EU zu Brexit-Vorschlag Abgeblitzt
Der Vorstoß des britischen Premierministers Johnson, den Brexit-Vertrag nochmal aufzuschnüren, ist in Brüssel auf wenig Gegenliebe gestoßen. Auch Kanzlerin Merkel lehnt Johnsons Forderungen ab.
Donald Tusk hatte sich ein paar Stunden Zeit gelassen. Erst am Mittag reagierte der EU-Ratspräsident auf Twitter auf den Brief von Boris Johnson. Der britische Premierminister verlangt darin, die umstrittene "Backstop"-Regel aus dem Scheidungsvertrag mit der EU zu streichen.
Die Antwort von Tusk war kühl und deutlich: Der "Backstop" sei eine Versicherung, um eine harte Grenze auf der irischen Insel so lange zu vermeiden, bis eine Alternative gefunden sei. "Diejenigen die den 'Backstop' ablehnen und keine realistische Alternative vorschlagen, unterstützen, dass wieder eine harte Grenze eingerichtet wird. Auch wenn sie es nicht zugeben", twitterte Tusk.
Johnson hält "Backstop" für undemokratisch
Den "Backstop" hatte die EU noch mit Johnsons Vorgängerin Theresa May ausgehandelt. Er soll garantieren, dass die Grenze zwischen dem EU-Staat Irland und Nordirland nach dem Brexit offen bleibt und es keine Kontrollen gibt. Dafür würde Großbritannien so lange in einer Zollunion mit der EU bleiben, bis ein neuer Handelsvertrag steht.
Johnson allerdings, lehnt diese Notfalllösung ab, da Großbritannien dadurch zunächst weiterhin eng an die EU gebunden bliebe. Der "Backstop" sei undemokratisch und er verletze die Souveränität seines Landes, erklärte Johnson in seinem Brief, mit dem er sich erstmals seit Amtsantritt direkt an die EU-Verantwortlichen wendet.
EU: Brief liefert keine verwertbaren Lösungen
Für die Europäische Union gibt es dagegen keine Alternative zum "Backstop". Er sei die einzige Lösung für die irische Frage, die die EU und Großbritannien bisher gefunden hätten, erklärte die Sprecherin der EU-Kommission, Natasha Berto.
Auch sie richtete deutliche Worte an Johnson: "Der Brief liefert keine rechtlich verwertbaren Lösungen, um eine harte Grenze auf der irischen Insel zu vermeiden." Zudem enthalte er auch keine möglichen alternativen Regelungen."
Um einen geregelten Austritt der Briten aus der EU zu ermöglichen, schlägt Johnson alternative Vereinbarungen vor, die Kontrollen an der Grenze überflüssig machen sollen. Wie diese allerdings konkret aussehen sollen, erklärte er nicht.
Strategische Geduld ist gefragt
Für den Europaabgeordneten David McAllister ist der Brief des britischem Premierministers keine Überraschung. Er gebe ausschließlich bereits bekannte Positionen wieder.
Es gelte, einen ungeordneten Brexit zu vermeiden, darin seien sich alle EU-Mitgliedstaaten einig, sagte McAllister. Die Staats- und Regierungschefs hätten es zwar abgelehnt, den Austrittsvertrag noch einmal für Verhandlungen zu öffnen, so der CDU-Politiker. "Auf der anderen Seite sind wir offen für Gespräche, wenn es um den Rahmen der Erklärung über die zukünftigen Beziehungen zwischen dem Vereinigten Königreich und der Europäischen Union geht." Eine Bewegung im Brexit-Streit ist also weiterhin nicht in Sicht.
Nicolai von Ondarza von der Stiftung Wissenschaft und Politik, beobachtet die Entwicklungen schon lange. Die 27 EU-Staaten bräuchten vor allen Dingen strategische Geduld: "Es ist klar, dass der eigentliche Machtkampf in London stattfindet und zwar zwischen Boris Johnson und dem britischen Parlament, was mehrheitlich einen No-Deal-Brexit ablehnt - und dort werden die entscheidenden parlamentarischen Abstimmungen wahrscheinlich bereits im September stattfinden."
Morgen trifft sich Johnson mit Merkel
Von Ondarza erwartet, dass die verbleibenden 27 EU-Mitgliedsstaaten erst einmal weiterhin auf ihrer Position beharren und abwarten, wie sich die innenpolitische Lage in Großbritannien entwickelt.
Morgen will Johnson in Berlin mit Kanzlerin Angela Merkel und am Donnerstag in Paris mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron reden.
Doch auch Merkel wies die Forderung aus London bereits zurück. Erst wenn eine praktische Regelung vorliege, die sowohl das Karfreitagsabkommen als auch den Binnenmarkt schütze, sei die "Backstop"-Regelung nicht mehr nötig, sagte Merkel. "Wir werden natürlich über praktische Lösungen nachdenken" - und diese könne man auch in kurzer Zeit finden. Die EU sei dazu bereit. "Aber dazu müssen wir das Austrittsabkommen nicht aufmachen."