EU-Gipfel zum Brexit Kein Rosinenpicken für May
Die 27 übrigen EU-Staaten haben die Leitlinien für die weiteren Brexit-Verhandlungen festgelegt. Viel mehr als ein Freihandelsabkommen ist für London demnach nicht drin. Premierministerin May sprach dennoch von "Fortschritten".
Die EU hat ihre roten Linien für die Verhandlungen mit Großbritannien über die künftigen Beziehungen nach dem Brexit gezogen. Die Staats- und Regierungschefs der verbleibenden 27 EU-Staaten verabschiedeten bei ihrem Gipfel in Brüssel Leitlinien für die kommenden Gespräche.
Darin lehnen sie ein "Rosinenpicken" Großbritanniens beim Zugang zum EU-Binnenmarkt in bestimmten Wirtschaftsbereichen ab. London wird aber ein "ausgewogenes, ehrgeiziges und weitreichendes Freihandelsabkommen" ohne Zölle auf Waren in Aussicht gestellt.
May hofft auf "beispiellos enge" Partnerschaft
Mit Verabschiedung der Leitlinien werde es in den Verhandlungen "eine neue Dynamik" geben, sagte die britische Premierministerin Theresa May. "Ich glaube, dass wir dies nun im Geiste von Zusammenarbeit, gleichfalls im Geiste von Chancen für die Zukunft angehen." Sie hoffe auf eine beispiellos enge und umfassende Partnerschaft mit der EU. Sie lobte die "erheblichen Fortschritte" bei den Verhandlungen in den vergangenen Tagen.
Der Brexit ist für Ende März 2019 geplant. Danach soll eine Übergangsphase bis Ende 2020 folgen. In dieser Zeit soll Großbritannien Mitglied des EU-Binnenmarktes bleiben, aber in den Entscheidungsgremien kein Stimmrecht mehr haben. Handelsabkommen mit anderen Staaten kann London dann nur nach Genehmigung der EU in Kraft setzen.
In den nächsten Monaten soll nun besprochen werden, wie es ab 2021 weiter geht. Im Oktober soll ein Austrittsabkommen stehen, das schon Eckpunkte für die künftigen Beziehungen enthalten soll. Die EU spricht in ihren Leitlinien von einer "möglichst engen Partnerschaft". Diese soll neben Handel und wirtschaftlicher Zusammenarbeit auch einen gemeinsamen Kampf gegen Terror und internationale Kriminalität umfassen sowie eine Kooperation bei Verteidigung und Außenpolitik.
EU lässt Schlupfloch offen
Die von London gewünschte Einbeziehung von Finanzdienstleistungen wird nicht erwähnt. May sagte dagegen vor kurzem, herkömmliche Modelle könnten nicht funktionieren. Sie wolle die "breiteste und tiefstmögliche Partnerschaft - die mehr Sektoren abdeckt und eine weitergehende Kooperation bedeutet als jedes Freihandelsabkommen heute weltweit".
Sie schlägt vor, dass zumindest einzelne Branchen die EU-Regeln weiter einhalten und damit faktisch eine Brücke zum Binnenmarkt erhalten. Die EU lehnt das ab. Eine Teilnahme am Binnenmarkt nur für einzelne Branchen sei nicht möglich. Die Tiefe der Partnerschaft sei begrenzt durch die britischen Vorgaben, Binnenmarkt und Zollunion zu verlassen. Das werde unweigerlich Reibungsverluste im Handel bringen. Kontrollen seien unausweichlich. Dies werde negative wirtschaftliche Folgen haben, vor allem für Großbritannien.
Sollte London seine Position aber noch einmal überdenken, sei auch die EU dazu bereit, heißt es in den Leitlinien weiter. May ließ in Brüssel kein Wackeln erkennen. Sie sprach erneut davon, man solle "eine starke künftige Wirtschafts- und Sicherheitspartnerschaft" aushandeln.
Zukunft Nordirlands bleibt unklar
Ein weiterer Knackpunkt der Verhandlungen bleibt Irland, das in der mühevoll befriedeten Nachbarschaft zu Nordirland und Großbritannien keine neuen Grenzzäune akzeptieren will. Für eine offene Grenze müsste Nordirland auch nach dem Brexit zum Wirtschaftsraum der EU gehören. Diese sogenannte "Auffang-Lösung" für den Fall, dass es nicht zu einem umfassenden Freihandelsabkommen zwischen Großbritannien und der EU kommt, wäre eine politische Niederlage der Regierung May.
Irlands Ministerpräsident Leo Varadkar sagte, er werde die Brexit-Einigung blockieren, falls keine zufriedenstellende Lösung für die irische Grenze gefunden werde.