Teuerung ohne Energie und Lebensmittel Euro-Kerninflation auf Rekordniveau
Dank sinkender Energiepreise hat sich die Inflation in der Eurozone deutlich auf 6,9 Prozent abgeschwächt. Doch Grund für Entwarnung ist das noch nicht. Denn die sogenannte Kerninflation steigt auf Rekordniveau.
Die Inflation im Euroraum hat sich dank rückläufiger Energiepreise kräftig abgeschwächt. Die Verbraucherpreise stiegen im März binnen Jahresfrist nur noch um 6,9 Prozent, wie das Statistikamt Eurostat heute in einer ersten Schätzung mitteilte.
Volkswirte hatten einen weniger deutlichen Rückgang der Inflationsrate erwartet. Sie prognostizierten für März eine Rate von 7,1 Prozent. Die Teuerung lag erstmals seit Februar 2022 unter der Marke von sieben Prozent. Im Oktober hatte sie einen Rekordwert von 10,7 Prozent erreicht.
Inflation wird durch Energiepreise gedrückt
Bei den Zahlen macht sich ein sogenannter Basiseffekt bemerkbar. Denn nach dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine waren die Energiepreise kräftig nach oben geschossen. Das erhöhte Preisniveau bildet nun die Basis für die Berechnung der Inflation.
Gedrückt wird die Inflationsrate durch die Energiepreise. Sie sind im März im Jahresvergleich sogar um 0,9 Prozent gesunken. Im Vorjahr war es in Folge des russischen Angriffskrieges zu einem deutlichen Anstieg der Energiepreise gekommen. Im Februar waren die Energiepreise noch um 13,7 Prozent gestiegen. Getrieben wird die Gesamtinflation mittlerweile durch gestiegene Preise für Lebens- und Genussmittel.
Kerninflation nimmt weiter zu
Daher kann von Entwarnung noch keine Rede sein: Denn die Kernrate, in der die schwankungsreichen Energie- und Lebensmittelpreise sowie Alkohol und Tabak ausgeklammert sind, nahm im März weiter zu - auf 5,7 Prozent. Das ist ein Rekordniveau. Im Februar hatte die Kerninflation noch bei 5,6 Prozent gelegen. Der Anstieg war so erwartet worden.
Die Preise für Lebensmittel, Alkohol und Tabak zogen um 15,4 Prozent an nach einem Plus von 15 Prozent im Februar. Industriegüter ohne Energie verteuerten sich um 6,6 Prozent nach zuvor 6,8 Prozent. Die Preise für Dienstleistungen erhöhten sich im März um fünf Prozent. Im Februar hatte das Plus bei 4,8 Prozent gelegen.
In Spanien zum Beispiel fiel die Gesamtinflationsrate im März von 6 Prozent auf 3,3 Prozent - und damit um beachtliche knappe drei Prozentpunkte. Rechnet man hingegen für die spanische Kerninflation die schwankungsreichen Energie- und Nahrungsmittelpreise heraus, fiel die Teuerung nur minimal von 7,6 Prozent auf 7,5 Prozent. Dies zeigt wie stark die mathematischen Basiseffekte im Bereich der Energiepreise sind. In Deutschland liegt die Kerninflation bei 5,9 Prozent.
Inflation greift in Hotel- und Tourismusbranche um sich
"So schön sich der Inflationsrückgang liest, er ist mit Haken und Ösen versehen", kommentierte Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank. Angesichts der gestiegenen Kerninflation könne von nachlassendem Teuerungsdruck keine Rede sein. "Das Inflationsgeschehen erfasst immer mehr den Dienstleistungssektor - darunter vor allem den Hotel- und Gaststättensektor und die Tourismus- und Veranstaltungsbranche."
Dekabank-Chefvolkswirt Ulrich Kater bewertet die Daten positiver: "Man sollte nicht kleinreden, dass Energiepreise und Lieferkettenprobleme sich wieder deutlich beruhigt haben." Dies werde in den kommenden Monaten zu weiteren Erleichterungen bei der Inflation führen. "Schwieriger wird es mit den hartnäckigen Preissteigerungen, die etwa durch die starken Lohnsteigerungen weiter angefacht werden."
EZB weiter unter Druck
Das Preisziel der Europäischen Zentralbank (EZB) von mittelfristig zwei Prozent wird weiterhin klar überschritten. Seit Juli 2022 haben die Notenbanker den Zins bereits sechs Mal in Folge angehoben - zuletzt Mitte März um 0,50 Prozentpunkte. Angesichts der jüngsten Turbulenzen im Bankensektor hatte EZB-Chefin Christine Lagarde angekündigt, dass die Währungshüter vorerst auf Sicht fahren wollen. Einen konkreten Zinsausblick für die nächsten Sitzungen legten sie nicht vor. Mehrere Währungshüter hatten sich allerdings zuletzt für weiter steigende Zinsen ausgesprochen. Auf den nächsten beiden Sitzungen wird am ehesten mit jeweils einem Viertelprozentpunkt gerechnet.
"Die EZB hat zuletzt wiederholt betont, dass sie aktuell vor allem auf die Kernteuerungsrate schaut", kommentierte Commerzbank-Ökonomen Christoph Weil. "Insofern steht die Notenbank weiter unter Druck, die Leitzinsen weiter anzuheben."
Wo ist die Inflation am höchsten?
Die Inflationsentwicklung in den einzelnen Mitgliedsländern bleibt sehr unterschiedlich. Die höchsten Raten gibt es im Baltikum. Aber in allen drei baltischen Ländern ist die Inflationsrate mittlerweile zumindest unter die Marke von zwanzig Prozent gefallen.
Am niedrigsten ist die Rate in Luxemburg (3,0 Prozent) und in Spanien (3,1 Prozent). In Deutschland lag der nach europäischer Methode berechnete Anstieg der Verbraucherpreise mit 7,8 Prozent über dem Niveau der Eurozone.