Weltraumtourismus 450.000 Dollar für ein Ticket ins Weltall
Der erste kommerzielle Flug von Virgin Galactic ist gestartet - und könnte der endgültige Beginn für Tourismus im Weltraum sein. Wer steckt hinter der Firma, wie entwickelt sich das Geschäft, und wer sind die großen Rivalen?
Das Weltraumtourismus-Unternehmen Virgin Galactic absolviert seinen ersten kommerziellen Flug ins All. Bei dem insgesamt 90-minütigen Flug mit der "VSS Unity" verbringen zwei Angehörige der italienischen Luftwaffe und ein italienischer Forscher mehrere Minuten in der Schwerelosigkeit und nehmen eine Reihe von Versuchen vor. Erstmals werden damit mit dem Raumschiff von Virgin Galactic Touristen in den Weltraum befördert.
Gegründet vom britischen Milliardär Richard Branson
Für Virgin Galactic dürfte der Flug der wohl wichtigste in der Firmengeschichte werden. Chef Michael Colglazier sprach von einer "neuen Ära von wiederholbarem und verlässlichem Zugang zum Weltraum". 2021 hatte das Unternehmen die Genehmigung der US-Regierung erhalten, zahlende Passagiere auf kurze Weltraumreisen zu schicken. Gegründet wurde es 2004 von Richard Branson. Der britische Milliardär ist bekannt für seinen extravaganten Lebensstil und seine waghalsigen Aktivitäten. Rund um die Marke Virgin baute er ein Imperium auf.
Zusammen mit Freunden hatte Branson zu Beginn der 70er-Jahre eine Kette von Plattenläden ins Leben gerufen, aus der später das Label Virgin Records entstand. Der Start verlief glänzend: Eine Platte von Mike Oldfield, "Tubular Bells", verkaufte sich 1973 so erfolgreich, dass Branson damit gewissermaßen den Grundstein des Kapitals für sein künftiges Imperium legen konnte. Später nahm das Label die Punkband Sex Pistols unter Vertrag und schaffte mit ihr endgültig den Durchbruch.
Daraufhin gründete Branson eine Unternehmensgruppe, die Virgin Group. Mitte der 80er-Jahre stieg Branson mit Virgin Atlantic in die Airline-Branche ein. Als die Fluggesellschaft schließlich in finanzielle Schwierigkeiten geriet, musste er für ihre Rettung 1992 das Plattenlabel für eine Milliarde Dollar verkaufen. Zur Virgin Group gehören darüber hinaus Handelsketten, Finanzdienstleister und ein Eisenbahnunternehmen. Daneben steckte der Brite sein Geld aber eben auch in exklusivere Unternehmungen - wie Virgin Galactic.
Erster bemannter Testflug vor knapp zwei Jahren
Mit der Idee, die Grenzen der Menschheit zu erweitern, ist Branson jedoch nicht allein. Für andere Milliardäre ist das offenbar ebenfalls ein prestige- und symbolträchtiges Thema. So befindet sich Virgin Galactic in einem harten Wettbewerb mit Blue Origin von Amazon-Gründer Jeff Bezos und SpaceX von Tesla-Chef Elon Musk, die ebenfalls Touristen in den Weltraum befördern wollen und bereits getan haben. Das Weltraumtourismus-Programm von Virgin Galactic hatte sich in der Vergangenheit immer wieder verzögert, insbesondere nach einem Unfall im Jahr 2014, bei dem ein Pilot ums Leben kam.
Vor knapp zwei Jahren war Branson mit seinem Raumschiff schließlich zum ersten Mal den Weg ins Weltall angetreten. Der 72-Jährige war mit zwei Astronautinnen und drei Astronauten in der "VSS Unity" zu einem Testflug aufgebrochen - nur neun Tage vor Bezos. Der Trip war damals ein gelungener PR-Coup gegen den Konkurrenten, der seinen Flug ins Weltall bereits mit großem Aufwand beworben hatte. Die "VSS Unity", das zweite Raumfahrzeug der "SpaceShipTwo"-Klasse, stieg laut Virgin Galactic auf eine Höhe von mehr als 80 Kilometern. Zum Vergleich: Die internationale Raumstation ISS befindet sich etwa 400 Kilometer über der Erdoberfläche.
