Tusk und Trudeau setzten weiter auf CETA Prinzip Hoffnung
Schlechter könnten es um CETA kaum stehen. Doch trotz des Widerstands aus den belgischen Regionen glaubt die EU weiter an eine Unterzeichnung des Abkommens - noch am Donnerstag. Den dann angesetzten Gipfel wollen Ratspräsident Tusk und Kanadas Premier Trudeau noch nicht absagen.
Die Europäische Union will bis zur letzten Sekunde am ursprünglichen Zeitplan für das Freihandelsabkommen CETA festhalten. EU-Ratspräsident Donald Tusk einigte sich mit dem kanadischen Premierminister Justin Trudeau darauf, den für Donnerstag geplanten EU-Kanada-Gipfel zunächst nicht abzusagen. Trudeau werde am Donnerstag nach Europa reisen, hieß es aus Kanada.
Widerstand ungebrochen
Doch ob und wie das Aus für CETA noch verhindert werden kann, ist völlig offen. Denn weiterhin gibt es in Belgien Vorbehalte gegen das Handelsabkommen. So war Belgiens Regierungschef Charles Michel mit seinem Versuch gescheitert, bei einem Treffen mit führenden Regionalpolitikern des Landes deren Widerstand gegen CETA zu brechen. Zwei der drei Regionen des Königreichs - die Wallonie und Brüssel - stellen sich quer. Auch ein Ultimatum seitens der EU änderte daran nichts.
Michel kann das EU-Freihandelsabkommen mit Kanada aber nur unterschreiben, wenn ihm dafür alle drei belgischen Regionen die Erlaubnis geben. Und für CETA ist die Zustimmung aller EU-Mitgliedsländer nötig.
Angesichts dieser verworrenen Lage rief EU-Ratspräsident Tusk erneut "alle Parteien auf, eine Lösung zu finden". Es bleibe noch immer Zeit. Die belgische Regierung hatte zuvor mitgeteilt, dass sie CETA wegen innenpolitischer Widerstände weiter nicht zustimmen kann. CETA-Kritiker befürchten unter anderem, dass über das Abkommen vor allem die Rechte von internationalen Großkonzernen gestärkt werden.
Zusicherungen gefordert
Die gerade mal 3,6 Millionen Einwohner zählenden Wallonie verlangte bis zuletzt vor allem Zusicherungen zugunsten ihrer Landwirtschaft und Änderungen an Vereinbarungen zur Streitschlichtung zwischen Unternehmen und Staaten. Die Garantien für Umwelt- und Verbraucherschutz seien gut, aber letztlich nicht ausreichend für eine Zustimmung. Mit CETA wollen die EU und Kanada Zölle und andere Handelshemmnisse beseitigen, um Jobs und Wirtschaftswachstum zu schaffen.
CETA "zurzeit faktisch gescheitert"
Für Bernd Lange, den Vorsitzenden des Handelsausschusses im EU-Parlament, ist CETA zwar nicht endgültig erledigt, aber "zurzeit faktisch gescheitert". Weiteren Vermittlungsversuchen gibt er keine Chance, weil sich auch nach dem massiven politischen Druck der vergangenen Tage die Haltung der CETA-Gegner Belgiens nicht geändert hat. Mit der sozialistisch regierten Wallonie geht Sozialdemokrat Lange hart ins Gericht: Deren Bedenken müsse man zwar ernst nehmen. "Aber dass sie das nicht vorher in den Diskussionsprozess eingebracht haben und jetzt aus innenpolitischen Gründen den harten Max machen, ist nicht akzeptabel."
Noch schärfer fällt die Reaktion in der Reihen der konservativen Europapolitiker aus. Elmar Brok von der CDU bescheinigt Belgien im Interview mit dem "Tagesspiegel", "kein handlungsfähiger Staat" zu sein. Sein Parteikollege Herbert Reul wiederum machte EU-Parlamentspräsident Martin Schulz für die Situation mitverantwortlich: Weil der sich dafür eingesetzt hatte, dass CETA nicht nur auf EU-Ebene, sondern auch in den Nationalstaaten ratifiziert werden muss. Damit habe Schulz den CETA-Gegnern der Wallonie "die Grundlage für die Blockade geliefert".
"Wir brauchen konstruktiven Ansatz"
CSU-Europapolitiker Manfred Weber, der Chef der konservativen Fraktion im Europaparlament, sagte der ARD in Straßburg: "Es kann nicht sein, dass Europa jetzt unter Beschlag genommen wird von sozialistischen Machtspielen. Wir brauchen einen konstruktiven Ansatz."
Zum Beispiel bei den Bedenken der Wallonie zum neuen Handelsgericht für Konzernklagen, das mit CETA eingeführt werden soll. Die Befürchtung ist, dass dieses Gericht Unternehmen die Möglichkeit gibt, auf dem Klageweg politische Entscheidungen auszuhebeln. Diese Sorge sei berechtigt, so Weber, deswegen müsse man die Unabhängigkeit der Richter im CETA-Text unmissverständlich festlegen. "Solche konkreten Punkte müssen wir der Wallonie jetzt zugestehen. Dann glaube ich auch, dass es da weitere Bewegung geben wird."