Weltraumforschung "Ein großes Jahr für die Wissenschaft"
Asteroiden-Gesteinsprobe, Jupitermission, Ariane-6-Start: Die US-Weltraumbehörde NASA und die Europäische Weltraumorganisation ESA haben 2023 viel vor. Auch andere Nationen und einige Unternehmen verfolgen ehrgeizige Pläne.
Wenn Thomas Zurbuchen, der bisherige Wissenschaftsdirektor der NASA, über die Weltraummissionen 2023 redet, bekommt er leuchtende Augen. "Es wird wieder ein großes Jahr für die Wissenschaft", sagt er im Interview mit tagesschau.de. "Nicht nur für die USA, sondern für die ganze Wissenschaftsgemeinschaft. Wir - die NASA und unsere Partner - haben unglaublich viele Highlights."
"Osiris-Rex" bringt Gesteinsproben eines Asteroiden
Einer dieser Höhepunkte ist sicherlich die Rückkehr der NASA-Sonde "Osiris-Rex" zur Erde. Die Sonde war 2016 in Cape Canaveral gestartet und zu dem Asteroiden Bennu geflogen. 2020 näherte sie sich dem tiefschwarzen Gesteinsbrocken, der einen Durchmesser von 550 Metern hat, und saugte Gestein ein.
Jason Dworkin, Astrobiologe bei der NASA, hatte damals erklärt: "Das ist die größte Probensammelmission der NASA seit der Apollo-Mission. Und es ist die größte Menge an organischem Material, das wir je aus dem Weltraum geholt haben." Gebunden in Mineralien soll es sogar Spuren von Wasser auf dem 4,5 Milliarden Jahre alten Asteroiden geben. Die Wissenschaftler NASA warten nun gespannt auf die Rückkehr der Gesteinsproben zur Erde. "Im Moment sind wir dabei zurückzufliegen. 'Osiris-Rex' kommt im September in Utah an", freut sich Zurbuchen.
Im nächsten Jahrhundert könnte die Menschheit noch sehr dankbar für die Erkenntnisse dieser Mission sein. Dann soll der Asteroid Bennu nämlich der Erde nahekommen - so nahe, dass er sich bei seinem Vorbeiflug zwischen Mond und Erde bewegt. Die prognostizierte Wahrscheinlichkeit für einen Einschlag auf der Erde liegt deutlich unter einem Prozent. Aber mit der Kenntnis des Gesteins, aus dem Bennu besteht, werden sich Abwehrszenarien für den Fall eines drohenden Einschlags besser berechnen lassen.
Der bisherige NASA-Wissenschaftsdirektor Thomas Zurbuchen blickt gespannt auf das Weltraumjahr 2023.
Europas neues Flaggschiff geht an den Start
Auch für die Europäische Weltraumagentur (ESA) wird 2023 ein spannendes Raumfahrtjahr. Die neue Trägerrakete Ariane 6 soll vom europäischen Weltraumbahnhof in Kourou abheben. Der Start wurde bereits mehrfach verschoben.
Walther Pelzer, der Leiter der Deutschen Raumfahrtagentur im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt, sagt über die neue Rakete: "Sie ist das neue Flaggschiff Europas im Schwerlastbereich, mit der wir dann große Satelliten in unterschiedliche Orbits bringen können. Das ist eine große Fortentwicklung zur Ariane 5 und eine sehr passende Rakete für den Bedarf, den wir haben. Wir haben sehr viel weniger Starts als die Amerikaner, sehr viel weniger Starts als die Chinesen. Also eine passende Rakete für uns."
Aufbruch zum Jupiter
Mit einer der letzten Ariane-5-Raketen wird die ESA-Mission der Jupiter-Sonde JUICE gestartet. Geplant ist, dass sie im April zum größten Planeten in unserem Sonnensystem abhebt. Die Reise zu dem Gasriesen wird mehrere Jahre dauern und hat die Erforschung des Jupiters selbst und drei seiner Monde - Ganymed, Europa und Kallisto - zum Ziel.
