Südafrika nach der Wahl Wie tragfähig ist Ramaphosas "GNU"-Modell?
Koalition war für Südafrikas regierenden ANC bislang ein Fremdwort. Nun braucht der Wahlgewinner die Unterstützung zweier weiterer Parteien. Wie stabil kann die Regierung werden?
Ihre Niederlage bei den Parlamentswahlen vom 29. Mai räumte die erfolgsverwöhnte Regierungspartei ANC in Südafrika geradezu würdevoll ein. Kein krampfhaftes Festhalten an der Macht. Keine sogenannte Stalingrad-Taktik, wie man das im Land nennt, wenn man trotz aussichtsloser Lage noch weiterkämpft. Sondern einfach die Mitteilung: "Das Volk hat gesprochen, wir respektieren das." Eine Seltenheit, auch auf dem afrikanischen Kontinent.
Eine der Hauptfiguren dieser historischen Wechsel-Wahl gilt als Paradebeispiel für einen "Stalingrad"-Taktiker. Er steht seit Jahrzehnten wegen Korruptionsvorwürfen immer wieder vor Gericht, gibt aber nicht auf, obwohl alle Indizien gegen ihn sprechen. Jacob Zuma war früher mal Staatspräsident des Landes, ist aber mittlerweile nicht mehr das Gesicht des ANC, sondern einer anderen Partei. Sie heißt "Der Speer der Nation" - in der Sprache der Zulu "uMkhonto weSizwe".
Dass sich die neue Partei ausgerechnet diesen Namen gegeben hat, hat beim "African National Congress" (ANC), der immer noch so heißt wie während des Befreiungskampfes, großen Unmut ausgelöst. Denn "uMkhonto weSizwe" hieß während des Anti-Apartheid-Kampfes der militärische Arm des ANC. Erster Anführer des damaligen "Speers der Nation" war niemand geringerer als Nelson Mandela.
Der ANC protestierte heftig und erfolglos: Gerichte entschieden, die neue Partei dürfe so heißen. Und sie gewann aus dem Stand 15 Prozent der Stimmen - auch wenn sie der Regierung nun nicht angehört; ebensowenig wie die Linkspopulisten der "Economic Freedom Fighters".
Koalitionsvertrag mit DA und IFP
Der ANC konnte sich zwar als stärkste Partei mit 40,2 Prozent an der Macht halten, aber verlor im Vergleich zu den vorherigen Wahlen 2019 17 Prozentpunkte. Nun muss er also eine Koalition eingehen. Am Mittag wurde bekanntgegeben, dass sich der ANC und die "Democratic Alliance" (DA) geeinigt hätten. Der ANC-Generalsekretär und die DA-Vorsitzende unterzeichneten die Vereinbarung. Auch die "Inkhata Freedom Party" (IFP) soll Teil der Koalition sein.
Die Art der Zusammenarbeit wird in der Vereinbarung so beschrieben: Die beteiligten Parteien bestimmen die Zusammensetzung des Kabinetts, sowie die Regierungen der beiden Provinzen Gauteng und KwaZulu Natal. Mechanismen sollen erarbeitet werden, wie innerhalb der Koalition Konflikte gelöst werden können, auch wenn es um die Höhe des Staatshaushalts und dessen Verteilung geht. Die Details der Koalitionsvereinbarung werden in den kommenden Wochen ausgearbeitet. Der bisherige Staatspräsident Cyril Ramaphosa (ANC) soll das Amt weiterhin bekleiden.
Die DA ist wirtschaftsliberal und im Bundesstaat Western Cape durchaus erfolgreich in der Regionalregierung. Sie gilt aber als "Partei der Weißen", für viele ANC-Mitglieder daher vollkommen inakzeptabel. Deswegen ist auch die IFP mit im Boot, eigentlich eine Regionalpartei aus der Provinz KwaZulu Natal, die aber auch auf nationaler Ebene angetreten ist und 17 Abgeordnete im nationalen Parlament hat. Der ursprüngliche Plan, weitere, auch Klein- und Kleinstparteien in die Koalition aufzunehmen, wurde fallen gelassen.
Die anderen Parteien sind ehrgeizig
Diese Koalition von ANC, DA und IFP wird in Südafrika mit "GNU" beschrieben - ein Kürzel, das nicht nur für die Kuhantilopen der Gattung "Connochaetes" steht, sondern vor allem für "Government of National Unity", eine Regierung der Nationalen Einheit. Die hatte das Land schon einmal, ab 1994. Der ANC hatte damals die Wahlen zwar haushoch gewonnen, Nelson Mandela aber lud die weißen Wahlverlierer unter Frederik Willem de Klerk dennoch ein, an der Regierung teilzunehmen.
De Klerk akzeptierte, beide erhielten für ihre Versöhnungsbemühungen den Friedensnobelpreis. Nur: Damals war die politische Lage anders. Der ANC war mächtig, hätte eigentlich allein regieren können.
Heute ist der ANC schwach, die Koalitionspartner sind ehrgeizig. Und die Unterschiede zwischen ANC und dem nächststärkeren Koalitionspartner sind groß: So hat die "Democratic Alliance" auch außenpolitisch völlig andere Vorstellungen als der ANC, ist zum Beispiel deutlich Israel-freundlicher.
Nelson Mandela und Frederik Willem de Klerk erhielten 1993 gemeinsam den Nobelpreis.
Ramaphosa und Zuma - Langzeitfeinde
Der amtierende Staatspräsident Cyril Ramaphosa favorisiert diese Variante aber offenbar und gilt bei seinen politischen Feinden daher als politische Marionette der Weißen. "Jeder politische Anführer mit einem Rest von Anstand würde jetzt zurücktreten", sagt der Politikwissenschaftler Sipho Seepe, ein ausgewiesener Anhänger der Linken. "Aber Ramaphosa ist besessen davon, Präsident zu sein."
Zuma und die MK-Partei wollen Ramaphosas erneute Präsidentschaft verhindern, dürften damit aber vorerst keinen Erfolg haben. Ramaphosa und Zuma - das ist eine alte Feindschaft. Ramaphosa hatte 2018 Zuma aus dem Amt gedrängt, jenen Zuma, dem Korruption im unermesslichen Ausmaß vorgeworfen wird. Im April 2025 soll der Prozess gegen ihn weitergeführt werden. Die politische Auseinandersetzung in Südafrika also auch ein ganz persönlicher Machtkampf.