Tag des Waldes Welche Zukunft hat die deutsche Eiche?
Der Klimawandel macht den Wäldern in Deutschland zu schaffen. Wärmere Sommer und Trockenheit schädigen auch die Eichen. Forstwissenschaftler suchen nach Wegen, das Ökosystem intakt zu halten.
Es sind 700, und sie pflanzen sie fein säuberlich im Abstand von 1,50 Meter - Eichen-Setzlinge, gerade einmal 30 bis 80 Zentimeter groß. Die Pflanzen stammen aus Hitze-Hotspots in der Türkei, Griechenland und der Schweiz wie dem Tessin.
Auf dem Versuchsfeld in der Nähe des südbadischen Ihringen arbeiten Wissenschaftler der forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt (FVA) Baden-Württemberg. Sie wollen wissen, ob diese Bäume mit dem Klimawandel besser zurechtkommen als deutsche Eichen. "Hier am Kaiserstuhl können wir sie unter Hardcore-Bedingungen testen", sagt Gartenbau-Ingenieur Manuel Karopka. "Denn das hier ist einer der Hitze-Hotspots in Deutschland."
Kommen die Bäume aus Südeuropa mit dem Klimawandel besser zurecht als deutsche Eichen? Auf diese Frage suchen Forstwissenschaftler in Baden-Württemberg eine Antwort.
Immer mehr kranke Eichen
Es ist eine der Strategien gegen das Sterben der Eichen in Deutschland. Die Bäume leiden unter der vermehrten Trockenheit. Und wenn sie zu wenig Wasser bekommen, dann haben Schädlinge leichtes Spiel. Raupen fressen die Blätter kahl, der Eichen-Prachtkäfer bohrt sich unter die Rinde. Normalerweise setzen sich die Bäume mit einem zweiten Austreiben später im Jahr zur Wehr, doch wenn es zu heiß wird, fehlt ihnen dazu die Kraft. Krankheitssymptom sind Baumkronen, denen sichtbar Blätter fehlen.
Die Eiche ist der zweithäufigste Laubbaum in Deutschland. Doch schon 1984 war gerade einmal die Hälfte der Eichen in Deutschland gesund. Heute sind es nur noch 19 Prozent. "Das Überleben von rund 250 Tierarten hängt von den Eichen ab", erklärt Jörg Kleinschmit, der an der FVA die Abteilung Waldnaturschutz leitet. Das Überleben von vielen Insekten, von Pilzen, Spechten und Fledermäusen. Die häufigsten Eichen-Arten in Deutschland sind die Stiel-Eiche und die Trauben-Eiche. Insbesondere die Stiel-Eiche leidet unter der Trockenheit. "Wenn wir jetzt nichts unternehmen, dann haben wir bald ein Riesen-Problem", warnt Kleinschmit.
Eine kranke Eiche: Man erkennt sie daran, dass in den Baumkronen Blätter fehlen.
Helfen Bäume aus Südeuropa?
Die beiden Eichenarten kommen in ganz Europa vor. Auf dem Versuchsfeld pflanzen sie ausländische Trauben-Eichen. Denn obwohl es sich um dieselbe Art handelt, weisen diese Bäume Genvarianten auf, die sie eventuell robuster gegen die Hitze machen. Einige dieser genetischen Eigenschaften sind bekannt und können mit DNA-Analysen festgestellt werden. Doch nur Pflanz-Experimente liefern praktische Erfahrung.
"Wir testen: Welche Pflanzen überleben? Wie hoch sind sie gewachsen?", erklärt Ingenieur Karopka. "Und wir wollen wissen, wie früh im Jahr sie austreiben." In diesem Punkt nämlich könnte mediterrane Herkunft zum Nachteil für das Überleben in Deutschland werden. In der Türkei ist früheres Austreiben kein Problem, in Deutschland drohen dann Schäden durch Spätfrost. Das Projekt der Forstwissenschaftler ist eine Langfrist-Studie. 15 bis 20 Jahre werde man brauchen, um erste Schlüsse zu ziehen, sagt Karopka.
Neue Züchtungen als Alternative
Gleichzeitig gehen die Wissenschaftler einen anderen Weg und prüfen, wie gut sich völlig andere Baumarten für die klimatisch veränderten deutschen Wälder eignen. Unter anderem auch eine neue Kreuzung aus Walnuss und Amerikanischer Schwarz-Nuss. Auch diese Bäume haben sie auf dem Versuchsfeld in Südbaden gepflanzt. Weil das bereits 2019 geschah, haben sie in diesem Fall schon erste Ergebnisse.
Gerechnet hatten sie mit einem Wachstum von bis zu fünf Metern. Tatsächlich sind einige Bäume nun schon sieben Meter hoch. "Solche Ergebnisse sind auch deshalb wichtig, weil es nicht nur um das Ökosystem geht, sondern auch darum, wie gut sich die Bäume für die Holzwirtschaft eignen", sagt Wissenschaftler Kleinschmit. "Es scheint, dass die neue Nußart möglicherweise mehr Holz liefern kann als unsere Eichen."
Behutsamer Eingriff ins Ökosystem
Doch wie sollte die Forstwirtschaft reagieren, wenn sich herausstellt, dass ausländische Varianten der einheimischen Bäume oder völlig neue Arten sich besser eignen als die bisher vorkommenden? "Zunächst müssen wir sicherstellen, dass diese Bäume sich nicht invasiv verhalten", erklärt Kleinschmit. Sie dürften für das Umfeld nicht schädlich sein, anderen Pflanzen nicht die Nährstoffe wegnehmen.
Und selbst wenn diese Gefahr nicht bestehen sollte, empfiehlt er die großflächige Anpflanzung nicht. Stattdessen nur eine Anreicherung des Mischwaldes mit den Neuankömmlingen. Wie gut sie sich dann durchsetzen, sollte man besser der Auslese überlassen. "Mit solchen Veränderungen muss man vorsichtig sein, weil das ganze Ökosystem dranhängt", sagt er.
Allerdings: Auch ohne das Zutun des Menschen verändert sich die Eichen-Population in Deutschland bereits. Eine weitere Eichen-Art - die Flaum-Eiche - kam zunächst nur am Kaiserstuhl und wenigen anderen Orten in Deutschland vor. Aufgrund der gestiegenen Temperaturen breitet sie sich nun nach Norden aus. "Unsere Wälder werden sich nun so oder so verändern", sagt Forstwissenschaftler Kleinschmit. "Auch wir reagieren ja nur. Der Idealfall aber wäre, den Klimawandel einzudämmen."