Reisende stehen am Flughafen DüsseldorfIn in einer Warteschlange.

Mögliche Streiks und Wartezeiten Was Flugreisende diesen Sommer erwartet

Stand: 22.06.2023 07:29 Uhr

Im ersten Bundesland haben die Ferien begonnen. Vergangenen Sommer kam es an Flughäfen zu massiven Verspätungen und Streiks, Koffer gingen verloren. Worauf müssen sich Flugreisende in den kommenden Wochen einstellen?

Mit Nordrhein-Westfalen ist heute das erste Bundesland in Deutschland in die Sommerferien gestartet, in den kommenden Wochen folgen die restlichen Länder. Der hohen Inflation zum Trotz ist die Reiselust der Deutschen nach der Corona-Zeit enorm hoch. Doch nicht wenige Reisende blicken mit Sorge auf ihre Flüge - nach den Erfahrungen aus den Sommerferien im vergangenen Jahr. Damals hatten Urlauber mit zahlreichen Verspätungen, Warteschlagen, Flugausfällen und vermisstem Gepäck zu kämpfen. Für dieses Jahr zeigt sich die Branche zuversichtlich, dass es besser laufen wird als 2022. Was erwartet Flugpassagiere im Sommer?

Die Reiselust ist groß

Nach dem Einbruch des Reisegeschäfts in der Corona-Zeit geht der internationale Luftfahrtverband IATA in diesem Jahr von weltweit rund 4,35 Milliarden Flugreisenden aus. Damit wäre annähernd das Vor-Pandemie-Niveau von 2019 erreicht, als 4,54 Milliarden Passagiere von den Fluggesellschaften befördert wurden. Ob die Zahl erreicht wird, hängt stark von den personellen Kapazitäten ab.

Flugreisen deutlich teurer

Laut einer Auswertung des ADAC von Anfang des Jahres sind die Flüge in diesem Jahr um 46 Prozent teurer als noch im vergangenen Jahr. Gegenüber 2021 haben sich die Flugpreise einiger Airlines sogar verdoppelt. Besonders für Tickets der Fluggesellschaft Lufthansa und auch der Schweizer Tochter Swiss zahlen Reisende Preise, die mehr als 40 Prozent über dem Niveau von 2022 liegen. Die Airline-Branche rechnet in diesem Jahr daher mit einem doppelt so hohen Gewinn wie 2022.

"Die Reisepreise sind gestiegen, keine Frage", sagt der Präsident des Deutschen Reiseverbandes (DRV), Norbert Fiebig, und verweist auf die insgesamt hohe Inflation. Durch die gestiegenen Energiekosten sei vor allem der Fluganteil bei Veranstalterreisen teurer geworden. Bei Hotels kämen höhere Lebensmittelpreise hinzu. Preiserhöhungen fielen je nach Ziel und Hotel unterschiedlich hoch aus.

Nach einer Auswertung des Vergleichsportals Check24 ist zum Beispiel Sardinien sogar etwas günstiger als im Sommer 2022. Im Schnitt der 30 meistgebuchten Ziele zahlten Pauschalreisende für eine Kombination aus Flug und Hotel bei Buchungen bis Ende Mai demnach allerdings rund acht Prozent mehr als in den Sommerferien 2022.

Sorgen wegen des Fachkräftemangels

Verantwortlich für das Flugchaos im vergangenen Jahr war zu großen Teilen das fehlende Personal. 2022 fehlte am Boden ein Fünftel des Personals im Vergleich zum Vor-Corona-Niveau. Während der Pandemie orientierten sich viele Beschäftigte an Flughäfen und bei den Airlines beruflich um, hinzu kamen Abfindungsangebote und Entlassungen. Diese Lücke dürfte aufgrund der zunehmenden und branchenübergreifenden Konkurrenz um Personal nicht einfach zu füllen sein.

Im vergangenen Jahr machte sich diese Lücke auch in der Gepäckabfertigung bemerkbar. Bilder von sich auftürmenden Kofferbergen an vielen Flughäfen prägten den Chaos-Sommer 2022. Als Maßnahme dagegen wurde an diversen deutschen Flughäfen das Personal wieder aufgestockt. So hat der Flughafenbetreiber Fraport in der Abfertigung im vergangenen Jahr 2500 neue Mitarbeiter gewonnen. In diesem Jahr sollen 850 weitere folgen.

