Flüchtlinge im Tschad Im Sog des Sudan-Krieges
Fast eine Million Menschen sind vor Bürgerkrieg und Genozid in den Tschad geflohen. Das fragile Land in der Sahelzone ächzt unter der Belastung. Auch Deutschland hat ein Interesse daran, den Tschad zu unterstützen.
Jeden Tag kommen hunderte Menschen in den Flüchtlingscamps im Osten des Tschad, an der Grenze zum Sudan an. Dort kommen sie in großen Zeltstädten in karger, staubiger Landschaft unter. Die meisten, die hier leben, sind Frauen und Kinder. Sie sind vor dem Krieg im Sudan geflüchtet. Viele von ihnen haben auf der Flucht Familienmitglieder verloren oder Gewalt erlebt.
"Viele Menschen, mit denen ich gesprochen habe, möchten nicht langfristig in den Flüchtlingscamps im Tschad bleiben, sondern so bald wie möglich zurück nach Hause", sagt Elena Kloppmann von der Hilfsorganisation World Vision im Tschad.
Doch der Krieg zwischen Militär und Miliz tobt seit eineinhalb Jahren, und ein baldiger Frieden ist nicht in Sicht. Hinzu kommt, dass viele Geflüchtete im Ost-Tschad aus der sudanesischen Region Darfur stammen, wo sie Opfer von Gewalt und Vertreibung geworden sind. Für eine Rückkehr müsste sich die Situation in ihrer Heimat grundlegend ändern.
"Pulverfass, das jederzeit explodieren kann"
Der Tschad ist ein riesiger Staat in Zentralafrika, etwa dreimal so groß wie Deutschland. Das Land exportiert zwar Erdöl, doch bei den meisten Menschen kommt von diesen Einnahmen nichts an - vor allem wegen der Macht einiger Eliten und der Korruption im Land.
Die Regierung bietet Flüchtlingen die Möglichkeit, auf dem Staatsgebiet unterzukommen, ist aber finanziell nicht in der Lage, diese Menschen zu versorgen. Ohne die Unterstützung der Vereinten Nationen und von Hilfsorganisationen könnten sudanesische Geflüchtete im Tschad wohl nicht existieren.
Auch die Weltbank spielt eine Rolle und finanziert etwa Lehrergehälter im Tschad, für die der Staat kein Geld hat. "Der Tschad ist ein sehr fragiles Sahelland. Es ist ein potentielles Pulverfass, das jederzeit explodieren kann", sagt Ulf Laessing, Leiter des Regionalprogramms Sahel der Konrad-Adenauer-Stiftung in Mali.
Ressentiments bei Einheimischen
Besonders von Armut betroffen ist der Osten des Landes, wo die vielen Flüchtlinge aus dem Sudan ankommen. Es gibt kaum Schulen, medizinische Versorgung, Strom und fließendes Wasser. Beobachter sagen, dass die Geflüchteten zunächst freundlich aufgenommen worden seien, doch das ändere sich langsam.
Bei manchen Einheimischen käme Neid auf, weil sudanesische Flüchtlinge in den Camps besser versorgt würden als sie selbst von ihrem Staat. Verteilungskämpfe um Land, Wasser und Holz würden zunehmen. Zudem seien die Preise für Lebensmittel im Ost-Tschad durch den Zuzug der vielen Flüchtlinge drastisch gestiegen. Eine Tüte Milch koste nun etwa vier Mal mehr als vor dem Krieg im Sudan.
Zudem macht dem Tschad der Klimawandel zu schaffen. Fast zwei Millionen Menschen im Land sind seit mehreren Monaten von heftigen Überschwemmungen betroffen. Viele haben ihre Häuser oder ihre Ernte verloren. Der Klimawandel zeigt sich vor allem durch Wetterextreme - Dürren und Überschwemmungen.
Verhältnis zu Frankreich verschlechtert sich
Tschad hat als ehemalige französische Kolonie traditionell eine besondere Beziehung zu Frankreich. Seit 1960 ist das Land unabhängig - und seit einigen Jahren ist deutlich spürbar, dass der Kontakt nach Paris bröckelt.
"Präsident Mahamat Déby wendet sich von Frankreich ab, weil er Präsident Macron nicht traut. Denn Macron hat schon einmal seine Machtübernahme in Frage gestellt", sagt Laessing von der Konrad-Adenauer-Stiftung. Präsident Déby sei sich daher nicht sicher, ob Frankreich an seiner Seite stehen werde, wenn es eine neue Rebellion geben sollte.
Denn die politische Lage im Tschad ist zerbrechlich: Das Land wird immer wieder von Umstürzen, Militärputschen und Rebellionen erschüttert. Aus diesem Grund ist Präsident Déby sehr an Sicherheit und Stabilität interessiert - für das Land und für sich selbst.
Putin umwirbt den Tschad
Einen neuen Partner hat er in Russland gefunden. Dessen Präsident Wladimir Putin umwirbt den letzten Verbündeten des Westens in der Sahelzone und will seine Expansion in Afrika auch auf den Tschad ausweiten. Mit den Militärregierungen von Mali, Niger und Burkina Faso arbeitet die russische Regierung bereits zusammen. In allen drei Ländern sind russische Söldner aktiv.
Doch nicht nur Russland ist ein neuer Verbündeter des Tschad. Auch mit den Vereinigten Arabischen Emiraten unterhält Déby enge Kontakte. Es geht um Geld und Schutz. Aber auch um Drohnen, an denen der Tschad interessiert ist. Mit Blick auf den Sudan-Krieg ist diese Beziehung nicht ungefährlich: Denn die Vereinigten Arabischen Emirate werden wiederholt beschuldigt, über den Tschad Waffen in den Sudan zu liefern, um dort arabische Milizen zu unterstützen.
Deutschlands Interesse an der Region
Auch Deutschland hat ein Interesse am Tschad. Es geht darum, dass das Land stabil bleibt und sich nicht nur den Arabischen Emiraten und Russland zuwendet, sondern auch gute Kontakte zum Westen hält. Da Frankreich im Tschad an politischer Bedeutung verloren hat, kommt Deutschland hier eine neue Rolle zu.
Für Deutschland ist es dabei wichtig, dass die vielen sudanesischen Flüchtlinge gut im Tschad untergebracht sind und dort eine Perspektive erhalten, damit sich weniger von ihnen über Niger oder Libyen auf den Weg nach Europa machen.
Aus diesem Grund wird Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze von heute an vier Tage lang Teile des Tschad bereisen, sich mit Vertretern der Regierung und von Organisationen treffen, über zusätzliche Finanzhilfen sprechen und sich vor Ort ein Bild machen. Dort, wo die meisten Flüchtlinge im Tschad ankommen - an der Grenze zum Sudan.