Regierung Namibias Jeder gegen jeden
Namibias Regierungspartei SWAPO kämpft gegen ihren politischen Niedergang: Den Jungen ist die bloße Erinnerung an den Freiheitskampf zu wenig, die Herero und Nama sehen sich von ihr nicht repräsentiert.
Der neueste Skandal ist gleichzeitig auch der bislang größte in der Geschichte des unabhängigen Namibia. Ein isländischer Fischereikonzern soll umgerechnet fast sieben Millionen Euro an verschiedene namibische Politiker bezahlt haben, um seine Fangquoten vor der namibischen Küste erhöhen zu können. Ein Beschuldigter wurde bereits verurteilt, Fischereiminister Bernhard Esau und Justizminister Sacky Shanghala mussten ihren Hut nehmen. Namibia fordert nun von Island die Auslieferung dreier weiterer Beschuldigter.
Die Millionen wurden wohl dazu benutzt, Aktivitäten der Regierungspartei SWAPO zu finanzieren, und um innerparteiliche Kritiker zu bestechen. Prompt sind diese kritischen Stimmen innerhalb der SWAPO verstummt. "Ein voller Mund kann nicht viel sprechen", sagt dazu der investigative Journalist John Grobler in Windhuk. Derzeit untersucht er chinesische und nordkoreanische illegale Tätigkeiten in Namibia. Wieder hat er es mit Korruption, mit Bestechung, mit Geldwäsche zu tun.
Namibias Präsident trat 2020 seine zweite und letzte Amtszeit an. Ob seine Partei danach noch die Mehrheit der Wähler bekommt, ist fraglich.
Von der Freiheitsbewegung zur Staatspartei
Die SWAPO (South-West Africa People’s Organisation) regiert Namibia seit seiner Unabhängigkeit im Jahr 1990. Davor hatte sie von Sambia und Angola aus einen auch militärischen Kampf gegen Namibias Besatzungsmacht Südafrika geführt, unterstützt von der Sowjetunion. 1989 gaben die Südafrikaner auf, in Namibia wurde gewählt, von Anfang an mit einer starken SWAPO. Den Höhepunkt ihrer Macht erreichte sie 2014, als sie auf 80 Prozent der abgegebenen Stimmen kam.
2019 dann ein Rückschlag: Nur noch 65 Prozent der Stimmen entfielen auf die SWAPO. Und bei den Regional- und Kommunalwahlen im vergangenen November verlor sie 56 von insgesamt 57 namibischen Lokalverwaltungen. Seitdem gilt im politischen Namibia: Jeder gegen jeden. Bei nationalen Wahlen käme die SWAPO nach Umfragen derzeit nur 38 Prozent.
Die "Born frees" ändern die Verhältnisse
Ein Grund dafür ist der Faktor Zeit: In den ersten Jahren nach der Unabhängigkeit genoss die SWAPO das absolute Vertrauen der Namibier. Zwar gab es auch damals schon Korruption, aber die Loyalität der Menschen zu der Bewegung, die ihnen die Freiheit gebracht hatte, war größer. Ihren Unmut äußerten ältere Namibier nur dadurch, dass sie nicht zu Wahl gingen: 2019 lag die Wahlbeteiligung bei nur 54 Prozent.
Jetzt aber kommen die "Born frees": diejenigen Namibier, die nach 1990 geboren wurden, den Kampf um die Unabhängigkeit nicht mehr erlebt haben. Ihnen fehlt jegliche Solidarität zur SWAPO. Sie wollen eine gute Ausbildung und sichere Jobs - die Jugendarbeitslosigkeit liegt aber bei mehr als 50 Prozent.
Sie wollen bezahlbaren Wohnraum, der fehlt aber vor allem in den Städten. Diese mögen im Vergleich mit Deutschland zwar gering an der Zahl und klein sein: die Hauptstadt Windhuk hat gerade mal 350.000 Einwohner. Aber für namibische Verhältnisse - knapp drei Millionen Einwohner bei einer Fläche zweieinhalbmal so groß wie Deutschland - ist das wichtig.
Die Ungleichheit wächst noch immer
Und die Regierung versagt beim Aufbau neuer Infrastruktur, die Landreform kommt nicht voran, weite Teile des Landes sind noch in weißer Hand, die Ungleichheit in der Gesellschaft nimmt immer noch zu. Die Folge: Jeder glaubt auf politischer Ebene nun, alles besser zu können.
Schon bei der Wahl 2019 gab es einen innerparteilichen Gegenkandidaten zu Staatspräsident Hage Geingob. Er hat mittlerweile eine eigene Partei gegründet, die vor allem im fruchtbaren Norden des Landes der SWAPO die Stimmen wegnimmt. Im Parlament sitzen noch neun Kleinparteien mit ständig wechselnden Kooperationen. Eine davon ist das sogenannte "Landless People's Movement", dass die entschädigungslose Enteignung von Farmbesitzern fordert. Zwei ihrer vier Parlamentarier sind allerdings gerade wegen groben Fehlverhaltens aus dem Parlament geworfen worden.
Zerstrittenheit unter den Volksgruppen
Aber "Jeder gegen jeden" hat im Land eine lange Geschichte: Zahlreiche Volksgruppen Namibias sind immer schon untereinander zerstritten. Die Regierung wird von der Volksgruppe der Ovambo dominiert, die mit den Volksgruppen der Herero und der Nama wenig zu tun haben will. Außerdem sind die Herero untereinander zerstritten, es gibt mindestens acht rivalisierende Gruppen.
Und die Herero ihrerseits sind mit den Nama im Clinch, den Nachfahren der Urbevölkerung, den Khoi-Khoi. Kein Wunder, dass sich Herero und Nama schwer tun, im Streit mit Deutschland um die Entschädigung für den zwischen1904 und 1908 vom deutschen Kolonialregime an ihnen begangenen Völkermord mit einer Stimme zu sprechen.