papers"
Die "Pandora Papers" sind ein riesiges Datenleck aus der Welt der Schattenfinanzplätze. Die Daten geben Aufschluss über die wahren Eigentümer von mehr als 27.000 Offshore-Firmen. In den Daten finden sich Politikerinnen und Politiker, Superreiche, Oligarchen, Kriminelle und Prominente. Die 11,9 Millionen vertraulichen Unterlagen umfassen Gründungsurkunden von Briefkastenfirmen und Trusts, E-Mails, Abrechnungen und andere Dokumente.

Die Daten wurden in einer geheimen Recherche von mehr als 600 JournalistInnen und Journalisten aus 117 Ländern ausgewertet. Beteiligt waren Medien wie die "Washington Post", die BBC, Radio France, der ORF, "El País" und "Aftenposten". In Deutschland recherchierten Journalistinnen und Journalisten von NDR, WDR und SZ an dem Datenleck.

Der Datensatz wurde dem Internationalen Konsortium für Investigative Journalistinnen und Journalisten (ICIJ) von einer anonymen Quelle zugespielt. Das ICIJ teilte die Daten mit den Partnermedien und koordinierte die Recherchen. Das ICIJ leitete bereits globale Recherchen zu Schattenfinanzplätzen, darunter die "Panama Papers", die "Paradise Papers" und die "Luxemburg Leaks".

Die vertraulichen Unterlagen stammen von 14 Offshore-Providern, also von Firmen, die ihren Kunden dabei helfen, Briefkastenfirmen, Trusts etc. aufzubauen. Häufig werden Briefkastenfirmen rechtlich in Ländern angesiedelt, die international durch eine schwache Geldwäschekontrolle, intransparentes Finanzgebaren und durch besonders niedrige Steuersätze auffallen.     

Der Besitz von einer Briefkastenfirma ist nicht illegal. Offshore-Firmen können auch zu legalen Zwecken genutzt werden. Häufig dienen derartige Firmen-Konstrukte aber der Geldwäsche, der Steuerhinterziehung oder der Steuergestaltung.

Lebensgefährtin übernimmt Anteile

Kurzerhand wurde die Unifirm allerdings an einen neuen Eigentümer weitergereicht, an die Ondero Limited, eine Briefkastenfirma registriert auf den Britischen Jungferninseln. Wem Ondero nun gehören könnte war zwei Wochen lang Gegenstand von Spekulation, denn: Wem Firmen auf den Jungferninseln gehören, lässt sich - selbst für Strafermittler - nicht so einfach herausfinden.

Alexei Mordaschow

Der russische Oligarch Mordaschow gilt als einer der reichsten Russen überhaupt.

Ein Mehrheitseigentümer von Ondero hätte sich allerdings zu erkennen geben müssen, so will es das deutsche Wertpapiergesetz. Wochenlang meldete sich offiziell niemand. Die Pandora Papers enthüllen allerdings, wer hinter der Briefkastenfirma steckt: Marina Mordaschowa, die Lebensgefährtin von Alexei Mordaschow und Mutter seiner drei Kinder.

Mögliche Ermittlungen gegen Mordaschow

Als das ICIJ und WDR, NDR sowie SZ eine Anfrage an Mordaschow stellten und nach der Rolle Mordaschowas bei Ondero fragten, wurde die Lebenspartnerin des Oligarchen plötzlich dem deutschen Reisekonzern TUI und den deutschen Behörden als neue Eigentümerin - und damit als bedeutende Aktionärin von TUI - gemeldet.

Die Staatsanwaltschaft Hannover prüft Ermittlungen wegen des Verdachts der Umgehung von EU-Sanktionen. Mordaschow ließ auf Anfrage mitteilen, dass er alle seine Geschäfte immer im Einklang mit den geltenden Gesetzen durchgeführt habe.

Oligarch an größtem deutschen Gasproduzent beteiligt

Neben Mordaschow hält auch der russische Oligarch Mikhail Fridman Anteile an deutschen Unternehmen. Auch er zählt laut Forbes zu den reichsten Russen. Fridmans Holding LetterOne ist zu 33 Prozent an Wintershall Dea beteiligt, dem größten deutschen Gasproduzenten. Die restlichen 67 Prozent gehören dem DAX-Schwergewicht BASF.

