Unternehmerin gegen Extremismus "Wir müssen den Mund aufmachen"
Politischer Extremismus besorgt viele auch in der Wirtschaft. Etwa die Kosmetikunternehmerin Alicia Lindner. Sie findet: Gerade familiengeführte Firmen müssen sich klar dagegen positionieren.
Ihr Kosmetikunternehmen Börlind ist in Calw im Schwarzwald ansässig - und so tritt Chefin Alicia Lindner schon auch mal mit dem traditionellen Schwarzwälder Bollenhut auf. Die 34-Jährige macht aus ihrer Heimatverbundenheit keinen Hehl, genauso wenig aber aus ihrer politischen Haltung.
"Die überwältigende Mehrheit der Deutschen stimmt nicht mit der Ideologie der AfD überein", schreibt sie zum Beispiel auf ihrem LinkedIn-Account. "Wir müssen Menschen wachrütteln, die sich von einfachen Lösungen und Stammtischparolen einlullen lassen. Was wir nicht brauchen, sind noch mehr antidemokratische Stimmen."
Die Kosmetik-Unternehmerin Alicia Lindner.
Aufruf zu klarer Kante
Klartext wie diesen mieden die meisten Unternehmerinnen und Unternehmer, sagt Alicia Lindner. Weil sie von PR-Experten so beraten werden und sie fürchten, sich gegen die politische Überzeugung eines Teils ihrer Belegschaft zu stellen. Zurückhaltung sei aber falsch, so ihre Überzeugung - denn die führe zu einem Erstarken der rechtsgerichteten Ideologie.
Die Geschäftsfrau hat deshalb andere Unternehmerinnen und Managerinnen aufgefordert, sich ebenfalls offen zum Thema zu äußern. Eine Liste mit 28 Namen ist inzwischen zusammengekommen. Lindner hat sie online veröffentlicht, damit Journalisten mit den Frauen Kontakt aufnehmen können.
"Wir leben von Freiheit und Offenheit"
Lindners Firma produziert Naturkosmetik, vor allem für den deutschsprachigen Raum, aber auch für andere europäische Länder, die USA und Asien. Das Familienunternehmen mit 260 Mitarbeitern leitet sie gemeinsam mit ihrem Bruder.
Es gehe ihr nicht darum, Wahlvorschriften zu machen, so die Unternehmerin, oder anderen zu erklären, was richtig ist und was falsch. Sie wolle aber zeigen, welche Auswirkungen politischer Extremismus habe - egal ob von links oder von rechts. "Unser Wohlstand hängt davon ab. Wir Leben von Freiheit und Offenheit, vom Binnenmarkt. Nicht vom 'Schotten-dicht-Machen'."
Furcht vor Abwanderung von Fachkräften
Die Wahlergebnisse der AfD hätten eine große Strahlwirkung auf dringend benötigte ausländische Fachkräfte, ist Lindner überzeugt. "Die kommen dann nicht zu uns, weil sie überall auf der Welt Jobmöglichkeiten haben. Oder sie sind schon hier und wandern jetzt womöglich aus, weil sie Angst haben vor der Ausländer-raus-Propaganda."
Eine Studie aus dem März 2024 deutet auf solche Zusammenhänge hin. Ihr zufolge erwägt fast jede vierte Person mit Migrationshintergrund zumindest hypothetisch, Deutschland zu verlassen. Wissenschaftler des Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung, der Hochschule Magdeburg-Stendhal und der Universitäten Leipzig und Bielefeld hatten deutschlandweit 3.000 Menschen befragt. Auch in ihrer eigenen Firma gebe es viele Menschen mit Migrationshintergrund, sagt Alicia Lindner. Es sei zu befürchten, dass sie sich irgendwann nicht mehr wohl fühlen in Deutschland.
Rufschädigend für "made in Germany"?
Auch Auswirkungen auf den Ruf deutscher Produkte im Ausland hält die Unternehmerin für möglich. "'Made in Germany' hat uns groß gemacht", sagt sie. Das Ansehen sei aber ohnehin schon angekratzt, weil die Innovationskraft im Land nicht mehr so groß sei wie früher. "Ein brauner Beigeschmack macht alles nur noch schwieriger." Auf dem deutschen Markt sind umgekehrte Effekte nicht ausgeschlossen. Möglicherweise kaufen AfD-Wähler künftig keine Produkte von Börlind mehr, weil ihnen das Auftreten der Chefin missfällt. Auch hier hat sie eine klare Position: "Lieber verliere ich ein paar Kunden, als dass die Wirtschaft auf Dauer geschwächt wird."
Auch Marie-Christine Ostermann, Präsidentin des Verbands "Die Familienunternehmer", sieht solche Gefahren. "Die AfD gibt sich gerne als Schutzmacht des deutschen Mittelstands", sagt sie. Tatsächlich aber sei sie ein Standort- und Investitionsrisiko für Deutschland. Die Partei habe viele wirtschaftsfeindliche Pläne in ihren Programmen, etwa den Austritt aus der EU, die Isolation von den Weltmärkten oder ein unfinanzierbares Rentenkonzept. "Je mehr Unternehmer sich dazu und überhaupt politisch äußern, desto besser", ist Ostermann überzeugt.
Zu schweigen ist keine Alternative
Kosmetikproduzentin Lindner sieht hier gerade Familienunternehmen wie ihr eigenes in der Pflicht. "Wenn wir immer sagen, dass wir das Rückgrat der deutschen Wirtschaft sind, dann müssen wir uns auch so benehmen und den Mund aufmachen." Familienunternehmen könnten freier sprechen, da sie keine Aufsichtsräte und keine Shareholder hätten.
Es gehe darum, die Mehrheit zu stärken, die nicht die AfD gewählt hat, erklärt die Firmenchefin. Sie erhofft sich, dass noch mehr Unternehmen ihrem Beispiel folgen und sich offen äußern. Und sie hofft auf eine Wirkung bei den Wählern. Nicht über den Extremismus zu sprechen, ist aus ihrer Sicht jedenfalls keine Alternative.