Neuer Vorstoß von Corbyn Mit allen Mitteln gegen Johnson
Labour-Chef Corbyn versucht weiterhin, einen No-Deal-Brexit zu verhindern - und selbst an die Macht zu kommen. Heute trifft er sich dafür mit Abgeordneten anderer Parteien.
Von Jens-Peter Marquardt, ARD-Studio London
Wenn die Abgeordneten in der nächsten Woche aus der Sommerpause zurückkehren, will Oppositionsführer Jeremy Corbyn im Unterhaus nicht nur den No-Deal-Brexit stoppen. Der Labour-Chef will auch Premierminister Boris Johnson mit einem Misstrauensvotum stürzen und selbst in die Downing Street einziehen.
Dazu braucht er die Stimmen der anderen Oppositionsparteien. Deshalb trifft Corbyn sich heute mit deren Spitzenvertretern. Er hoffe, dass alle das Misstrauensvotum unterstützen, welches er ins Unterhaus einbringen werde. "Dann wird diese Regierung den No-Deal-Brexit nicht weiter vorantreiben können."
Eine von "Labour angeführte Übergangsregierung wird den Austritt ohne Abkommen mit der EU verhindern und Neuwahlen ausrichten, damit die Bürger dann über die Zukunft des Landes entscheiden können", so der Oppositionsführer.
Nur eine Stimme Mehrheit im Parlament
Corbyn als neuen Übergangsregierungschef installieren, bei der EU eine erneute Verschiebung des Austritts beantragen, eine vorgezogene Neuwahl des Unterhauses und schließlich eine zweite Volksabstimmung über Austritt oder Verbleib des Landes in der EU - das ist der Labour-Plan.
Auf den ersten Blick sind die Erfolgsaussichten gar nicht so schlecht: Johnsons Regierung hat auf dem Papier nur eine Stimme Mehrheit. Und auch einige Abgeordnete der konservativen Regierungsfraktion lehnen sowohl Johnson als auch den No-Deal-Brexit ab.
Zum Beispiel der Waliser Guto Bebb. Eine kurzfristige Corbyn-Regierung werde weniger Schaden anrichten als ein No-Deal-Brexit, sagt der konservative Rebell.
"Corbyn ist dafür nicht die richtige Person"
Doch auf den zweiten Blick hin sind die Erfolgsaussichten für einen Regierungswechsel weniger rosig. Außer Bebb wird kaum ein Konservativer gegen den eigenen Partei- und Regierungschef stimmen, um damit den Alt-Linken Corbyn in die Downing Street zu befördern. Es ist nicht einmal sicher, ob alle Labour-Abgeordneten ihn unterstützen werden.
Die anderen Oppositionsparteien tun sich ebenfalls schwer mit einer von Corbyn geführten Regierung. Als "Unsinn" bezeichnet die neue Chefin der Liberaldemokraten, Jo Swinson, diese Vorstellung: "Wir brauchen jemanden, der das Unterhaus über die Parteigrenzen hinweg zusammenbringen kann. Corbyn ist dafür nicht die richtige Person."
Die Chefin der Liberaldemokraten, Jo Swinson, glaubt nicht, dass Corbyn die Idealbesetzung für eine Übergangsregierung wäre.
Stattdessen bringt Swinson andere Namen ins Spiel: "Ken Clarke oder Harriet Harmann könnten es schaffen, den No-Deal-Brexit zu stoppen." Clarke ist ein altgedienter konservativer Abgeordneter und früherer Minister, der das Land in der EU halten will. Harman ist eine langjährige Labour-Abgeordnete, die über ihre Partei hinaus großes Ansehen genießt.
"Ich finde Jo Swinson extrem bockig"
Doch die Anhänger des Labour-Chefs, wie zum Beispiel Schatten-Handelsminister Barry Gardiner, halten daran fest, dass der nächste Premierminister Corbyn heißen muss: "Ich finde Jo Swinson extrem bockig. Nach einem erfolgreichen Misstrauensvotum ist es nur natürlich, dass die britische Königin den Führer der Opposition eine neue Regierung bilden lässt."
Würde die Queen den Auftrag an eine andere Person vergeben, könnte dies eine Verfassungskrise auslösen und die Monarchie in eine peinliche und schwierige Lage bringen, meint Gardiner.
Johnson kann sich also erst einmal zurücklehnen. Solange die Opposition so zerstritten ist, ist sein Abgang aus der Downing Street nicht wirklich in Sicht.