Mikhail Fridman

Der Oligarch Fridman hält bedeutende Anteile großer Unternehmen, auch an deutschen Konzernen.

Reich wurde Fridman durch die Gründung des russischen Industrie- und Finanzkonzerns Alfa Group. Fridman ist in der Ukraine geboren und war einer der ersten Oligarchen, die sich klar gegen den russischen Angriffskrieg positionierten. Geholfen hat es ihm allerdings nicht: Die EU sanktionierte ihn wegen seiner "engen Beziehung zu Wladimir Putin."

Trotz Rücktritts weiter Miteigentümer

Seine Alfa Bank soll laut EU von den Entscheidungen des Kreml profitieren: "Wladimir Putin belohnte die Loyalität der Alfa Bank, indem er die Auslandsinvestitionen der Bank unterstützte", heißt es in der offiziellen Begründung der EU für die Sanktionen. Der heute 57-jährige Fridman trat nach in Kraft treten der Sanktionen als Direktor von LetterOne zurück.

Doch laut dem Luxemburger Firmenregister taucht Fridman weiterhin bei mindestens neun Gesellschaften aus der Unternehmensgruppe weiterhin als Miteigentümer auf. Eine dieser Firmen, die LetterOne Investments Holdings, wies 2020 Vermögenswerte in Höhe von mehr als 13 Milliarden Dollar aus. Insgesamt hielt Fridman Anteile an mindestens 67 Firmen in Luxemburg.

Briefkastenfirmen auf Britischen Jungferninseln

Wie die Pandora Papers zeigen, wurden auf den Britischen Jungferninseln für Fridman dutzende Briefkastenfirmen gegründet, etwa um in Immobilien oder Öl zu investieren. Eine der Briefkastenfirmen wies 2016 Vermögenswerte von insgesamt 1,8 Milliarden Dollar auf. Eine andere Firma, an der Fridman beteiligt war, eröffnete ein Konto bei der Privatkundenabteilung der Deutschen Bank in Zürich, auf dem sich im Mai 2018 knapp 15 Millionen Dollar befanden.

Solche Firmen und Konten sind für die EU-Staaten nur sehr schwer zu finden - weder die Schweiz noch die Jungferninseln sind besonders auskunftsfreudig. Fridman sagte auf Anfrage, das Konto bei der Deutschen Bank sei inzwischen geschlossen.

Fridman gab auch zu, dass er weiter wirtschaftlich Begünstigter von LetterOne sei, seine Anteile aber durch die Sanktionen eingefroren seien. Dadurch könne er keine Dividenden mehr beziehen. Das bestätigte LetterOne auf Anfrage und teilte dem ICIJ, WDR, NDR und SZ mit, dass jegliche Kommunikation mit ihm gestoppt worden sei und er keine Kontrolle mehr über die Investmentgruppe habe.

Oligarch fühlt sich unfair behandelt

Gleichzeitig betonte Fridman auf Anfrage, dass er die Sanktionen gegen sich und seine Vermögenswerte als "völlig unfair" erachte, da er in keinster Weise in die russische Politik involviert gewesen sei, keine politischen Fragen mit Wladimir Putin besprochen oder sich je mit ihm persönlich getroffen habe.

Auch Oligarchen brauchen Helfer - etwa, um ihr Vermögen in Steueroasen zu verschieben, Briefkastenfirman zu administrieren oder Eigentümer auszuwechseln. Und auch das zeigen die Pandora Papers Russia: In vielen Fällen war es die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PWC, die russische Oligarchen als Kunden an Land zog. So betreuten die Wirtschaftsprüfer Briefkastenfirmen von Fridman und einen großen Teil des Firmenimperiums "Unifirm" von Mordaschow in Zypern. PWC hat bereits den Rückzug aus Russland angetreten und seine russische Filiale abgestoßen.

Doch die meisten russischen Kunden - Firmenkunden wie auch Oligarchen betreut PWC - in Zypern. Dazu teilte die Firma mit, man sei aktuell in einem Prozess, "existierende Beziehungen zu sanktionierten Personen und Firmen zu beenden."

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die ARD in der Sendung Panorama am 17. März 2022 um 21:45 Uhr.