CETA-Abkommen im Bundestag Globalisierung neu gestalten - aber wie?
Der Bundestag berät heute über das CETA-Handelsabkommen der EU mit Kanada, das in der Koalition lange umstritten war. Es geht dabei auch um die Frage, wie Handel und Globalisierung künftig gestaltet werden sollen.
Es ruckelt im Welthandel. Seit der Corona-Krise kämpfen Unternehmen weltweit mit Lieferproblemen. Durch den Ukraine-Krieg haben sich diese Probleme noch verstärkt, auch durch die westlichen Sanktionen gegen Russland. Was zu grundsätzlichen Fragen führt: Mit wem kann man künftig noch Handel treiben? Welche Handelspartner sind verlässlich?
Über diese Fragen werde auch in Vorstandsetagen der Unternehmen intensiv nachgedacht - so die Einschätzung von Franziska Brantner, der Parlamentarischen Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium. "Viele merken, dass die Lieferketten aktuell viel zu zerbrechlich sind, dass sie in so hohen Abhängigkeiten von einzelnen Regionen, ja sogar von einzelnen Ländern sind, dass das Ganze nicht gesund ist", sagt sie.
Warnung vor Kosten des extremen Sicherheitsdenkens
Fehlende Energielieferungen aus Russland, fehlende Vorprodukte aus China und vor allem die hohen Preise. All das führt dazu, dass sich Unternehmen nach Alternativen umsehen, um sich krisenfester aufzustellen. Resilienz ist dafür das Schlagwort. Stefan Kooths, der Vizepräsident des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel, hält diese Tendenz jedoch für problematisch. Es sei gefährlich, wenn man unter dem unmittelbaren Eindruck einer Krise zu Maßnahmen greift, die langfristig sehr teuer werden könnten. "Meine Sorge ist, dass wir zu sehr in das Extrem des Sicherheitsdenkens verfallen, dass wir Resilienz über alles stellen und damit wichtige Vorteile aufgeben, die unseren Wohlstand hier begründet haben", sagt er.
Gerade Deutschland lebt als Land mit wenig Rohstoffen von der starken Einbindung in die Weltwirtschaft. Dazu gehört auch, Kostenvorteile im Handel zu nutzen. Kritisch sieht der Ökonom Kooths daher auch die Tendenz, den Handel auf befreundete Staaten zu konzentrieren, wie das etwa US-Finanzministerin Janet Yellen vorgeschlagen hat.
Trotz des Rückschlags durch den russischen Angriff auf die Ukraine solle man das Gedanken von "Wandel durch Handel" nicht aufgeben. Handel auch mit schwierigen Partnern biete zwar keine Garantie dafür, dass diese "mit fliegenden Fahnen unsere Werte übernehmen", so Kooths, "aber auf Dauer höhlt der stete Tropfen den Stein". Einfach dadurch, dass Menschen aus autoritären Regimen die westliche Kultur kennenlernten. Eine Abschottung von "allen problematischen Regimen, die es ja leider gibt", werde nicht in eine bessere Welt führen - weder politisch noch wirtschaftlich. Letztlich drohe eine neue Form von Protektionismus, warnt Kooths.
Globalisierung neu denken
Einen deutlich anderen Akzent setzt die Grünen-Politikerin Brantner. Der Blick auf die wirtschaftlichen Vorteile des Handels dürfe politische Aspekte nicht vernachlässigen. Die Globalisierung der kommenden Jahre müsse neu gedacht werden - auch mit Folgen für den Wohlstand. "Der Wohlstand wird nicht weniger, aber anders", sagt Brantner. Es gehe nicht mehr darum, vielleicht jedes Jahr ein neues Handy zu haben, sondern diese auch mal zu reparieren. Ziel seien auch höhere Sozialstandards: "Das heißt, dass wir unsere Kleider eben nicht mehr aus Zwangsarbeit beziehen."
In diesem Sinn habe sich die Bundesregierung auch auf die Zustimmung für das Freihandelsabkommen mit Kanada verständigt. Soziale und ökologische Ziele sollen beim CETA-Abkommen über eine Zusatzvereinbarung verbindlich werden. Das entspreche der neuen Linie der Ampel-Koalition in handelspolitischen Fragen. Sie stehen laut Staatssekretärin Brantner unter dem Motto "frei und fair": Wenn Länder beim Klimaschutz nicht mitmachen, könnten auch Zollvergünstigungen wegfallen. "Es gibt endlich nicht mehr nur die Einklagbarkeit, sondern auch die Sanktionierbarkeit von Klimaschutz, von Biodiversität und Kernarbeitsnormen - das ist ein Riesenschritt nach vorne."
Jahrelanges Ringen um CETA-Abkommen
Das Handelsabkommen mit Kanada wurde schon 2016 verhandelt und sieht den fast vollständigen Wegfall von Zöllen im Handel zwischen den EU-Staaten und Kanada vor. Einige EU-Staaten haben das Abkommen aber noch nicht ratifiziert, unter anderem wegen Kritik an den Regelungen zum Investitionsschutz. Hier geht es insbesondere darum, welche Rolle Schiedsgerichten zukommt, an die sich Unternehmen wenden können, wenn Investitionen durch nachträgliche Entscheidungen der Politik gefährdet werden. Hier soll es noch Gespräche über die Interpretation des Abkommens geben. Die Bundesregierung will verhindern, dass durch den Investitionsschutz nachträgliche gesetzliche Änderungen zum Beispiel im Klimaschutz erschwert werden.