Informationen im Überblick CETA - was wichtig ist
Freihandelsabkommen: Kaum ein Wort wie dieses erhitzt in diesem Jahr so sehr die Gemüter. Grund dafür sind CETA und TTIP. Beide Vorhaben werden oft zusammen in einem Atemzug genannt - obwohl es auch nennenswerte Unterschiede gibt. Die wichtigsten Informationen im Überblick.
Was ist CETA?
CETA ist ein Wirtschafts- und Handelsabkommen zwischen der EU und Kanada. Die Abkürzung steht für "Comprehensive Economic and Trade Agreement" (übersetzt: "Umfassendes Wirtschafts- und Handelsabkommen"). Der Text des Abkommens hat ohne Anhänge 491 Seiten. Das Ziel lautet: Unternehmen aus Kanada und der EU sollen gegenseitig einen verbesserten Marktzugang erhalten, zum Beispiel für Industriegüter, Agrarprodukte, Dienstleistungen und bei öffentlichen Aufträgen. Durch CETA sollen Handelshemmnisse abgebaut werden, zum Beispiel sollen 99 Prozent der Zölle wegfallen. Das alles soll Investitionen von Unternehmen erleichtern. Die EU und Kanada handeln jährlich mit Waren im Wert von etwa 60 Milliarden Euro. Die EU ist der zweitwichtigste Handelspartner für Kanada - umgekehrt steht Kanada bei der EU nur auf Platz zwölf der wichtigsten Handelspartner.
Die Diskussion um CETA steht in Zusammenhang mit dem geplanten Handelsabkommen TTIP zwischen der EU und den USA. Bundesregierung und EU sehen CETA als Vorbild für künftige Handelsabkommen.
Welche Vorteile verspricht CETA?
Die EU-Kommission und die Mitgliedstaaten erhoffen sich von dem seit 2009 verhandelten Pakt mit Kanada mehr Handel und Wachstum durch den Abbau von Zöllen und durch einheitliche Standards. Die Kommission rechnet damit, dass der Handel zwischen der EU und Kanada durch CETA um 23 Prozent steigen könnte. Das Bruttoinlandsprodukt in der Europäischen Union könnte um jährlich zwölf Milliarden Euro gesteigert werden und es könnten neue Arbeitsplätze entstehen, sagen Befürworter.
Das hat auch positive Auswirkungen auf die deutsche Wirtschaft: "Das CETA-Abkommen wird sich positiv auf die Exporte und die deutsche Wirtschaft auswirken", sagte der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Marcel Fratzscher, den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
Nach Auffassung der Verbraucherzentrale ist zudem zu erwarten, dass das CETA-Abkommen langfristig zu einer größeren Produktauswahl und möglicherweise auch zu geringeren Preisen führen kann.
Außerdem wird CETA als Grundstein für weitere Handelsabkommen weltweit angesehen. Scheitert das Abkommen, muss die EU um ihre Glaubwürdigkeit als Handelspartner fürchten. Der Tenor der CETA-Befürworter: Schafft die EU nicht mal ein Abkommen mit Kanada, mit wem soll es dann noch klappen?
Welche Nachteile könnte CETA haben?
Die Verbraucherzentrale fürchtet, dass durch CETA die Qualität der Produkte leiden wird. Die Gegner von CETA warnen grundsätzlich vor einer Senkung von Verbraucher- und Umweltstandards. Ein Aspekt dabei ist die Angst um das in der EU geltende Vorsorgeprinzip: Das besagt, dass Produkte nachweislich unschädlich sein müssen, bevor sie auf den Markt kommen dürfen. Kritiker fürchten, dass durch CETA dieses Prinzip ausgehebelt wird - und Produkte ohne entsprechende Nachweise auf den Markt kommen können.
