Minus von vier Prozent Reallöhne stärker gesunken als angenommen
Wie sich die Gehälter unter Berücksichtigung der Teuerung entwickeln, wird als Reallohn bezeichnet. Im vergangenen Jahr war der Rückgang besonders stark. Seit Jahren müssen Beschäftigte Einbußen hinnehmen.
Die Deutschen hatten im vergangenen Jahr preisbereinigt deutlich weniger Geld zur Verfügung. Denn die Reallöhne in Deutschland sind im vergangenen Jahr um 4,0 Prozent im Vergleich zu 2021 gesunken. Das teilte das Statistische Bundesamt am Donnerstag mit. Bislang war nur von einem Minus von 3,1 Prozent ausgegangen worden.
Ein Rückgang von vier Prozent ist die stärkste Schrumpfung seit Beginn der Statistik im Jahr 2008 und zugleich das dritte Minus in Folge. Denn auch in den Corona-Jahren 2020 (-1,1 Prozent) und 2021 (-0,1 Prozent) hatte es Einbußen gegeben, die aber deutlich geringer ausgefallen waren.
Hohe Inflation zehrt Lohnsteigerung auf
Der Grund für die deutliche Korrektur der Anstieg der Verbraucherpreise von 6,9 Prozent. Der Zuwachs bei den Nominallöhnen, die nach den überarbeiteten Daten um 2,6 Prozent wuchsen, konnte damit nicht mithalten. "Während im Jahr 2020 insbesondere der vermehrte Einsatz von Kurzarbeit zur negativen Nominal- und Reallohnentwicklung beigetragen hatte, zehrte 2021 und besonders 2022 die hohe Inflation das Nominallohnwachstum auf", erklärten die Statistiker.
Die Wiesbadener Behörde revidierte Zahlen vom 1. März wegen anders erhobener Verdienste. Der Anstieg der Nominallöhne fiel um 0,9 Prozentpunkte schwächer aus als zunächst berechnet, da nun auch zum Beispiel kleinere Betriebe erfasst und zusätzlich zu Vollzeit-, Teilzeit- und geringfügig Beschäftigten auch alle weiteren Beschäftigungsarten wie Auszubildende und Altersteilzeitbeschäftigte abgebildet werden.
Erst 2024 steigende Reallöhne erwartet
Für das laufende Jahr rechnen viele Experten mit einem erneuten Rückgang der Reallöhne. Denn nach wie vor ist die Inflation in Deutschland hoch, besonders die sogenannte Kerninflation bereitet Notenbankern Kopfzerbrechen. Ein Lohnplus, das derzeit für viele Tarifbeschäftigte ausgehandelt wird oder schon beschlossen ist, dürfte erneut von der Inflation aufgezehrt werden. Erst im kommenden Jahr könnten die Reallöhne wieder zulegen, wenn die Inflationsrate wie prognostiziert sinkt.
Trotz der gesunkenen Reallöhne hat sich die Zahl der Arbeitskämpfe in Deutschland im vergangenen Jahr kaum erhöht. Insgesamt seien 225 Arbeitskämpfe geführt worden, an denen 930.000 Streikende teilgenommen hätten, wie das gewerkschaftsnahe Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung mitteilte. Zum Vergleich: 2021 waren es 221 Arbeitskämpfe mit 909.000 Streikenden.
Für 2023 deuten allerdings bereits in den ersten Monaten hohe Warnstreik-Beteiligungen bei Post, Bahn und Öffentlichem Dienst darauf hin, dass das Arbeitskampfvolumen "erheblich zunehmen könnte".