Start der ESA-Sonde "Juice" Auf der Spur von Jupiter und seinen Monden
Gibt es die Chance für weiteres Leben in unserem Sonnensystem? Eine neue ESA-Mission will dieser Frage nachgehen, Hunderte Millionen Kilometer entfernt.
Wenn die Raumsonde "Juice" mit einer "Ariane 5"-Rakete abgehoben ist, steht ihr eine lange Reise bevor. Erst im Juli 2031 wird sie am Jupiter ankommen, um den größten Planeten in unserem Sonnensystem und drei seiner Monde zu erforschen. Der für heute geplante Start musste allerdings witterungsbedingt um einen Tag verschoben worden. Es habe am Weltraumbahnhof Kourou in Französisch Guayana ein Gewitterrisiko gegeben, sagte ein ESA-Sprecher.
Der Jupiter ist - neben Saturn, Uranus und Neptun - einer von vier Gasplaneten. Sie liegen im sogenannten äußeren Sonnensystem, während Merkur, Venus, Erde und Mars zum inneren Sonnensystem gehören und Gesteinsplaneten sind.
Mit der "Juice"-Mission erhoffen sich die Wissenschaftler nun grundlegende Erkenntnisse über den Aufbau und das Funktionieren von Gasplaneten und unser Sonnensystem insgesamt.
Angela Dietz, die als Raumfahrtingenieurin bei der Europäischen Weltraumagentur ESA arbeitet und für "Juice" zuständig ist, erklärt:
Jupiter ist der Sonne nicht ganz unähnlich. Er ist ähnlich aufgebaut, besteht aus Helium und Wasserstoff. Er ist selbst wie ein kleines Sonnensystem mit mehr als 90 Monden um ihn herum. Wenn wir mehr über den Jupiter und seine Monde wissen, können wir ein stückweit herausfinden, wie ein Sonnensystem im Kleinen funktioniert.
Wie interagiert der Jupiter mit seinen Monden, die ihn umkreisen? Wie reagiert seine Atmosphäre auf Einschläge von Asteroiden und Kometen? Auf solche Fragen erhoffen sich die Wissenschaftler Antworten. Auch der sogenannte Große Rote Fleck - ein riesiger Wirbelsturm auf der Oberfläche des Planeten - interessiert die Forscher. Warum schrumpft er? Welche chemischen Prozesse finden in seinem Inneren statt?
Instrumente auch aus deutscher Entwicklung
Die "Juice"-Sonde ist nicht die erste Wissenschaftsmission zum Jupiter und seinen Monden. Derzeit kreist die NASA-Sonde "Juno" um den Jupiter. In den 1970-Jahren hatten sich schon die "Voyager"-Sonden auf die Reise zu dem Gasplaneten gemacht.
Mit neuen, hochmodernen Instrumenten sollen nun die Forschungen weitergehen. Walther Pelzer, Leiter der Deutschen Raumfahrtagentur im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt, DLR, erklärt:
Die bisher größte Planetenmission der ESA macht sich auf den Weg zum größten Planeten in unserem Sonnensystem. 'Juice' soll Jupiter und seine drei großen Eismonde Ganymed, Kallisto und Europa im Vorbeiflug und aus einer Umlaufbahn heraus mit Kameras, Spektrometern, Radar und Laser beobachten und vermessen. Zwei wichtige Instrumente wurden unter deutscher Leitung entwickelt und gebaut. An weiteren fünf sind Einrichtungen aus Deutschland entscheidend beteiligt.
Befinden sich unter den Eiskrusten der Monde wirklich riesige Wasserozeane? Das wollen die Forscher herausfinden. Ihr Hauptaugenmerk liegt dabei auf dem Jupitermond Ganymed. Er ist der größte Mond im Sonnensystem. Ingenieurin Dietz erklärt: "Es gibt verschiedene Instrumente an Bord von 'Juice', mit denen wir den Ganymed untersuchen, etwa einen Laserhöhenmesser. Wir schießen sozusagen mit einem Laser und tasten die Oberfläche ab."
So untersuchen die Wissenschaftler die Topographie des Monds, Hebungen und Senkungen seiner Oberfläche. Dietz weiter: "Dann haben wir ein Radar, das unter die Eisoberfläche schaut und ein Magnetometer. Mit ihm können wir zum Beispiel die Dicke des Eisenkerns im Inneren des Monds erforschen." Ganymed sei einer der wenigen Körper in unserem Sonnensystem, der ein Magnetfeld habe - neben der Erde und dem Merkur. "Dieses Magnetfeld wird durch den flüssigen Eisenkern erzeugt, wie bei der Erde."