Tatsächlich wird im CETA-Abkommen nicht explizit auf das generelle Vorsorgeprinzip eingegangen. Das kritisiert auch die Verbraucherzentrale. Für Lebensmittel sehen die Verbraucherschützer das Vorsorgeprinzip aber weitgehend gesichert, weil sich das Abkommen auf entsprechende Regelungen der Welthandelsorganisation beruft. Das Bundeswirtschaftsministerium weist die Kritik mit deutlichen Worten zurück: "Das Vorsorgeprinzip ist im EU-Primärrecht (Art. 191 AEUV) verankert. Es kann durch einen völkerrechtlichen Vertrag wie CETA nicht abgeschafft werden."
Auch das Thema Gentechnik steht auf der Liste der Kritiker. Diese fürchten, dass nach Abschluss von CETA gentechnisch veränderte Produkte den europäischen Markt fluten könnten. Zwar sieht das Abkommen vor, dass die EU-Gesetzgebung zur Gentechnik unangetastet bleibt. Dennoch fürchten Kritiker, dass dies auf Dauer umgangen werden kann. Denn durch CETA werden sogenannte Dialogforen festgeschrieben, mit denen die EU und Kanada im Gespräch über die Weiterentwicklung von Biotechnologie und entsprechenden Handel bleiben wollen.
Eine weitere Befürchtung der Kritiker: Unternehmen würden durch CETA gestärkt, die Demokratie geschwächt. CETA stärke "den ohnehin zu dominanten Einfluss der Konzerne und schwächt die demokratischen Rechte der Bürger", heißt es in einer vom Deutschen Kulturrat, dem Netzwerk Campact, den Umweltschutzorganisationen BUND und Greenpeace, der Verbraucherorganisation Foodwatch und der Bürgeraktion "Mehr Demokratie" veröffentlichten Erklärung.
Besonders kritisch sehen die Gegner die Errichtung eines ständigen, internationalen Schiedgerichtes, das an den ordentlichen, nationalen Gerichten vorbei agieren kann. Vor diesem Gericht können Unternehmen beispielsweise auf Schadenersatz klagen, wenn sie den Eindruck haben, dass neue Gesetze oder Regeln ihren Gewinn in ungerechtfertigter Weise schmälern. Kritiker fürchten, dass die Bundesregierung aus Angst vor möglichen Schadensersatzansprüchen der Unternehmen neue Gesetze und Regelungen meiden.
Wie läuft der EU-Entscheidungsprozess zu CETA ab?
Damit das CETA-Abkommen von EU und Kanada unterzeichnet werden kann, bedarf es der Zustimmung aller Regierungen der 28 EU-Mitgliedsstaaten. Auch das EU-Parlament muss dem Vorhaben zustimmen. Darüber hinaus müssen langfristig auch die jeweiligen Parlamente in den einzelnen Mitgliedsstaaten das Abkommen absegnen - in Deutschland also der Bundestag. Das hängt damit zusammen, dass CETA ein sogenanntes gemischtes Abkommen ist. Vertragsparteien sind demnach die EU, ihre Mitgliedsstaaten und Kanada.
Welche Gemeinsamkeiten haben CETA und TTIP?
CETA und TTIP werden oft in einem Atemzug genannt. Und tatsächlich gibt es ein paar Gemeinsamkeiten. Im Ursprung sahen beide Abkommen private Schiedsgerichte vor. Bei den sogenannten Investor-Staat-Schiedsverfahren (ISDS) können Firmen gegen Staaten klagen, wenn sie beispielsweise den Eindruck haben, dass neue Gesetze oder Regeln ihren Gewinn in ungerechtfertigter Weise schmälern. Als Schiedsrichter treten in solchen Fällen keine Richter im klassischen Sinne auf - sondern Rechtsanwälte.
Die privaten Schiedsgerichte sind umstritten, weil sie eine Sonderjustiz darstellen, die an den ordentlichen, nationalen Gerichten vorbeigeht. Auch beklagen Kritiker, dass die Verfahren nicht transparent seien - die Streitparteien müssen die Verfahren nicht öffentlich machen. Die Befürworter führen an, dass durch die ISDS Investitionen von Unternehmen geschützt werden.