Ab August monatliche Touristenflüge
Während des Fluges war es allerdings zu Komplikationen gekommen. Laut der US-Luftfahrtbehörde war das Raumschiff "von seiner Flugsicherungsfreigabe abgewichen"und für fast zwei Minuten außerhalb seines zugewiesenen Luftraum-Korridors unterwegs gewesen. Hinzu kam, dass Virgin Galactic die FAA nicht sofort über das Problem informiert hatte. Daher erteilte die Behörde dem Raumflugzeug ein Startverbot, das nach drei Wochen unter Auflagen wieder aufgehoben wurde. Erst Ende Mai hatte die "VSS Unity" nach fast zweijähriger Unterbrechung wieder einen Testflug ins All absolviert.
Nach dem heutigen Forschungsflug will Virgin Galactic ab August im monatlichen Rhythmus Flüge mit der "VSS Unity" durchführen und Touristen einen Blick auf die Erde ermöglichen. Im Jahr 2026 soll dann ein neues Raumschiff das Tempo deutlich erhöhen. "Delta" kann dem Unternehmen zufolge mit sechs Passagieren doppelt so viele wie bislang transportieren und soll wöchentlich fliegen. Der erste Testflug soll 2025 stattfinden. Kostenpunkt: 50 bis 60 Millionen Dollar pro Raumschiff plus Betrieb und Abschreibungen.
Im Gegenzug erwartet Virigin Galactic pro Flug Einnahmen von 2,7 Millionen Dollar. In den vergangenen zehn Jahren verkaufte das Unternehmen etwa 800 Karten zur kommerziellen Raumfahrt. Für ein Ticket zahlen Interessierte derzeit 450.000 Dollar, nach anfänglich 200.000 Dollar.
Touristenmissionen im All nehmen zu
Investmentbanken und Branchendiensten zufolge beträgt das Umsatzpotenzial des gesamten Weltraumtourismus 2030 drei bis zwölf Milliarden Dollar. Weltraumflüge sind jedoch risikoreich, schwer kalkulierbar und teuer. Um Kosten zu sparen, kombiniert Virgin Galactic die Luft- und Raumfahrt. Nachdem ein Trägerflugzeug das Raumschiff von einer Landebahn zunächst in eine Höhe von rund 15 Kilometern bringt, fliegt das Raumschiff anschließend alleine weiter. SpaceX und Blue Origin setzen dagegen eher auf konventionelle Raketenstarts. Der Weltraumtourismus ist zuletzt stark gewachsen - und wird es weiter.
Im vergangenen Jahr hatte Blue Origin sechs Menschen mit dem weitgehend automatisierten Raketensystem "New Shepard" für einen Kurztrip ins All geschickt. Beim ersten Flug im Juli 2021 war unter anderem Amazon-Gründer Bezos selbst an Bord. Am zweiten im Oktober 2021 nahm der damals 90-jährige kanadische Schauspieler William Shatner teil, der mit seiner Rolle als "Captain Kirk" in "Star Trek" weltberühmt geworden war. Im Mai diesen Jahres waren zudem vier Weltraumtouristen durch ein privat finanziertes Raumschiff auf die ISS gebracht worden. Mit der Mission Axiom 2 unter der Leitung einer Ex-NASA-Astronautin hatten ein Amerikaner sowie eine Frau und ein Mann aus Saudi-Arabien den Außenposten der Menschheit in der Erdumlaufbahn erreicht.
Noch einen Schritt weiter geht SpaceX. Der Konzern von Elon Musk, der erstmals 2021 vier Passagiere ins All schickte, will Touristen nicht nur in die erdnahe Umlaufbahn bringen, sondern bemannte Missionen zu Mond und Mars ermöglichen. Im April wurde erstmals das dafür vorgesehene Raketensystem "Starship" in seiner Gesamtheit - bestehend aus dem rund 70 Meter langen Booster "Super Heavy" und der rund 50 Meter langen ebenfalls "Starship" genannten oberen Stufe - getestet. Zwar ist es wenige Minuten nach dem Start mit einer ungeplanten Explosion zu Ende gegangen, das Raumfahrtunternehmen bewertete den Test trotzdem als Erfolg.
Mit Informationen von Till Bücker, ARD-Finanzredaktion.