Pelzer erklärt: "Das ist eine hervorragende Wissenschaftsmission, mit der wir uns zum Jupiter aufmachen werden. In den 2030er-Jahren werden wir viel über Jupiter und seine Monde lernen, speziell über das Wasser auf den Monden unter dem Eis. Das wird entsprechend untersucht werden." Befinden sich unter den Eiskrusten der Monde wirklich Wasserozeane? Das wollen die Forscher herausfinden. Wasser gilt als Grundvoraussetzung für Leben.
Zusammenarbeit auf der ISS läuft weiter
Nach der Rückkehr des ESA-Astronauten Matthias Maurer 2022 wird in diesem Jahr kein Deutscher zur Internationalen Raumstation ISS fliegen. Dafür ist eine Mission geplant, bei der NASA-Astronauten und ein russischer Kosmonaut gemeinsam mit einem Astronauten der Vereinigten Arabischen Emirate zur Raumstation fliegen. Trotz des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine und der Sanktionen soll also die internationale Zusammenarbeit auf der ISS weiterlaufen.
Mehrere Nationen mit Plänen auf dem Mond
Die Mondpläne verschiedener Nationen schreiten voran. Die NASA bereitet sich zusammen mit der ESA auf Artemis II vor. Die Mission soll 2024 starten, Astronauten an Bord haben und um den Mond herumfliegen. Außerdem möchten die USA robotische Lander zum Mond schicken.
Auch China und Russland arbeiten weiter an ihren Plänen für eine Forschungsstation auf dem Mond beziehungsweise den Start einer Sonde zum Erdtrabanten. Russland hat den Start der Robotersonde "Luna 25" aus dem vergangenem Jahr auf dieses Jahr verschoben.
Japanische Mondmission mit Umweg
Die Kommerzialisierung des Weltraums geht weiter. 2023 soll zum ersten Mal ein privates Unternehmen auf dem Mond landen. Im Dezember hatte eine SpaceX-Rakete den Lander "Hakuto-R" des japanischen Unternehmens ispace in den Weltraum geflogen. Die Landung auf dem Mond ist allerdings erst für April geplant. Anders als die Apollo-Missionen oder die Artemis-I-Mondmission, die nur wenige Tage Flugzeit zum Mond brauchen, ist der japanische Lander mehrere Monate unterwegs.
"Die Flugbahn der ispace-Fähre führt sie nicht auf dem kürzesten Weg direkt zum Mond, sondern weit über den Mond hinaus an einen Punkt im All, von dem aus sie sich in sehr energiesparender Weise in eine Mondumlaufbahn "hineinfallen" lassen kann, um dann zur Landung anzusetzen", erklärt SWR-Wissenschaftsredakteur Uwe Gradwohl die ungewöhnliche lange Dauer der Reise. "Der Vorteil ist eine Treibstoffersparnis, der Nachteil die lange Flugzeit. Aber Mondfracht verdirbt ja in der Regel nicht so schnell, und anstelle des gesparten Treibstoffs kann mehr Fracht auf die Fähre gepackt werden."
Der japanische Moonlander hat unter anderem einen kleinen Rover aus den Vereinigten Arabischen Emiraten an Bord. Das zehn Kilogramm schwere Gefährt soll nach der Landung rund 14 Tage auf dem Mond umherfahren und unter anderem Fotos machen. In den nächsten Jahren plant ispace weitere Mondmissionen und für 2040 gar eine kleine Stadt auf dem Mond mit 1000 Bewohnern.
Private Weltraumspaziergänge geplant
Auch die privaten Weltraumunternehmen der US-Milliardäre Elon Musk, Jeff Bezos und Richard Branson planen weitere Raumflüge. Dabei wird vor allem die "Polaris Dawn"-Mission von SpaceX Schlagzeilen machen. Mit an Bord soll der Unternehmer und Milliardär Jared Isaacman sein. Er war bereits im vergangenen Jahr als Kommandant der "Inspiration 4" ins All gestartet, der ersten All-Mission ohne Profi-Astronaut an Bord.
Bei der neuen Mission soll eine vierköpfige Besatzung bis zu fünf Tage in der Erdumlaufbahn verbringen. Zum ersten Mal sollen sogenannte Laien-Astronauten dann auch ihr schützendes Raumschiff verlassen und einen Weltraumspaziergang unternehmen.