Im Laufe der Verhandlungen und durch die deutliche öffentliche Kritik ist Kanada jedoch von den privaten Schiedsgerichten abgerückt. Stattdessen sollen im Streitfall ständige Gerichte schlichten, die öffentlich legitimiert sein sollen. Zwar bleibt auch bei dieser Variante eine Sonderjustiz für die Unternehmen bestehen, diese ist aber transparenter und abgesicherter. Kritiker wie Ver.di-Chef Frank Bsirke beklagen dennoch, dass die Gerichte nicht unabhängig seien.
Außerdem fürchten sowohl die Kritiker von TTIP als auch von CETA, dass die Bundesregierung aus Angst vor möglichen Schadensersatzansprüchen der Unternehmen neue Gesetze und Regelungen meiden. Sie sehen darin eine Gefahr für die Demokratie.
Eine weitere Gemeinsamkeit der beiden Abkommen ist die Sorge der Kritiker, das nach Abschluss gentechnisch veränderte Produkte den europäischen Markt erobern könnten. In den USA werden laut BUND auf 44 Prozent der Ackerfläche gentechnisch veränderte Pflanzen angebaut. In der EU sind es demnach nur 0,1 Prozent der Ackerfläche. In Kanada liegt der Wert laut dem Umweltinstitut München bei rund 25 Prozent.
Zwar sehen beide Abkommen - entsprechend der vorliegenden Informationen - vor, dass sich die EU-Gesetzgebung zur Gentechnik unangetastet bleibt. Dennoch fürchten Kritiker, dass dies auf Dauer umgangen werden kann: Bei CETA durch die sogenannten Dialogforen, mit denen die EU und Kanada im Gespräch über die Weiterentwicklung von Biotechnologie und entsprechenden Handel bleiben wollen. Bei TTIP dadurch, dass das Abkommen ständig von Expertenkommissionen geändert werden kann.
Welche generellen Unterschiede müssen beachtet werden?
Bei genauerer Betrachtung gibt es einige Unterschiede zwischen TTIP und CETA. So ist das CETA-Abkommen schon fertig ausgehandelt und liegt quasi zur Unterschrift bereit. Zwar wurde auch CETA geheim verhandelt, nach Abschluss der Verhandlungen veröffentlichte die EU aber diverse Dokumente im Internet. Die Inhalte des Abkommens sind also vergleichsweise transparent. Anders sieht es bei TTIP aus: Hier sind viele Aspekte noch nicht zu Ende verhandelt. Entsprechend schwer fällt es Experten, sich ein Bild zu machen und die Folgen abzuschätzen.
Auch die Vertragspartner - also die Länder Kanada und die USA - sind sehr verschieden. Kanada hat rund 35 Millionen Einwohner, eine sozialliberale Regierung und nur wenige global bestimmende Unternehmen. Die USA sind mit 319 Millionen Menschen gegen 509 Millionen Europäer ein ganz anderes Gegenüber. Die Supermacht hat diverse dominierende Weltkonzerne, auch in digitalen Zukunftsbranchen. "Die Kanadier haben ganz andere soziale und ökologische Standards als die USA", argumentiert die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft.
Auch bei der Art der Verhandlungen sind Experten zufolge Unterschiede zu erkennen. Demnach zeigt sich Kanada deutlich kompromissbereiter als die USA. Das zeigt sich unter anderem daran, dass das Land von den privaten Schiedsgerichten abgerückt ist und stattdessen nun ständige Gerichte akzeptiert. Die USA hingegen wollen weiterhin eine Schiedsgerichtsbarkeit. Auch im Bereich Landwirtschaft - etwa bei Menge von Fleisch- und Käseimporten - sollen Kompromisse erzielt worden sein.