Die letzten Vorbereitungen laufen: Auf dem europäischen Weltraumbahnhof in Französisch-Guayana wird die Sonde "Juice" ausgepackt.
NASA-Sonde soll Europa erforschen
Insgesamt könne man Ganymed mit den verschiedenen Instrumenten so eingehend untersuchen, dass zum Schluss ein Gesamtbild über seinen Aufbau entstehe und die Wissenschaftler dann Rückschlüsse auf die vorhandenen Wassermengen ziehen können, beschreibt Dietz. Direkt Leben nachweisen könne die Mission nicht, da kein Lander auf der Oberfläche aufsetze. "Wir können aber untersuchen, ob auf den Monden Bedingungen herrschen, um Leben hervorzubringen, also etwa Wasser, Energie und Stabilität", so Dietz.
Im nächsten Jahr soll zudem eine Sonde der NASA zu dem Jupiter-Mond Europa fliegen und ihn eingehend erforschen. Die Missionen ergänzen sich und dienen auch der Vorbereitung auf eine Lander-Mission in der Zukunft. Thomas Zurbuchen, der ehemalige Wissenschaftschef der NASA, sagt:
Ich habe wirklich das Gefühl, dass sich die Art und Weise, wie wir über Leben denken, in zehn oder zwanzig Jahren total ändern wird. Man weiß nie genau - wie bei einer Bergwanderung an einem Ort, an dem man noch nie gewandert ist - wie lang der Weg bis zum Gipfel ist. Aber es gibt so viele Arten und Weisen, Fortschritte zu machen, dass zwanzig Jahre wirklich ein guter Zeitrahmen ist.
Vorbeiflüge an Erde, Mond und Venus
Auf ihrem Weg zum Jupiter fliegt die "Juice"-Sonde mehrfach an der Erde, dem Mond und der Venus vorbei, um durch den entsprechenden Gravitationsschub Treibstoff zu sparen. "Juice" reist sozusagen auf Umwegen zum Jupiter. Angela Dietz erklärt:
Wir sparen bis zu einer Tonne Treibstoff, indem 'Juice' sogenannte flybys macht. Die Sonde nutzt bei ihren Vorbeiflügen an Erde, Mond und Venus die Schwerkraft aus, um Schwung zu holen. 'Juice' wiegt insgesamt sechs Tonnen, und bereits jetzt ist mehr als die Hälfte Treibstoff. Ohne die flybys müsste die Sonde noch fünf Tonnen Treibstoff mehr mitnehmen.
Solche Schwerkraftumlenkungen an Planeten sind bei interplanetaren Sonden Standard. Das Besondere bei der Reise von "Juice" ist, dass zum ersten Mal eine kombinierte Schwerkraftumlenkung am Erdmond und 36 Stunden später an der Erde ausgeführt wird.
Herausforderungen auf der Reise
Die Flugroute hat die Wissenschaftler dabei vor besondere Herausforderungen gestellt, denn die sensiblen Instrumente von "Juice" müssen gut geschützt sein. Die Sonde muss sehr große Temperaturschwankungen überstehen: von 250 Grad in der Nähe der Venus bis mehr als minus 200 Grad am Jupiter. Hinzu kommen die hohe Strahlung und das fehlende Sonnenlicht. Am Jupiter ist das Sonnenlicht 25-mal schwächer als auf der Erde. Riesige Solarpanels mit einer Fläche von 85 Quadratmetern sollen das Licht einfangen, um das Raumschiff mit Energie zu versorgen.
Wechsel der Umlaufbahn
Wenn "Juice" den Jupiter erreicht hat, wird es eine weitere Premiere geben. Nach zahlreichen Jupiter-Umkreisungen und Vorbeiflügen an seinen Monden soll die Sonde 2034 den Orbit von Jupiter verlassen und in eine Umlaufbahn um Ganymed einschwenken. Damit wäre "Juice" die erste Sonde, die von der Umlaufbahn eines anderen Planeten zu einem von dessen Monden wechselt.
Überwacht und gesteuert wird die Mission vom ESA- Kontrollzentrum ESOC (European Space Operations Centre) in Darmstadt. Vor den ESA-Experten liegt ein spannendes Jahrzehnt Arbeit mit vielen Unbekannten. "Juice"-Flugbetriebsleiter Andrea Accomazzo sagt: "Dies ist die größte Mission in den tiefen Weltraum, die wir je gestartet haben."