Brüssel EU-Außenminister beraten über weitere Ukraine-Hilfe
Vor dem Hintergrund des von Russland aufgekündigten Getreideabkommens wollen die EU-Außenminister die Ukraine noch mehr unterstützen - und das nicht nur finanziell. Auch die Türkei ist bei dem Treffen Thema.
Das Aus für das Getreideabkommen, die Bomben auf Odessa, die Drohungen gegen die zivile Schifffahrt: Dass Russlands Präsident Wladimir Putin erneut Hunger als Waffe einsetzt, um seine Gegner unter Druck zu setzen und lästige Exportverbote loszuwerden, stößt in Europa auf scharfe Kritik. Erbärmlich, barbarisch, an Zynismus nicht mehr zu überbieten, hieß es heute zum Auftakt des EU-Außenministertreffens.
"Dass hier Russland einen Riegel vorschiebt und damit die Not von Millionen Menschen verschärft, ist unbegreiflich und widerspricht auch ihrem Narrativ, das sie in Afrika immer wieder propagieren: Dass Europa hier Sanktionen verhängt hätte", sagte Österreichs Chefdiplomat Alexander Schallenberg. "Es gibt keine Sanktionen der EU auf Lebensmittel oder Getreide, das ist alles selbstgebautes Unglück der Russen, und sie lassen das jetzt die Menschen in der Dritten Welt ausbaden."
Weizen über Schienen und Straße transportieren
Um eine weltweite Versorgungskrise zu verhindern oder zumindest abzumildern, will die Europäische Union der Ukraine dabei helfen, ihr Getreide über andere Wege aus dem Land zu bringen. Zum Beispiel könnte zumindest ein Teil des Weizens über Schienen, Straßen, Flüsse und Kanäle zu Häfen in EU-Staaten transportiert und von da aus in alle Welt weiterverschifft werden.
"Hunderttausende Menschen, Millionen brauchen dringend das Getreide aus der Ukraine", sagte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock. "Darum arbeiten wir mit allen Partnern international zusammen, damit das Getreide nicht in den Silos verrottet, sondern zu den Menschen kommt, die es dringend brauchen."
Friedensfonds könnte augestockt werden
Außerdem wird die Ministerrunde heute darüber beraten, welche Sicherheitszusagen die EU der Ukraine machen kann. Die G7, die Gruppe der großen westlichen Industriestaaten, hatte am Rande des NATO-Gipfels in Vilnius in der vergangenen Woche einen entsprechenden Vorschlag gemacht.
Dabei geht es vor allem um langfristige und nachhaltige militärische, wirtschaftliche sowie politische Unterstützung. Das kostet Geld. Im Gespräch ist deshalb, den europäischen Friedensfonds um 20 Milliarden Euro für die nächsten vier Jahre aufzustocken. Laut EU-Chefdiplomat Josep Borrell gibt es in der aktuellen Situation nur eine Lösung: "Nämlich mehr militärische Unterstützung für die Ukraine."
Auch das Verhältnis zur Türkei wird besprochen
Auf deutsche Initiative hin steht auch das Verhältnis zwischen der EU und der Türkei zum ersten Mal seit Monaten wieder auf der Tagesordnung. Das Land sei unter Präsident Recep Tayyip Erdogan zwar ein schwieriger Partner, aber gleichzeitig ein strategisch wichtiger Akteur, mit dem man sich auseinandersetzen müsse, heißt es in Berlin. Schon allein deshalb, weil Erdogan gerade erst wiedergewählt worden ist.
Außerdem gibt es zumindest kleinere Signale, dass sich die Türkei nach Jahren der Konfrontation wieder auf die EU zubewegen will. Zuletzt etwa hatte die Regierung in Ankara ukrainische Kämpfer aus dem Asow-Stahlwerk gegen den Willen Moskaus freigelassen und den Weg für Schweden in die NATO freigemacht.
Beitrittsgespräche seit Jahren auf Eis
Für einen Neustart der Verhandlungen über einen EU-Beitritt der Türkei reicht das aber nicht, darin sind sich die europäischen Außenministerinnen und -minister einig. "Man muss der Türkei auch sagen, dass Menschen, die sich einsetzen für die Menschenrechte, keine Terroristen sind", sagte Luxemburgs Chefdiplomat Jean Asselborn. "Solange solche Menschen in der Türkei im Kerker sind, kann es keinen Millimeter vorangehen."
Die Beitrittsgespräche liegen seit Jahren auf Eis. Die EU wirft der Türkei große Defizite bei der Rechtsstaatlichkeit sowie andauernde Verstöße gegen die Menschenrechte vor. Der Auswärtige Dienst der Europäischen Union soll bis zum Herbst einen Bericht zur aktuellen Lage erstellen und Vorschläge machen, wie der Stillstand überwunden werden kann.