AfD-Spitzenkandidat Höcke Regierungsträume am rechten Rand
Björn Höcke will Ministerpräsident Thüringens werden. Doch selbst ein starkes Ergebnis seiner Partei reicht dafür nicht aus - keine der anderen Parteien will mit der rechtsextremen AfD koalieren.
Björn Höcke, der 2013 die Thüringer AfD mitgegründet hat, hat bisher noch nie einen bundesweiten Posten seiner Partei angestrebt. Sein politisches Wirken findet in Thüringen statt. Dennoch ist Höcke einer der bekanntesten AfD-Politiker deutschlandweit. Der 52-Jährige, für viele der Vordenker der AfD, hat es geschafft, seine Partei von Thüringen aus immer weiter nach rechts zu führen.
Nun strebt er das wichtigste politische Amt in Thüringen an: Er will der erste AfD-Ministerpräsident Deutschlands werden. In Umfragen ist die AfD mit 30 Prozent stärkste Kraft bei der Landtagswahl. Es deutet sich an, dass der vom Thüringer Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestufte Landesverband die meisten Abgeordneten ins neue Parlament entsenden wird.
Jedoch: Der Traum vom Ministerpräsidenten Höcke scheint sich wohl vorerst nicht zu erfüllen. Dafür fehlen dem Spitzenkandidaten die Koalitionspartner. Keine der anderen Parteien will mit der AfD koalieren.
Der Listenplatz könnte nicht reichen
Zudem könnte es dazu kommen, dass der Spitzenkandidat der AfD gar keinen Sitz im neuen Landtag bekommt. Denn es könnte sein, dass die AfD zur Landtagswahl mehr Wahlkreise, also Direktmandate, gewinnt, als ihr laut Zweitstimmen-Ergebnis Sitze im neuen Landtag zustehen.
Die Folge wäre, dass zwar alle AfD-Wahlkreis-Gewinner ins Parlament einzögen. Doch eben ausschließlich diese. Platz eins auf der sogenannten Landesliste, den Höcke belegt, würde dann nicht zum Einzug in den Landtag berechtigen. Die AfD als Wahlsieger, aber ohne Höcke im Parlament: Es wäre aus Parteisicht das Worst-Case-Szenario.
Deshalb will Höcke ein Direktmandat gewinnen. Dass das in seinem ursprünglichen Wahlkreis, dem Eichsfeld, so gut wie unmöglich ist, weiß der Politiker aus vergangenen Wahlen. Bereits zwei Mal konnte er seinen heimischen Wahlkreis gegen die CDU nicht gewinnen. Traditionell sind die Christdemokraten im Eichsfeld besonders stark.
Direktmandat 244 Kilometer vom Wohnort entfernt
Um dieses Szenario bei der kommenden Wahl zu vermeiden, hat Höcke tief in die Strategie-Kiste gegriffen. Er, der gerne Heimatverbundenheit und Nahbarkeit betont, tritt nicht an seinem Wohnort an. Höcke hat den Wahlkreis gewechselt und sich im Landkreis Greiz nominieren lassen. Hier verspricht er sich bessere Chancen auf ein Direktmandat.
Ostthüringen gilt als Hochburg der Rechtspopulisten. Der Frage danach, wie oft er die 244 Kilometer von zuhause in Bornhagen nach Greiz pendeln will, weicht Höcke aus. "Ich bin auf jeden Fall da und werde je nach Bedarf Sprechstunden anbieten." Danach, dass der AfD-Mann regelmäßig vor Ort und spontan für seine Wähler ansprechbar sein wird, klingt das nicht.
Zunehmend Gegenwind aus den eigenen Reihen
Dass Höcke in Greiz kandidiert, finden nicht alle in der Thüringer AfD gut. Einerseits, weil die Wahltaktik - dass es eine ist, bestreitet auch die Parteispitze nicht - durchschaubar ist. Und anderseits, weil Höcke einem anderen den Platz wegnimmt. In einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung räumt der Chef des Kreisverbandes, Thomas Trommer, ein: Es habe durchaus Leute im Kreis gegeben, die gerne für die AfD angetreten wären.
Überhaupt gibt es zunehmend Gegenwind aus den eigenen Reihen: Zu den externen Kritikern und Gegnern ist das Lager der internen Kritiker in der AfD Thüringen hinzugekommen. Sie treten so laut und öffentlich auf wie nie zuvor. Höcke hat den Unmut mindestens zweier Kreisverbände auf sich gezogen. Im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt und im Wartburgkreis.
Vorwürfe aus dem Wartburgkreis
Im AfD-Kreisverband Wartburgkreis ist man, gelinde ausgedrückt, sauer auf Höcke und die Parteispitze in Erfurt. Die nämlich soll verhindert haben, dass zwei Mitglieder des Kreisverbandes bei der Landtagswahl antreten können. Die beiden Wahlkreise bleiben jetzt unbesetzt, weil die Parteispitze die notwendigen Unterschriften nicht beim Wahlleiter abgegeben hat.
Das, so der Vorwurf des Kreisverbands, sei bewusst passiert, um Höckes Chancen auf den Wiedereinzug in den Landtag zu verbessern. Denn: Wo keine Kandidaten, da keine Direktmandate. Und je weniger Direktmandate, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass die Landesliste doch zum Zuge kommt.
Der Ruhlaer AfD-Bundestagsabgeordnete Klaus Stöber spricht in diesem Zusammenhang von einer "niederträchtigen Art" Höckes. Und weiter: Höcke überschätze sich innerhalb der Partei.
Parteiausschlussverfahren gefordert
Im Kreisverband Saalfeld-Rudolstadt hat die interne Kritik am Spitzenkandidaten nichts mit der Landtagswahl zu tun. Dort war die Kommunalwahl Auslöser. Zunächst hatte sich der Kreisverband intern zerstritten. Im Ergebnis gab es bei der Kommunalwahl zwei unterschiedliche Listen mit AfD-Kandidaten.
Eine unter dem Namen der AfD. Die zweite hieß "Alternative für den Wahlkreis". Höcke warb für die Alternative-Liste und nicht für die offizielle der AfD. Teile des Kreisverbands forderten daraufhin ein Parteiausschlussverfahren gegen den Landesvorsitzenden.
Als wäre die Atmosphäre parteiintern nicht schon belastet genug, überschattet noch ein anderes Thema den Wahlkampf Höckes. Ein Gericht in Mühlhausen hat, nach seinen beiden Verurteilungen in Halle, eine weitere Anklage gegen ihn zugelassen. Der Vorwurf: Volksverhetzung.
Wann die Verhandlung beginnt, steht noch nicht fest. Gut möglich aber, dass der Auftakt noch in die heiße Phase des Wahlkampfs fällt. Für Höcke wäre das eine weitere Gelegenheit, sich - wie schon bei den beiden Prozessen in Halle - als politisch Verfolgter darzustellen.