Fraport "vorsichtig optimistisch"

Vertreter von Flughäfen und Reisebranche sind entsprechend zuversichtlich, dass sich ein Flugchaos wie im vergangenen Jahr in diesem Sommer so nicht wiederholt. Die Situation bleibe aber herausfordernd, erklärte der Betreiber des Frankfurter Flughafens, Fraport. "Aber wir sind vorsichtig optimistisch, auch für die kommenden Sommermonate gemeinsam mit unseren Partnern einen stabilen Betrieb in FRA mit den für die Ferienzeit phasenweise üblichen Wartezeiten sicherzustellen."

Nach Angaben des Flughafenverbands ADV wurden an Flughäfen unter anderem Prozesse verbessert und Mitarbeiter angeworben. Der weitgehend problemlose Ablauf in den Osterferien war aus Sicht von ADV-Hauptgeschäftsführer Ralph Beisel nur eine erste Bewährungsprobe. "Die volle Leistungsfähigkeit der Abläufe zeigt sich erst in den Sommermonaten, wenn Terminals, Vorfelder und auch der von der Flugsicherung kontrollierte Luftraum dauerhaft Höchstbelastungen ausgesetzt sind." Die Reisesaison 2023 werde deutlich besser laufen, aber die Bewältigung der Stoßzeiten werde je nach Flughafen fordernd sein, erwartet Beisel.

"Slot" für die Sicherheitskontrolle

Am Hamburger Flughafen und auch an weiteren Flughäfen gibt es seit diesem Jahr zudem die Möglichkeit, einen "Slot", also ein Zeitfenster, für die Sicherheitskontrolle zu buchen, um lange Wartezeiten zu vermeiden.

Am Flughafen Köln/Bonn soll dagegen eine zweite private Sicherheitsfirma Schlangen und Verzögerungen verhindern. Dass solche Maßnahmen nicht immer helfen, bewies der Hamburger Flughafen just im vergangenen Monat. An der Sicherheitskontrolle kam es wieder zu Wartezeiten von bis zu 40 Minuten.

Der Düsseldorfer Flughafen hat für eine bessere Abfertigung im Frühjahr dagegen 30 Einzelmaßnahmen bekanntgegeben: für die Sicherheitskontrolle, die Gepäckabfertigung und Sauberkeit. Dazu zählen etwa ein früherer Check-In, mehr Check-In-Automaten für das Gepäck und personelle Verstärkung.

Auch die Airlines haben Schritte unternommen, um den Personalmangel in den Griff zu bekommen. Die Lufthansa hatte schon im Februar angekündigt, 34.000 Flüge aus dem Sommerprogramm zu streichen. Die abgesagten Flüge sollten dabei die Arbeitslast aufgrund des Personalmangels verringern. Das Unternehmen hat zudem das Ziel, das Personal bis Ende des Jahres um 20.000 neue Angestellte aufzustocken.

Streiks im Sommer?

Beeinträchtigungen für Flugreisende könnten im Sommer neue Streiks zur Folge haben. In der Tarifverhandlung zwischen der Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) und der Lufthansa hat die Gewerkschaft ein Angebot der Airline in dieser Woche als nicht ausreichend zurückgewiesen. Medienberichten zufolge wurde den Piloten eine Gehaltssteigerung von 18,5 Prozent angeboten - verteilt über mehrere Jahre bis 2025. Die Gewerkschaft hatte dagegen 8,5 Prozent mehr Gehalt bei einer Laufzeit von zwölf Monaten gefordert.

"Wir liegen weiterhin deutlich auseinander", zitierte das Luftfahrtportal Aero.de ein Schreiben der VC. Ende Juni endet zudem die Friedenspflicht für die mehr als 5000 Piloten, womit Streiks in der Sommerferienzeit wieder möglich wären.

Britisches Sicherheitspersonal im Ausstand

Aber auch Ausstände im Ausland können deutsche Flugreisende betreffen. Sicher ist, dass am Londoner Flughafen Heathrow das Sicherheitspersonal in der Hauptreisesaison zwischen dem 24. Juni und 27. August insgesamr 31 Tage lang für ein höheres Gehalt streiken will. In der Zeit legen knapp 3000 Sicherheitskräfte an den Terminals drei und fünf tageweise ihre Arbeit nieder. Die Gewerkschaft warnte bereits vor Verspätungen, Störungen und auch Annullierungen.

In Spanien hat die größte Pilotengewerkschaft bereits zu mehreren Streiks aufgerufen. Bis zum 2. Juli legen die Piloten der Fluggesellschaft Air Europa ihre Arbeit nieder, wovon Reisende der Airline von und nach Spanien betroffen sind.

Mit Informationen von Antonia Mannweiler.