Eine Kundin nimmt in einem Berliner Supermarkt Waren vom Band an der Kasse, nachdem eine Kassiererin die Waren gescannt hat.
analyse

Steigende Nahrungsmittelpreise Teure Lebensmittel - und kein Ende in Sicht?

Stand: 28.04.2023 05:38 Uhr

Die Lebensmittelpreise in Deutschland steigen immer weiter. Daran sind auch die großen Nahrungsmittelkonzerne und der Lebensmittel-Einzelhandel nicht ganz unschuldig.

Von Angela Göpfert, ARD-Finanzredaktion

Entspannung an der Inflationsfront - so könnte man die jüngsten Entwicklungen bei den Verbraucherpreisen auf den ersten Blick interpretieren. Auch im April dürfte die Inflationsrate abermals gefallen sein, wenn auch nur leicht: Experten rechnen mit einem Rückgang auf 7,3 Prozent nach 7,4 Prozent im März. Es wäre dennoch der tiefste Stand seit August 2022.

Lebensmittelpreise steigen dreimal so stark wie Gesamt-Inflation

Wer aber im Supermarkt vor den Regalen steht, dürfte von nachlassendem Preisdruck nicht allzu viel spüren. Im Gegenteil: Der Anstieg der Nahrungsmittelpreise hatte zuletzt sogar einen Höchststand erreicht, Nahrungsmittel waren im März um 22,3 Prozent teurer als im Vorjahresmonat.

Der Anstieg der Lebensmittelpreise liegt damit mittlerweile dreimal so hoch wie die Gesamtteuerung. Während die gesunkenen Energiepreise aktuell sogar dämpfend auf die Inflation wirken, sind die Nahrungsmittelpreise ein großer Treiber der Verbraucherpreise. Exakt zwei volle Prozentpunkte der Gesamtteuerungsrate gingen im März noch auf den Anstieg der Nahrungsmittelpreise zurück.

Zucker, Milch und Käse deutlich teurer

Auffällig hoch war die Teuerung zuletzt bei einzelnen Nahrungsmitteln, so mussten Verbraucherinnen und Verbraucher beispielsweise für Zucker 70,9 Prozent mehr bezahlen als im Vorjahresmonat. Auch die Preise für Molkereiprodukte und Eier zogen mit 34,6 Prozent deutlich an. Erhellend ist auch der etwas längerfristige Blick in den Rückspiegel: Seit 2020 hat sich etwa der Liter Vollmilch um 43,5 Prozent verteuert, für Schnittkäse müssen Verbraucher mittlerweile gar 59 Prozent mehr zahlen.

An den hohen Preisen für Nahrungsmittel dürfte sich Experten zufolge im April nicht viel geändert haben. "Preistreiber bleiben die Nahrungsmittel", betont etwa der Chefvolkswirt der NordLB, Christian Lips. Laut der aktuellen Unternehmensumfrage des Münchener ifo-Instituts steigen in einigen Bereichen des Einzelhandels die Preiserwartungen sogar wieder - am stärksten bei Nahrungsmitteln und Getränken.

Inflationsdruck bei pflanzlichen Produkten lässt nach

Etwas Hoffnung schürt allerdings der Blick auf die vorgelagerten Stufen der Produktion: Danach scheint der Inflationsdruck auch bei Lebensmitteln zumindest ein wenig abzunehmen. So lagen die Erzeugerpreise landwirtschaftlicher Produkte im Februar 20,4 Prozent höher als im Vorjahresmonat. Zum Vergleich: Im September hatte der Preisauftrieb noch den Rekordwert von 40,3 Prozent erreicht.

Vor allem bei Produkten aus pflanzlicher Erzeugung scheint weniger Inflationsdruck in der Pipeline, hier lag der Preisauftrieb zuletzt bei 6,8 Prozent im Vergleich zu 30,5 Prozent bei Produkten aus tierischer Erzeugung. Die Produzentenpreise gelten als guter Vorläuferindikator für die Entwicklung der Konsumentenpreise.

