Baustellen und Sperrungen Ein neuer Chaos-Sommer für die Bahn?
Der Startschuss für die Sommerferien in Deutschland ist gefallen. In NRW haben Schüler heute ihren letzten Unterrichtstag. Bahnreisenden stehen mit überfüllten Zügen und Streckensperrungen jedoch turbulente Wochen bevor.
In Deutschland beginnen die Sommerferien. Den Anfang macht in diesem Jahr mitten in der Woche das bevölkerungsreichste Bundesland Nordrhein-Westfalen - hier haben die Schülerinnen und Schüler heute ihren letzten Schultag. Auf Autobahnen, bei der Bahn und an Flughäfen ist deshalb ab dem Nachmittag mit mehr Betrieb zu rechnen.
Der Zeitpunkt könnte also kaum unpassender sein, doch genau ab morgen sperrt die Bahn wegen Bauarbeiten die wichtige Verbindung zwischen Düsseldorf und Wuppertal für knapp sechs Wochen.
Auch darüber hinaus dürfte es in den nächsten Wochen und Monaten zu Beeinträchtigungen für die Fahrgäste kommen, darauf hat der für das Schienennetz verantwortliche Vorstand der Deutschen Bahn, Berthold Huber, in den Magazinen "Stern" und "Capital" hingewiesen. Grund seien umfangreiche Sanierungsarbeiten am Bahnnetz mit Blick auf die Fußball-Europameisterschaft im kommenden Jahr, so Huber. "Erstmal wird es mühsamer, bevor es gut wird. Anders geht es nicht."
Welche Strecken gesperrt?
Wichtige Strecken wie Mannheim-Frankfurt oder Hamburg-Berlin würden saniert und für Monate komplett gesperrt, sagte Huber weiter. "Wir machen da nicht nur Gleise, Weichen, Oberbau und Stellwerke neu, sondern erhöhen die Kapazität zusätzlich durch weitere Maßnahmen." Leider seien große Teile des deutschen Schienennetzes über Jahrzehnte auf Verschleiß gefahren worden.
Der Bund hat für die Sanierung der Bahnstrecken bis 2030 nun etwa 90 Milliarden Euro in Aussicht gestellt. Reisende würden voraussichtlich "ab Ende nächsten Jahres sukzessive Verbesserungen spüren", führte der DB-Vorstand aus. "Bis 2030 werden wir alle wichtigen Korridore saniert haben."
Weitere Baustellen und Reparaturen
Über den Sommer hinweg dürften darüber hinaus auch Reparaturarbeiten an diversen Strecken für Verspätungen, Ausfälle und Umleitungen sorgen. So erneuert die Bahn etwa auf der Strecke zwischen Bochum und Essen im Juli über drei Wochen hinweg eines der beiden Gleise, was zu Umleitungen und Halteausfällen führen dürfte.
In der Hansestadt Hamburg werden dagegen für zwei Wochen auf den Streckenabschnitten zwischen dem Hauptbahnhof und Hamburg-Altona Brückenarbeiten an den Eisenbahnüberführungen vorgenommen, weshalb die Strecke für den Bahnverkehr gesperrt wird.
In Stuttgart finden rund um den Bahnhof Bad Cannstatt bis Ende Juli Umbaumaßnahmen statt, die ebenfalls zu Sperrungen und Umleitungen führen. Auch zwischen Aachen und Düren, Gelsenkirchen und Essen und rund um Köln und Düsseldorf führen Reparaturarbeiten zu Beeinträchtigungen für Reisende.
Deutschlandticket sorgt für überfüllte Züge
Auf der einen Seite werden Strecken erneuert oder über Monate gesperrt, auf der anderen Seite drohen darüber hinaus wegen des Deutschlandtickets überfüllte Züge. Davor warnt der Fahrgastverband Pro Bahn. "Schon heute sind viele dieser Züge voll bis übervoll", sagte der Ehrenvorsitzende von Pro Bahn, Karl-Peter Naumann, den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Grund dafür: Das vor zwei Monaten eingeführte Deutschlandticket, das 49 Euro kostet.
Eine dringend notwendige Aufstockung der Verbindungen auf stark genutzten Strecken sei aber nicht möglich, sagte Naumann. "Die Bahn kann ihre Verbindungen nicht ausbauen, da es sowohl an Waggons und Personal fehlt, zudem würden die Bahnsteige für längere Züge nicht ausreichen."
Kritik an Abo-Modell
Nach Einschätzung des Fahrgastverbandes tun sich zudem viele Kundinnen und Kunden mit dem Kauf des bundesweiten Fahrkartenangebots schwer. "Das war beim 9-Euro-Ticket besser. Man konnte das einfach am Fahrkartenautomaten als Papierversion kaufen", sagte Andreas Schröder vom Verband Pro Bahn der Deutschen Presse-Agentur. Dass das Ticket nur online, über Reisezentren oder mit Hilfe des Aboservices zu erwerben sei, stelle viele vor Herausforderungen und sei zu kompliziert, was viele Interessenten vom Kauf abhalte. Besonders ältere Menschen wünschten sich eine unbürokratischere Alternative.
Auch, dass es das Ticket nur im Abo zu kaufen gibt, sei ein negativer Faktor. Somit seien beispielsweise Reisende aus dem Ausland aus dem Angebot ausgeklammert. "Keiner kommt nach Deutschland für drei Tage und kauft sich dann ein Deutschlandticket im Abo", bemängelte Schröder. Dazu komme, dass einige Nutzerinnen und Nutzer die genauen Einsatzmöglichkeiten des Tickets nicht vollkommen verstünden und die Anerkennung in einigen Zügen nicht ganz klar sei.
Besser als 9-Euro-Ticket?
Und dennoch gibt es zwei Monate nach Einführung des 49-Euro-Tickets auch Positives zu berichten. "Es ist besser als beim 9-Euro-Ticket, weil die Züge nicht so übervoll sind", sagte Schröder. Da das Deutschlandticket teurer und auf Dauer angelegt sei, gebe es keine so unmittelbar erhöhte Nachfrage nach Zugfahrten wie im vergangenen Sommer, als das bundesweite Ticket auf nur drei Monate begrenzt war.