Vor NATO-Gipfel Erdogan gibt Blockade des schwedischen Beitritts auf
Nach monatelangem Widerstand macht der türkische Präsident Erdogan den Weg für Schwedens NATO-Beitritt frei. Erdogan wolle das Beitrittsprotokoll bald dem Parlament vorlegen, sagte Generalsekretär Stoltenberg nach einem Vermittlungsgespräch.
Die Türkei hat laut NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg angekündigt, ihre Blockade des schwedischen Bündnisbeitritts aufzugeben. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan habe bei einem Treffen mit Schwedens Regierungschef Ulf Kristersson zugestimmt, das Beitrittsprotokoll so bald wie möglich dem Parlament vorzulegen, sagte Stoltenberg. Zuvor hatten er, Erdogan und Kristersson sich am Vorabend des NATO-Gipfels in Litauen bei einem Vermittlungsgespräch beraten.
"Schweden wird Vollmitglied der Allianz", erklärte Stoltenberg. Der Frage, wann der Beitritt des Landes vollzogen sein könnte, wich er allerdings aus. Er wiederholte nur, dass es eine klare Zusicherung gebe, die Ratifikationsdokumente dem Parlament zuzuleiten. Im Gegenzug soll Schweden mit der Türkei einen "Sicherheitspakt" geschlossen und darin einen "anhaltenden Kampf gegen den Terrorismus" zugesagt haben. Die NATO wird zudem einen Sonderbeauftragten für Terrorismusbekämpfung einsetzen.
Streit über Umgang mit PKK
Schweden und Finnland hatten im Mai 2022 unter dem Eindruck des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine die Mitgliedschaft in der NATO beantragt. Finnland ist bereits Anfang April zum 31. Mitglied des Bündnisses geworden. Schweden fehlt dagegen nach wie vor die Zustimmung der Türkei und Ungarns, was in erster Linie an der türkischen Blockadehaltung gelegen hat. Ungarn hatte zuletzt erneut beteuert, sich der Aufnahme Schwedens nicht in den Weg stellen zu wollen, sollte die Türkei grünes Licht geben.
Die türkische Führung blockiert den schwedischen Beitritt seit gut einem Jahr. Sie verweist darauf, dass das skandinavische Land nicht ausreichend gegen "Terrororganisationen" vorgehe - dabei geht es ihr vor allem um die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK. Dass Ende Juni erstmals seit Monaten wieder ein Koran bei einer Demonstration in Stockholm angezündet worden war, belastete das Verhältnis zu Ankara zuletzt zusätzlich.
Erdogan mit neuer Forderung
Vor seinem Abflug nach Vilnius hatte Erdogan zudem überraschend eine neue Forderung aufgestellt und die Wiederaufnahme der EU-Beitrittsgespräche zur Bedingung für seine Zustimmung gemacht. "Kommt und öffnet den Weg für die Mitgliedschaft der Türkei in der Europäischen Union. Wenn ihr den Weg für die Türkei ebnet, werden wir den Weg für Schweden ebnen, wie wir es für Finnland getan haben", so der türkische Staatschef.
Nach Angaben von Diplomaten war Erdogans Treffen mit Kristersson und Stoltenberg zwischenzeitlich für Beratungen mit EU-Ratspräsident Charles Michel unterbrochen worden. Michel schrieb nach dem Treffen auf Twitter, die EU und die Türkei wollten ihre Beziehungen "wieder in Schwung bringen". Er habe dazu ein "gutes Treffen" mit Erdogan gehabt.
Die Regierung in Stockholm werde Ankara nun bei der Verbesserung der türkischen Zollverfahren mit der EU helfen, sagte Stoltenberg. Erdogans Regierung könne überdies auf den schwedischen Rückhalt im Bemühen zählen, türkische Staatsbürger von der Visumpflicht für Reisen in die EU zu befreien.
"Ein guter Tag für Schweden"
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock und US-Präsident Joe Biden begrüßten die Entscheidung des türkischen Präsidenten. "Gute Nachrichten aus Vilnius: Der Weg für die Ratifizierung von Schwedens NATO-Mitgliedschaft durch die Türkei ist endlich frei", schrieb Baerbock auf Twitter. "Unsere gemeinsamen Anstrengungen haben sich gelohnt. Zu 32 sind wir alle zusammen sicherer. Herzlichen Glückwunsch, Schweden!"
US-Präsident Joe Biden erklärte, er stehe "bereit, mit Präsident Erdogan und der Türkei zusammenzuarbeiten, um die Verteidigung und Abschreckung im Euroatlantik-Raum zu verstärken. Ich freue mich, Regierungschef Kristersson und Schweden als unseren 32. NATO-Verbündeten zu begrüßen. Und ich danke Generalsekretär Stoltenberg für seine standhafte Führung."
Der schwedische Ministerpräsident Kristersson sagte auf einer Pressekonferenz: "Das ist ein guter Tag für Schweden gewesen." Er sei sehr froh darüber, dass Erdogan, Stoltenberg und er sich auf eine gemeinsame Erklärung einigen konnten, mit der man einen sehr großen Schritt zur formalen Ratifizierung des schwedischen NATO-Beitritts getan habe.
Schon bald nächste Schritte?
In Stockholm hatte man lange Zeit das Ziel ausgegeben, die türkische Blockade bis zum Gipfel in Vilnius lösen zu wollen. Wann genau es nach Erdogans positivem Signal nun so weit ist, ist noch offen. Die nächste Sitzung des türkischen Parlaments ist für Dienstag angesetzt, womit es zumindest theoretisch schon seine Zustimmung geben könnte, während der zweitägige Gipfel in Vilnius läuft. Wenn dann auch das ungarische Parlament zügig ratifiziert, dann könnte Schweden zeitnah offiziell 32. Mitglied der Nato werden.
Die Staats- und Regierungschefs der NATO-Staaten kommen am Dienstag zu einem Gipfel in Vilnius zusammen. Dabei geht es vor allem um stärkere Unterstützung für die Ukraine. Deren Präsident Wolodymyr Selenskyj ist zu dem zweitägigen Treffen eingeladen.