Erzeugerpreise landwirtschaftlicher Produkte - Veränderung zum Vorjahresmonat in Prozent
Monat Erzeugung landwirtschaftlicher Produkte insgesamt Pflanzliche Erzeugung Tierische Erzeugung
Februar 2023 20,4 6,8 30,5
Januar 2023 25,2 10,7 36,0
Dezember 2022 29,8 13,4 42,3
November 2022 31,9 16,7 43,7
Oktober 2022 37,9 26,1 46,8
September 2022 40,3 28,0 49,1

Verbraucher geben jeden sechsten Euro für Lebensmittel aus

"Allerdings dürften diese Entspannungen noch einige Zeit brauchen, um sich in der Wertschöpfungskette fortzupflanzen, bis dies letztlich beim Verbraucher ankommen wird", betont Commerzbank-Ökonom Marco Wagner. "Das trifft die Verbraucher hart, da diese ungefähr jeden sechsten Euro für Lebensmittel ausgeben."

Auch Verbraucherschützer sind angesichts der stark gestiegenen Lebensmittelpreise beunruhigt: "Manche Preissteigerungen bei Lebensmitteln sind weder gerechtfertigt noch nachvollziehbar", heißt es aus der Verbraucherzentrale Bundesverband. Derzeit sei unklar, wie sich Lebensmittelpreise bilden und wo Gewinne zu Lasten der Verbraucherinnen und Verbraucher mitgenommen werden. "Deshalb ist ein kritischer Blick der Politik und des Kartellamtes auf Handel und Lebensmittelhersteller notwendig, um zu prüfen, ob Unternehmen die Lage nutzen, um die eigenen Erträge zu verbessern", mahnen die Verbraucherschützer.

Nestlé, Danone und Unilever heben Preise massiv an

Tatsächlich haben einige Lebensmittelhersteller in den vergangenen Monaten offenbar die Geschäfte ihres Lebens gemacht. So hat etwa der französische Lebensmittel-Riese Danone seinen Umsatz im ersten Quartal um 10,5 Prozent gesteigert - so stark wie seit zehn Jahren nicht mehr. Danone hat wie seine Wettbewerber Nestlé und Unilever die Preise deutlich angehoben.

Der Lebensmittel-Weltmarktführer Nestlé verzeichnete zuletzt ein organisches Wachstum von 9,3 Prozent - was die Schweizer allein Preiserhöhungen von 9,8 Prozent im ersten Quartal zu verdanken hatten. Einige Lebensmittel-Einzelhändler wie Rewe und Edeka hatten angesichts der massiven Preissteigerungen von Nestlé und Co. einzelne Marken schlagzeilenträchtig aus ihren Regalen verbannt. Doch die Geschichte des Einzelhandels als Weißen Ritter, der im Kampf für die Rechte der Konsumenten auch die Konfrontation mit Lebensmittel-Giganten nicht scheut, ist nur eine mögliche Lesart.

Lebensmittel-Einzelhandel als zusätzlicher Preistreiber?

Einige Experten geben zu bedenken, dass der Einzelhandel selbst ein großer Preistreiber ist. Hintergrund ist die wachsende Konzentration im Lebensmitteleinzelhandel, die im vergangenen Jahr mit der Zerschlagung von Real und der Übernahme der Märkte durch Edeka und Kaufland einen vorläufigen Höhepunkt erreicht hatte.

Laut einer aktuellen Untersuchung der Wettbewerbsökonomen Rainer Lademann und Mitja Kleczka ist zumindest ein Teil der jüngsten Preissteigerungen auch auf die Marktmacht des Handels zurückzuführen. Die vier Unternehmensgruppen Edeka, Rewe, Schwarz und Aldi würden eine marktbeherrschende Stellung einnehmen, 2021 entfielen 85,5 Prozent des Umsatzes mit Lebensmitteln im Einzelhandel auf das Quartett. Der Wettbewerb funktioniere daher nicht mehr - und der Verbraucher müsse dies mit überhöhten Preisen bezahlen.

Keine schönen Perspektiven für Konsumenten

Unterm Strich fällt der Blick auf die weiteren Perspektiven bei den Lebensmittelpreisen aus Konsumentensicht damit äußerst ernüchternd aus; mit größeren Entlastungen ist vorerst nicht zu rechnen. Verbraucherinnen und Verbraucher müssen sich darauf einstellen, auch in den kommenden Monaten einen - im Vergleich zu früheren Jahren - weitaus größeren Teil ihres zur Verfügung stehenden Einkommens für Lebensmittel ausgeben zu müssen.