Besucher am Strand des Ostseebades Binz.
hintergrund

Teurer Deutschland-Urlaub Verschreckt die Tourismus-Branche ihre Gäste?

Stand: 14.07.2023 13:32 Uhr

Hotels, Restaurants, Eintrittsgelder, Strandkörbe: Auch in den deutschen Urlaubs-Hotspots steigen die Preise. Dabei ist der Service sogar schlechter geworden. Die Reisebranche steht vor einem Umbruch.

Von Heidi Gruner und Matthias Weidner, mdr

Familie Gründler aus Chemnitz will in den Urlaub. Die Fünf haben keine hohen Ansprüche. Zwei Wochen Mitte August, ein nettes Ferienhaus, gern in Strandnähe - am liebsten an der Ostsee.

Im Internet finden sie etwas Passendes: drei Zimmer, eigener Garten, nah am Wasser. Das Problem: Zwei Wochen sollen 4481 Euro kosten. "Dazu müssen wir noch anderthalbtausend Euro für Essen, Benzin und Sonstiges rechnen", sagt Vater Sascha Gründlers.

Ein Blick in die Buchungsportale zeigt: Es ist teuer geworden, vor allem direkt am Wasser. Nur vereinzelt gibt es noch Schnäppchen. Ein Haus mit Blick aufs Meer für unter 4000 Euro ist schwer zu finden. "Für Deutschland-Urlaub ist das krass. Das kann man sich kaum leisten", sagt Kristin Gründler.

Hohe Preise und fehlendes Personal schmälern die Qualität des Inlandtourismus

Matthias Weidner, MDR, Plusminus, 12.07.2023 21:45 Uhr

"Es ist eine Gratwanderung"

In Binz auf Rügen hat gerade die Hochsaison begonnen. Im IFA-Ferienpark direkt am Wasser mit 540 Zimmern kostet ein Doppelzimmer ohne Frühstück jetzt 150 Euro. Im vergangenen Jahr waren es 125 Euro: ein Plus von 20 Prozent. Das sei nötig wegen der Inflation, so Hoteldirektor Thomas Krüger.

"Es ist eine Gratwanderung, den Punkt zu finden, bis zu dem die Gäste mitgehen", sagt Krüger. "Wenn man übers Ziel hinausschießt, steht man alleine da." Eine vierköpfige Familie könne sich die Preise dann einfach nicht mehr leisten.

Boom der Corona-Jahre vorbei

2020 und 2021 erlebten die deutschen Seebäder einen riesigen Ansturm. Auslandsreisen waren wegen Corona unsicher oder unmöglich. Und so wurde hier praktisch jedes Bett gebucht.

Diese Zeiten sind vorbei. Die Nachfrage in der Vorsaison ist in Binz um 20 Prozent gesunken. "Alle Corona-Beschränkungen weltweit sind gefallen", sagt Ronald Rambow vom Fremdenverkehrsverein. "Das Angebot an Urlaubsreisen hat wieder zugenommen. Die Gäste verteilen sich wieder."

Ausgaben um 26 Prozent gestiegen

Auch dahin, wo Urlaub preiswerter ist. Deutschland ist teurer als die meisten europäischen Ziele. 2019, vor Corona, haben Urlauber im Inland im Schnitt 64 Euro pro Tag ausgegeben. Jetzt sind es 80 Euro - ein Plus von 26 Prozent. Die Verbraucherpreise insgesamt sind in dieser Zeit um 13 Prozent gestiegen.

Trotz der Inflation: Einen Einbruch bei der Nachfrage stellt Tourismus-Experte Marco Richter von der FH Dresden nicht fest. "Das Preisbewusstsein nimmt zu, aber die Reiseintensität erlebt keinen Einbruch. Das sagen alle Studien." Was bei den Preisen passiere, sei eine Normalisierung: "Die Reisebranche sticht hier nicht negativ heraus im Vergleich zu anderen Branchen."

Fachkräftemangel belastet zusätzlich

Und sie kämpft mit dem Fachkräftemangel. Im IFA-Ferienpark in Binz bleibt der beliebte Bier-Pub in dieser Saison geschlossen - es fehlt das Personal. 180 Mitarbeiter bräuchte das Hotel, nur 150 sind es in dieser Saison.

Ein Grund: der schlechte Ruf der Branche. "Unterbezahlt, nachts und abends arbeiten, Weihnachten, Silvester auch, so der Tenor. Wir spüren jetzt die Auswirkungen", sagt Hoteldirektor Krüger. "Wenn sie heute eine Stelle ausschreiben, dann kriegen sie entweder gar keine Bewerbung, oder die Gehaltswünsche sind überzogen."

Die Folge für die Gäste: mehr Selbstbedienung, kürzere Öffnungszeiten, längere Schlangen, mehr Ruhetage. Trotz höherer Preise also insgesamt weniger Service.

Andrang trotz gestiegener Preise

Auch an der Zugspitze hat die Hochsaison begonnen. Am Zugspitz-Bahnhof in Garmisch stehen schon am Morgen die Urlauber an. Nur 4500 Menschen dürfen hoch auf den Berg, dann wird der Ticketverkauf eingestellt. Der Andrang ist groß, obwohl die Preise gestiegen sind. Ein Tagesticket kostet jetzt 68 Euro, sieben Prozent mehr als im vergangenen Jahr. Oben im Münchner Haus kostet eine Bratwurst jetzt sechs statt fünf Euro - ein Plus von 20 Prozent.

Gleich um die Ecke liegt das Hotel Alpenhof in Murnau, ein Vier-Sterne-Haus. Direktor Christian Bär hat vor allem im Restaurant die Preise angehoben, im Schnitt um etwa 25 Prozent pro Gericht.

"Der Energiepreis, die Wareneinsätze, vor allem die Fleischpreise gehen auf jeden Fall nach oben", sagt er. "Wir haben gar keine andere Chance, als das weiterzugeben. Sonst bleibt da wenig übrig."

"Wahnsinnig schöne Branche"

Auch in Bayern ist der Arbeitskräftemangel ein Problem. 62 Prozent der Gastronomiebetriebe hier suchen vergeblich Mitarbeiter. Deutschlandweit sind 21.600 Stellen unbesetzt. Hotelier Christian Bär versucht, Personal im Ausland zu gewinnen, muss aber oft monatelang auf Visa warten.

Doch auch die Branche selbst sei schuld. "Wir müssen mehr tun, um Mitarbeiter für uns zu begeistern. Wir haben eine wahnsinnig schöne Branche, irrsinnig abwechslungsreich. Das müssen wir vielen aber erst beibringen. Früher mussten wir das nicht."

Setzt ein Umdenken ein?

Auch Branchenkenner Richter beobachtet ein Umdenken. "Wir erleben eine Transformationsphase im Tourismus. Viele Hoteliers haben verstanden, dass die Mitarbeiter ihre wichtigste Ressource sind."

Hotel-Direktor Krüger aus Binz sieht die Lage nicht ganz so optimistisch: "Wir werden mehr Convenience-Produkte in der Küche und mehr Selbstbedienung erleben", prognostiziert er. "Charmanten Service wird es nur noch in wenigen, sehr guten Häusern geben."

Und Familie Gründler aus Chemnitz? Sie fährt an die Ostsee und bekommt Hilfe bei den Urlaubskosten - von den Großeltern. 

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete das Magazin Plusminus am 12. Juli 2023 um 21:45 Uhr.