Parlamentswahl Wachablösung in Namibia?
Namibias Regierungspartei SWAPO hat den Nimbus der Befreiungsbewegung verbraucht. Zu viele Probleme belasten ihre Bilanz. Vor der Parlamentswahl macht sich bei der SWAPO Nervosität breit.
Südafrika, Botswana, Mauritius: In vielen Ländern des südlichen Afrikas haben die Wählerinnen und Wähler den langjährigen Regierungsparteien zuletzt kräftige Denkzettel verpasst. Der südafrikanische ANC ist seitdem auf Koalitionspartner angewiesen, Botswanas BNP sitzt sogar in der Opposition.
Der SWAPO in Namibia wird es genauso gehen, davon ist der namibische Historiker Festus Muundjua überzeugt. "Namibia wird sich diesem Trend nicht entziehen können. Die Zeit der Befreiungsbewegungen ist vorbei. Sie sind Vergangenheit."
Von einstigen Erfolgen weit entfernt
Die SWAPO, die South West Africa People's Organisation, hat in den vergangenen Jahren spürbar an Rückhalt verloren und ist von ihren früheren Wahlergebnissen von 60 Prozent und mehr inzwischen meilenweit entfernt. Die Gründe dafür sind vielfältig.
Ein Korruptionsskandal um die Vergabe von Fischereirechten ist immer noch nicht aufgearbeitet. Wirtschaftlich geht es im Land nur schleppend voran. Die Arbeitslosigkeit ist hoch, viele Menschen leben unter der Armutsgrenze, in einfachsten Unterkünften am Rande der Städte. Die extreme Dürre in diesem Jahr hat die Lage zusätzlich verschärft.
Das Image der SWAPO als "Partei des Volkes" bröckele, sagt auch Harald Hecht, der Vorsitzende des Forums deutschsprachiger Namibier. Er glaubt, dass sich die afrikanischen Befreiungsbewegungen wie die SWAPO zu lange auf ihren Lorbeeren ausgeruht haben.
Die jungen Leute in Namibia würden sich für den Befreiungskampf nicht mehr interessieren, sondern wollten stattdessen die sogenannten "Brot- und Butter-Themen" angesprochen haben: "Sie möchten die bestmögliche Schulbildung für ihre Kinder und sie wollen sich ein Haus leisten können."
Eine ganze Reihe von Problemen
Namibia und seine politische Führung stünden vor einer ganzen Reihe großer Probleme, und das nicht erst seit gestern, sondern schon seit Jahren, sagt auch der Deutsch-Namibier Wolfgang Balzar. Der Geschäftsführer des Thule-Hotels in der Hauptstadt Windhuk beklagt vor allem die schlechte Wirtschaftslage, die hohe Arbeitslosigkeit und die miserable medizinische Versorgung.
Außerdem macht er die grassierende Korruption, vor allem bei der Vergabe öffentlicher Bauaufträge, und die Dauerkrise bei der Wasserversorgung dafür verantwortlich, dass die Kritik der Menschen an der SWAPO immer lauter wird - weil die Partei nicht rechtzeitig auf die Herausforderungen reagiert und in die Infrastruktur investiert hat.
Die politischen Folgen dürften bei der anstehenden Wahl zu besichtigen sein, glaubt Balzar. Er sieht das Land vor einer Wachablösung. Gerade bei den jungen Leuten habe die SWAPO ihre frühere Anziehungskraft verloren. Die Bevölkerung fange jetzt damit an, die Regierung zu hinterfragen.
"Früher war das automatisch: Das war die Befreiungspartei und die wird gewählt, das macht man so aus Tradition. Da ist jetzt ein Umdenken. Vor allem die jüngere Generation sagt: Wir können das so nicht mehr einfach akzeptieren."
Die SWAPO wird nervös
Die SWAPO macht das alles inzwischen ziemlich nervös, heißt es in Windhuk. Und das nicht nur, weil die Wählerinnen und Wähler in den Nachbarländern den ehemaligen Befreiungsbewegungen aus Unzufriedenheit über die wirtschaftliche Lage in diesem Jahr schon eine Reihe krachender Niederlagen verpasst haben.
Zum ersten Mal wird Namibias langjährige Regierungspartei nämlich von einer ernstzunehmenden Konkurrenz herausgefordert. Die vor vier Jahren neugegründete Oppositionskraft IPC, "Unabhängige Patrioten für einen Wechsel", hat der SWAPO schon ein paar wichtige Bürgermeisterämter abgejagt. Im besonders bei deutschen Touristen beliebten Urlaubsort Swakopmund an der Atlantikküste zum Beispiel oder in den Hafenstädten Walvis Bay und Lüderitz.
Bei der Parlamentswahl werden der IPC 30 Prozent und mehr zugetraut. Die Partei will die Korruption bekämpfen, Ministerposten streichen, Bürokratie abbauen und die Steuern für kleinere Unternehmen senken.
Ob es für einen politischen Wechsel in Windhuk reicht? Vor fünf Jahren hatte IPC-Parteichef und Präsidentschaftskandidat Panduleni Itula, damals noch als unabhängiger Bewerber, aus dem Stand knapp ein Drittel der Stimmen geholt. Diesmal hofft der 67-jährige Anwalt, Zahnarzt und Politiker auf deutlich mehr.
Rückt erstmals eine Frau an die Spitze des Staates?
Die Hoffnung der bisherigen Regierungspartei ist weiblich und 72 Jahre alt. Für die SWAPO bewirbt sich Netumbo Nandi-Ndaitwah, die aktuelle Vizepräsidentin, als Spitzenkandidatin um das höchste Amt des Staates.
Die frühere Umwelt- und Außenministerin sowie langjährige stellvertretende Regierungschefin steht eher für Kontinuität als für einen radikalen Wechsel, hat sich aber im Wahlkampf als konsequente Macherin präsentiert.
Die SWAPO verspricht unter anderem 250.000 neue Jobs und den Bau von 10.000 Häusern in den nächsten fünf Jahren. Außerdem sollen Investoren angelockt werden, um die Produktion von grünem Wasserstoff voranzutreiben.
SWAPO-Spitzenkandidatin Netumbo Nandi-Ndaitwah gilt als pragmatische Realpolitikerin, als integer und prinzipienfest und - nicht immer selbstverständlich - als strikte Kämpferin gegen die Korruption.
Sollte sie gewählt werden, wäre sie die erste Frau an der Spitze Namibias. Mit ersten Ergebnissen wird am Samstag gerechnet.