Erhebung des ifo-Instituts Unternehmen profitieren von Inflation
Vor allem Firmen in Handel, Bau und Gastgewerbe haben ihre Preise dem ifo-Institut zufolge stärker erhöht, als es durch die Entwicklung der Einkaufspreise gerechtfertigt war. Das treibt laut aktuellen Daten der EZB die Inflation an.
Viele Unternehmen in Deutschland haben laut dem ifo-Institut auch Ende letzten Jahres ihre Verkaufspreise deutlich stärker erhöht, als es durch die Entwicklung der Einkaufspreise gerechtfertigt gewesen wäre. "Diese Firmen haben die Lage genutzt, um ihre Gewinne kräftig zu steigern", erklärte Joachim Ragnitz, stellvertretender Leiter der ifo-Niederlassung in Dresden. Insbesondere Firmen im Handel, Gastgewerbe, Verkehr und Baugewerbe hätten davon profitiert.
Dynamik der Preiserhöhungen abgeschwächt
In der Land- und Forstwirtschaft dagegen stiegen die Kosten zuletzt verstärkt an. Im Sommer gehörte die Branche noch zu den Gewinnern der Inflation. Die allgemeine Preisentwicklung habe sich im vierten Quartal 2022 verlangsamt. "Für die Verbraucher besteht damit Hoffnung, dass der Höhepunkt der Inflation überschritten ist", sagte Ragnitz weiter.
Fast alle großen Wirtschaftszweige konnten laut ifo starke Bruttobetriebsüberschüsse verzeichnen. Dies sind die Unternehmensgewinne zuzüglich Abschreibungen und sonstigen Nettoproduktionsabgaben. "Auch wenn die Rate weiterhin hoch ist, hat sich die Dynamik der Preisanhebungen gegenüber dem dritten Quartal etwas abgeschwächt."
Wettbewerb sei der beste Weg, um überzogene Preiserhöhungen zu verhindern, erläutert der Ökonom weiter. Die Regierung könne zur Senkung der Inflation beitragen, indem sie auf breit angelegte Entlastungen zugunsten aller Haushalte verzichte und sie auf besonders arme Haushalte beschränke. Wenn hingegen die Gewerkschaften ihre hohen Lohnforderungen durchsetzten, bestünde die Gefahr eines neuerlichen Inflationsschubs in Form einer Lohn-Preis-Spirale, warnte Ragnitz.
Treiben steigende Gewinnmargen die aktuelle Inflation?
Notenbanken begründen Zinserhöhungen meist mit der Notwendigkeit, die Inflation zu bekämpfen und damit auch eine Lohn-Preis-Spirale zu verhindern. Auf der jüngsten Klausurtagung der Europäischen Zentralbank (EZB) im finnischen Inari wurde jedoch deutlich, dass steigende Gewinnmargen der Unternehmen der eigentliche Treiber der aktuellen Inflation sind - und nicht die Lohnforderungen der Beschäftigten. So kämen beispielsweise die europäischen Konsumgüter-Hersteller aktuell auf eine durchschnittliche Gewinnmarge von 10,7 Prozent: Das ist ein Viertel mehr als 2019, also vor Ausbruch der Coronavirus-Pandemie und des Ukraine-Krieges.
Die Löhne hinkten der Teuerungsrate dagegen hinterher, was dazu führe, dass Beschäftigte seit 2021 fünf Prozent ihres Lebensstandards eingebüßt hätten. Darin bestehe ein Unterschied zur Inflation der 1970er Jahre, die auf hohe Lohnzuwächse zurückzuführen war. "Der öffentliche Diskurs ist bis zu einem gewissen Grad losgelöst von dem, was da draußen tatsächlich passiert", kritisiert Philipp Heimberger, Volkswirt des Wiener Instituts für Internationale Wirtschaftsvergleiche.
EZB-Chefin Christine Lagarde allerdings sprach in ihrer jüngsten Pressekonferenz wiederholt von der Lohnentwicklung; Firmengewinne dagegen erwähnte sie nicht. Auch EZB-Vizepräsident Luis de Guindos warnte vor überzogenen Lohnforderungen der Gewerkschaften. "Man sieht eine deutliche Abneigung gegen die Diskussion über Gewinne", sagt dazu Wirtschaftsprofessorin Daniela Gabor von der University of West England in Bristol. Aus der EZB-Führungsriege haben bislang lediglich Fabio Panetta und Mario Centeno steigende Gewinnmargen der Unternehmen ins Gespräch gebracht.
Risiko einer Lohn-Preis-Spirale laut Analysten gering
Ungeachtet der jüngsten Streiks und Lohnforderungen ist eine Lohn-Preis-Spirale Analysten zufolge nicht zu befürchten, da die erwarteten Lohnsteigerungen die Verluste des vergangenen Jahres nicht ausgleiche. Der entscheidende Grund hierfür sei die geringere Verhandlungsmacht der Beschäftigten, erläutert Wirtschaftsprofessor Mattias Vermeiren vom Ghent Institute for International and European Studies. Diese sei durch die Liberalisierung der Arbeitsmärkte seit den 1980er Jahren geschwächt worden.
Während der Inflationskrise der 1970er Jahre entfielen Daten von Eurostat zufolge fast 70 Prozent der Wirtschaftsleistung auf die Arbeitnehmer und nur gut 20 Prozent auf Gewinne. Heute machten Erstere nur noch 56 Prozent des Bruttoinlandsproduktes aus, während der Anteil der Gewinne auf 30 Prozent gestiegen sei.
Zu hohe Preise gefährden Marktanteile
Laut Medienberichten diskutierte die EZB die Diskrepanzen bei ihrer Klausur, fand jedoch keine einheitliche Linie. Einige Mitglieder hätten argumentiert, dass eine anhaltende hohe Inflation die Gehaltsforderungen erhöhen könnte, die sich nicht vorhersagen lassen. Die Befürworter einer strafferen Geldpolitik berufen sich dabei auf die hohe Teuerung in Deutschland - hier liegt sie derzeit bei 8,7 Prozent - und in anderen europäischen Staaten. EZB-Chefvolkswirt Philip Lane geht davon aus, dass die Unternehmen wüssten, dass sie Marktanteile verlieren, wenn sie die Preise zu stark anheben und sich das Thema steigender Gewinnmargen deshalb bald von selbst erledigen könnte.